Wein und andere Verwirrmethoden

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Inmitten des Wienerwalds betreibt die Stadt Wien das Weingut Cobenzl. Betriebsleiter Thomas Podsednik versucht, in Grinzing und Umgebung nachhaltigen Wein und seit Kurzem auch Biohonig zu erzeugen. Ein Besuch in Weingarten und Presshaus.

Zwei Wochen lang hängen vier Mitarbeiter jedes Jahr rote Dispenser in den Weingärten auf. Auf jedem zweiten Steher, in jeder zweiten Reihe. Wenn das dem Nachtfalter ähnliche Insekt, der Traubenwickler, dann durch die Weinreben fliegt, riecht er etwas. An jedem zweiten Steher und in jeder zweiten Reihe. Die roten Ampullen an den Dispensen enthalten Pheromone. Der Traubenwickler fliegt dem Geruch nach, er vermutet Weibchen. Aber er findet keine. Nur die roten Dispenser, die an den Weinreben baumeln. Sie stülpen eine regelrechte Duftglocke über den ganzen Weingarten. Eine Duftwolke voller Verwirrung für das Männchen.

Methoden hinterfragen

Mit der sogenannten Verwirrmethode soll einer der größten Feinde des Weinanbaus – der Traubenwickler – verwirrt, vertrieben und an der Fortpflanzung gehindert werden. Denn wer keinen Partner findet, kann auch keine Eier legen. Keine Eier bedeuten keine Würmer, die Trauben auffressen. Mit dieser Strategie versucht Thomas Podsednik, das Weingut Cobenzl von dem Schädling frei zu halten, und zwar ohne den Einsatz von Insektiziden. Cobenzl ist kein Bio-Weingut, aber mit dem Siegel Nachhaltig Austria zertifiziert. Jedes Jahr wird das Weingut kontrolliert und muss sich ständig weiter verbessern. Cobenzl ist ein Betrieb der Stadt Wien, und Thomas Podsednik führt ihn. Ihm ist es wichtig, die Methoden in der Weinerzeugung zu hinterfragen und nach nachhaltigen zu suchen.

Auch wenn das natürlich mit Kosten verbunden sei, wie er betont, lohne es sich langfristig. Das Cobenzl wird energieautark mit Solarstrom vom Dach geführt, und den Abfall der Trauben bekommt die MA 48 für die Biogasanlage. Am Tag zuvor wurde Zweigelt gepresst, die roten Reste liegen in einer Blechtonne. Bald wird daraus Wärme erzeugt werden.

Das Weingut liegt in Grinzing, nicht weit vom Krapfenwaldlbad entfernt. Auf der Straße zum Gut fährt man an unzähligen Heurigen vorbei. Das gelbe Gut wird an diesem Morgen von einem Schleier aus Nebel verhüllt. Dazwischen blitzen die vom Herbst gelb und rot gefärbten Bäume heraus. Die Sicht auf Wien ist vernebelt. Beim Öffnen der Eingangstür strömt der süßliche Geruch von jungem Wein in die Nase, eine Hündin streicht sofort um die Füße. Innen sind die Räume modern, freundlich, überall stehen Weinflaschen.

Lounge in Rot- und Grüntönen

Podsednik bittet in einen loungeartigen Raum mit dunkelroten Ledermöbeln. Auf die Decke sind grüne Weinblätter gemalt, das ganze Weingut ist durchgestylt und so anders als man sich ein altes Weingut vorstellt. Nachdem Podsednik die Weinbauschule in Klosterneuburg abgeschossen hatte, übernahm er 1988 das Weingut Cobenzl. Es war damals in einem schlechte Zustand, das müsse man ganz ehrlich zugeben, sagt er heute. Die Stadt Wien wollte es sogar verkaufen. Podsednik bekam drei Jahre, um sie vom Gegenteil zu überzeugen. „Und siehe an, heute gibt es uns noch immer“, sagt er mit einem Schmunzeln im Gesicht. Cobenzl ist das drittgrößte Weingut Wiens und und hat bereits zahlreiche Preise gewonnen. Beim Salon-Österreich-Wein-Wettbewerb 2016 gewann ihr Pinot Noir 2012 Bellevue Reserve. Noch nie zuvor hatte das ein Wiener Betrieb in der Kategorie Rotwein geschafft.

Lang wurde beim Wein nur zwischen rot und weiß und billig und teuer unterschieden. Heute wollen die Kunden wissen, woher die Trauben kommen und wie der Wein gemacht wurde. „Ich glaube, der Weinskandal war ein Wendepunkt. Seitdem geht es nicht mehr um die Menge, sondern um die Qualität“, so der Betriebsleiter. Als Podsednik noch in der Weinbauschule war, brach der Weinskandal aus. Darum musste er gleich drei Weingesetze lernen: das alte Weingesetz, das vorübergehende und das neue. Es habe natürlich Jahre gedauert, bis die Menschen umdachten, so Podsednik. „Ab 2000 war dann etwas anders.“

Je kürzer die Wege, desto besser

Mit dem neuen Bewusstsein konnte auch der Preis für die Qualität steigen. „Wenn ich zurück an den Schilling denke und mir vorstelle, ich hätte damals für eine Flasche Wein 70 Schilling verlangt, dann wäre er preislich im hohen Segment gewesen. Heute sind das umgerechnet fünf Euro, und man muss froh sein, wenn man dafür einen halbwegs anständigen Wein bekommt.“ Was durch den Wein eingenommen wird, wird in den Keller und das Gut investiert. Mit Keller sind die Lagerungsmöglichkeiten und das Presshaus gemeint. „Die meisten glauben, dass Investitionen in den Keller den Wein unnatürlich machen, aber so ist es nicht. Je kürzer die Wege und je schonender die Arbeit mit den Trauben ist, desto besser ist die Qualität. Investitionen in den Keller kommen immer dem Wein zugute.“

Dass man die Qualität im Presshaus aber verbessern könne, sei ein Irrglaube. Wie hoch die Qualität eines Weins ist, hänge erst einmal nur von der Traube ab: Wie reif und wie gesund sie war und ob es Fäulnisse gegeben hat. Diese Qualität einer gepflückten Traube könne der Winzer dann maximal beibehalten. „Im besten Fall hat man eine hundertprozentige Qualität, die man in die Flasche bringt. Jeder, der behauptet, er könne im Keller 120 Prozent erreichen, liegt einfach falsch“, so Podsednik.

Im Innenhof steht eine schwarz-grüne Box, eine Lesebox. „Hier kommen die Trauben hinein, die im Weingarten händisch und maschinell geerntet werden.“ Anschließend werden die Trauben durch ein Drehkreuz in eine große Wanne befördert. Das alles muss schnell gehen, denn ähnlich wie bei einem angeschnittenen Apfel werden auch Trauben bei sommerlichen Temperaturen schnell schlecht. Aus der Wanne fallen die Trauben dann durch zwei Durchlässe im natürlichen Gefälle in die linke oder rechte Presse.

Für einen Tag bleiben die gepressten Trauben im Tank, dann wird der klare Most entnommen und kommt in große Tanks aus Nirosta. Im Presshaus ist alles grau: Die Böden sind betoniert, keine durchgestylten Designermöbel mehr, hier wird gearbeitet. Ein bis zwei Wochen bleibt der Most dann im großen Tank, je nach Gärverlauf. Podsednik geht durch die Gänge. Hier und da muss noch etwas weggewischt werden.

Fünf Mitarbeiter arbeiten mit ihm auf dem Weingut. Durch den Regen hinkt das Team einen Produktionstag hinterher. „Das Einzige, das die Pläne öfters durchkreuzt, ist das Wetter“ sagt Podsednik und seufzt. Dennoch: Vier Fünftel der Ernte sind schon in den Tanks, ein gutes Gefühl. Jetzt müsse nur mehr die Qualität beibehalten werden.

Podsednik kennt sich mit Wein aus, das merkt man. Für ihn ist sein Wissen aber nicht genug, er studiert seit einem Jahr wieder. Die Ausbildung in der Weinbauschule sei gut, aber international nicht anerkannt. In anderen Ländern mache man Matura und studiere dann noch an einer Art Fachhochschule. „Das hat es bei mir damals nicht gegeben“, so Podsednik. Darum studiere er jetzt in einem zweijährigen Studiengang berufsbegleitend in Klosterneuburg. Ein Jahr hat Podsednik bereits, jetzt noch zwei Wochenenden im November und dann die Diplomarbeit. „Manchmal fragen mich die Leute: „Warum tust du dir das an?“ Ich mag es irgendwie. Ich studiere dort mit vielen jungen Leuten und werde fachlich wieder upgedatet. Auch wenn der Großteil der anderen Studenten in meinem Jahrgang meine Kinder sein könnten.“ Podsednik geht die gemauerten Stiegen nach unten und schaltet das Licht ein. Schnell drückt er auf einen anderen Schalter. „Sie bekommen das Besucherlicht, nicht das zum Arbeiten.“ Im Weinkeller stehen viele Fässer, dazwischen Kerzen. Im Hintergrund hört man ein lauschiges Tropfen. Spots am Boden beleuchten das Gewölbe.

Der Traum vom Biohonig

Doch man bekommt nicht nur Wein im Weingut: Vor zwei Jahren startete Podsednik den Versuch, eine kleine Bioimkerei mit fünf Völkern aufzubauen. Zehn Völker gibt es mittlerweile. Rückschläge gab es natürlich auch, aber Podsednik ist zuversichtlich: „Wir produzieren noch nicht so viel Honig, und er ist immer schnell ausverkauft, aber es macht totalen Spaß. Und nächstes Jahr werden wir es wieder mit neuen Königinnen versuchen.“

Bitte kein Schnee!

Die Weinernte dieses Jahr war gut, er ist zufrieden, aber auch müde. „Man macht sich andauernd Sorgen, vor allem um das Wetter. Wenn es in den nächsten Tagen nicht noch zu schneien beginnt, dann haben wir alles unter Dach und Fach“, so der Betriebsleiter. Für die meisten Menschen ist der Sommer die typische Urlaubszeit, für Winzer nicht. Urlaub gibt es in der Weinbranche erst im Herbst nach der Ernte. Darum fahre er jetzt mit seiner Frau für eine Woche in den Süden – auch wenn der Wetterbericht ebenfalls schlecht aussieht. „Das Wetter kann man sich eben nie aussuchen“, sagt Podsednik und muss lachen.

Auf einen Blick

Weinbau in Wien. Seit dem zwölften Jahrhundert wird in Wien Wein angebaut. Auf dem Stadtgebiet befinden sich 700 Hektar Weingärten, die von 400 Winzerbetrieben bewirtschaftet werden und jährlich 20.000 Liter Wein abwerfen. Am beliebtesten ist der Grüne Veltliner und der Riesling. In Österreich sichert die Weinwirtschaft rund 75.000 Arbeitsplätze. Mit einer Bruttowertschöpfung von 3,6 Milliarden Euro generiert sie 1,23 Prozent der Gesamtwertschöpfung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.