Favoritenstraße: Im Windschatten des Eisknödels

Die Presse
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Während der Süden der Einkaufsstraße – auch dank des Eissalons Tichy – gut frequentiert ist, prägen den Norden der Fußgängerzone verwaiste Geschäftslokale. Daran hat auch der neue Hauptbahnhof noch nichts geändert.

Wien. Favoriten geht es mit Wien wie Wien mit den anderen Bundesländern: Die Beliebtheit außerhalb der eigenen Grenzen ist nicht allzu groß. Der schlechte Ruf färbt auch auf die zentrale Einkaufsstraße des zehnten Bezirks ab. Die Favoritenstraße gilt im Rest der Stadt nicht unbedingt als schmucke Einkaufsmeile, zu der man für nette Shoppingtouren einen Abstecher macht.

Eigentlich tut man der 1,3 Kilometer langen Straße zwischen Hauptbahnhof und Reumannplatz aber Unrecht – denn neben einigen Problemen hat sie auch durchaus ihren Reiz. Unbestritten ist die Fußgängerzone – eine der längsten Wiens – auch das soziale Zentrum des Bezirks. Hier sitzen alte Frauen auf Bänken und unterhalten sich. Die Jungen spielen am Columbusplatz Fußball oder fahren Skateboard – und am Viktor-Adler-Platz oder oben am Reumannplatz trifft sich mittags die arbeitende Bevölkerung zum Essen und nach der Arbeit zum Trinken. Im Gegensatz zu manch anderer Einkaufsstraße ist die Favoritenstraße zumindest eines: belebt. Rund 93.000 Menschen halten sich hier laut Wirtschaftskammer täglich auf – das sind auch potenzielle Kunden.

Markt und Eissalon bringen Frequenz

Das Hauptproblem ist: Favoritenstraße ist nicht gleich Favoritenstraße, darum verteilt sich die Kaufkraft der Kunden ungleich über die Länge. „Ich sehe überhaupt nicht ein, warum alle immer so schlecht über unsere Straße reden, wir haben viel, was sonst niemand hat“, sagt Eva Oswald aus dem Lampengeschäft Oswald nahe dem Reumannplatz, das es schon 102 Jahre lang gibt. Das Unternehmen ist eines der ältesten der Straße. „Welche Straße hat zum Beispiel so eine lange Fußgängerzone und einen Markt“, sagt sie. Vor allem der Gemüsemarkt würde viele potenzielle Kunden bringen. Gemeint ist damit der sogenannte Schreiermarkt in der Leibnizgasse, die an den Viktor-Adler-Markt anschließt. Tatsächlich gibt es kaum anderswo in Wien so günstiges und gutes Gemüse, das an Vormittagen von Verkäufern mit großem Geschrei angepriesen wird. Drei Kilo Paradeiser bekommt man hier für zwei Euro, ein Kilo Champignons für einen Euro.

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Auch gegen die vielen Ketten, von denen sie in diesem Teil der Favoritenstraße umringt ist, hat Eva Oswald nichts: „Die bringen Leute. Und Leute sind Kunden“, sagt sie. Ein weiterer Kundenmagnet sei der Eissalon Tichy am Reumannplatz, zu dem Menschen aus ganz Wien kommen, um die berühmten Eismarillenknödel zu essen – viele davon gehen danach auch auf die Favoritenstraße und kaufen dort vielleicht auch ein.

Leerstand und Wettlokale

So heil die Welt im oberen, dem südlichen Teil der Favoritenstraße für die Verkäufer ist, desto mehr bröckelt es, je weiter man Richtung Columbusplatz und Hauptbahnhof geht. Dort reihen sich Ein-Euro-Shops, Wettbüros und Leerstände aneinander.

Neben Erdgeschoßzonen sind auch ganze Gebäude verwaist: Im Jänner hatte mit dem Modehaus Tlapa eines der letzten Traditionshäuser in Wien endgültig zugesperrt. Ein Nachmieter hat sich offenbar noch nicht gefunden, die Fensterscheiben sind mit Papier verklebt. Ähnlich sieht das Haus aus, in dem einst ein Kleider Bauer beheimatet war – neue Mieter sind angekündigt. Zwischen Columbusplatz und Hauptbahnhof, wo es hauptsächlich Einzelhändler gibt, sieht es ganz trist aus – Kunden verirren sich hierher nur mehr wenige. Dieser Tage wird der Aussichtsturm Bahnorama am Anfang der Favoritenstraße abgebaut, von dem man über die Baustelle Hauptbahnhof blicken konnte. Besucher waren potenzielle Kunden, die nun wegfallen. „Hier in diesem Teil hängen sie nicht einmal mehr eine Weihnachtsbeleuchtung auf, die hört irgendwo am Columbusplatz auf“, sagt Ermina Alkan vom Haarshop Chaarmant, die sich mehr Engagement vom Bezirk erwartet. Auch das neue Grätzel rund um den Hauptbahnhof habe bisher nicht den erwünschten Aufschwung gebracht. „Aber das kann ja noch werden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2016)

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