Das Hochhaus im Schrebergarten

Markus Ederer
Markus Ederer(c) Philipp Tomsich
  • Drucken

In Simmering muss eine Schrebergartensiedlung zwei Wohntürmen weichen. Da in der wachsenden Stadt Platz geschaffen werden muss, gibt es einen regelrechten Hochhausboom.

Wien. Markus Ederer verbringt jede freie Minute mit seiner großen Liebe. Ihr Wohlbefinden hat Priorität, dafür investiert er viel Zeit und Geld. Seit 20 Jahren währt die Beziehung, die nun jäh enden soll.

Denn dort, wo Markus Ederer in Simmering seinen geliebten Schrebergarten hat, sollen zwei Türme mit 34 und 16 Metern Höhe entstehen, die 150 geförderte Wohnungen beherbergen. Die Widmung und der Bauträgerwettbewerb für die Eisteichtürme nahe der U3-Bahn-Station Zippererstraße laufen, Mitte 2017 soll das Projekt durch den Gemeinderat. Mit 2018 sollen alle Pläne fertig sein, dann wird gebaut.

Ederers Nachbarin Karoline Jonovics (84) hat ihren Garten seit mehr als 50 Jahren, ihre Kinder und deren Kinder sind hier groß geworden. Mittlerweile spielen hier ihre Urenkeln. Die riesigen Bäume hat die ehemalige Telefonistin der Stadt Wien selbst gezogen. „Der Garten ist mein Jungbrunnen und soziales Zentrum“, sagt sie. Alle ihre Freunde kämen hierher. „Ich hasse nämlich alte Menschen und ihre komischen Kartenspielvereine. Hier im Garten wird Tischtennis gespielt und gegrillt. Das macht Spaß“, sagt sie. „Ich will nicht weg.“

Die Riesen kommen

Das Grundstück gehört der Stadt, die nun den Hauptpachtvertrag mit dem Zentralgartenverein gekündigt hat. Im Ressort von Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ) hat man Verständnis für die Wehmut der Schrebergärtner. Ihnen soll Ersatz angeboten werden. „An den Avaren“ weiter draußen in Simmering soll eine neue Schrebergartensiedlung entstehen. „Ich verstehe, dass sie das Grundstück wollen, aber ich will es auch“, sagt Jonovics. „Ich bin zu alt, um in einem Garten von vorn anzufangen.“

Auf den Bau des Projekts zu verzichten ist für die Stadt keine Alternative. „Die Stadt wächst rasant, wir müssen Wohnraum schaffen, und die Lage dieses Grundstücks nahe der U-Bahn ist perfekt“, heißt es aus Ludwigs Büro. Die Siedlung befinde sich weiters in einem kleinen Stadtentwicklungsgebiet. Rundherum wird bereits gebaut.

Wie dringend die Stadt mehr Platz für die rasant wachsende Bevölkerung braucht, spiegelt sich auch in den vielen aktuellen Hochhausprojekten wider, die es so in dieser Zahl und Größe bis vor wenigen nicht gegeben hat. Ein Haus gilt ab 35 Metern als Hochhaus – derzeit sind aber einige echte Riesen in Planung.

Donaustadt: Allein in der Seestadt Aspern sind acht Gebäude mit mehr als 60 Metern geplant, unter anderem soll hier das höchste Holzhochhaus der Welt entstehen. „Forum Donaustadt“ heißt der neue Stadtteil, der rund um die U-Bahn-Station Kagran geplant ist. Das Wahrzeichen des neuen Viertels ist ein 145 Meter hoher Bau.

Nahe der U1-Station Donauinsel sollen die Danubeflats mit 163 Metern Höhe für 500 Wohnungen entstehen. Gleich daneben ist der DC-Tower zwei zumindest angekündigt: Im 168 Meter hohen Gebäude sollen 300 freifinanzierte Wohnungen beheimatet sein.

Leopoldstadt: Ebenfalls am Wasser, am Handelskai, wird am Marina-Tower gearbeitet. Bis 2018 entstehen 640 Miet- und Eigentumswohnungen. Mit dem Viertel-Zwei-Plus entsteht bei der Krieau ein neues Grätzel. Das höchste Haus könnte 120 Meter hoch sein.

Landstraße: Auch im dritten Bezirk sind gleich sieben wirklich hohe Hochhäuser in Planung. Statt des ehemaligen Zollamts in Wien Landstraße soll mit dem Projekt „Triiiple“ ein Hochhausensemble von Wohnungen, Büro- und Gewerbeflächen entstehen. Die drei Türme werden zwischen 100 und 157 Metern hoch sein.

Unweit davon entfernt werden ebenfalls Hochhausdrillinge geboren. Am Erdberger Mais wird an den 104, 114 und 122 Meter hohen Türmen des MGC-Plaza gearbeitet, das hauptsächlich Mietwohnungen enthalten soll.

Am Thomas-Klestil-Platz soll noch dieses Quartal mit dem Orbi Tower ein 102 Meter hohes Bürogebäude eröffnen.

Favoriten: Am Hauptbahnhof entstehen mit dem Icon Vienna drei Türme mit 88, 66 und 38,5 Metern Bürogebäude. Am Monte Laa wird das Wohnhaus „Hoch 33“ gebaut. Es ist 100 Meter hoch.

Im Jahr 2014 gab es in Wien rund 250 Häuser mit mehr als 35 Metern Höhe. Das erste Hochhaus Wiens wurde 1933 mit 50 Metern in der Herrengasse gebaut.

AUF EINEN BLICK

Stadtentwicklung. Eine Schrebergartensiedlung in Simmering soll zwei Wohntürmen mit 34 und 16 Metern Höhe weichen. Das Grundstück gehört der Stadt. Ab 35 Metern gilt ein Gebäude als Hochhaus. Wie dringend Platz in der rasant wachsenden Stadt gebraucht wird, zeigt der regelrechte Hochhausboom. In der Donaustadt, im dritten Bezirk, der Leopoldstadt und Simmering schießen einige echte Riesen aus dem Boden, die 100 Meter Höhe und mehr messen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Neue-Heimat-Chef Claus Lugger betont die führende Rolle der Tiroler Wohnbaugesellschaft im Passivhausbau.
Austria's Leading Companies

Neue Heimat Tirol ist größter Passivhausbauer

Big Player. Auf diesem Gebiet ist die gemeinnützige Wohnbaugesellschaft europaweit führend. Sie hat bereits mehrere Tausend Wohnungen in Passivhäusern errichtet.
Unternehmen

Etabliertes Wiener Architektenbüro in Konkurs

Das Wiener Architektenbüro Rollwagen + Rollwagen ist in die Insolvenz geschlittert.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.