Wiener Häftlingspsychiatrie vor der Schließung

(c) FABRY Clemens
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Die einzige forensische Abteilung Wiens wird geschlossen. Zwischen Stadt und Bund gibt es noch keine Einigung. Die Belegschaft will den Standort mit einer Petition erhalten.

Wien. Spätestens Ende 2017 soll mit der Abteilung für Forensische Akutpsychiatrie im Pavillon 23 des Otto-Wagner-Spitals die einzige spezialisierte Einrichtung zur Behandlung von psychiatrisch akut erkrankten Untersuchungshäftlingen und Strafgefangenen geschlossen werden. Diese müssten dann an allgemeinen Psychiatrien der Wiener Gemeindespitäler aufgenommen werden, die selbst zumeist überlastet und auf solche Patienten aufgrund fehlender Erfahrung und des Fachärztemangels nicht vorbereitet sind.

Der Krankenanstaltenverbund (KAV) spielt den Ball an das Justizministerium weiter. Schließlich gehe es um die Behandlung von Justizhäftlingen. Also sei der Bund zuständig, eine entsprechende Versorgung sicherzustellen. Nach wie vor bestehe das Angebot des KAV an das Ministerium, bei Zurverfügungstellung eines anderen Standorts und entsprechender finanzieller Mittel diesen gern betreiben zu wollen. „Eine Reaktion seitens des Justizministeriums ist offen. Noch einmal möchten wir betonen, dass das Justizministerium über die geplante Schließung des fraglichen Pavillons vor Langem informiert wurde“, teilt ein Sprecher auf Nachfrage mit. Vonseiten des Ministeriums hingegen heißt es, dass „aktuell noch Gespräche über die Zukunft der Abteilung im Gange sind“. Mehr könne man in der jetzigen Situation nicht sagen. Außer: „Selbstverständlich bleibt auch im Fall einer allfälligen Schließung der Abteilung die medizinisch psychiatrische Versorgung der Patienten gewährleistet.“

Hohes Gewaltpotenzial

Die Belegschaft des Pavillons 23 mit zwölf Betten, dessen Versorgungsgebiet die Justizanstalten Josefstadt, Simmering, Floridsdorf, Mittersteig und Favoriten umfasst, ist da aber anderer Meinung und hat eine Petition gestartet, um den Standort im Otto-Wagner-Spital zu erhalten. Ihr Argument: Psychiatrisch kranke Strafgefangene können nicht in einer allgemeinen Psychiatrie behandelt werden, die nicht spezialisiert ist. Dem Personal dort fehle es dafür an fachlicher Kompetenz. Zudem müssten die Patienten, die oft sehr hohes Gewaltpotenzial zeigten, in allgemeinen Psychiatrien rund um die Uhr von zwei Justizbeamten bewacht werden, was keine Kosten sparen, sondern zusätzliche Ausgaben verursachen würde. Ein typischer Patient ist der 21-jährige Kenianer, der im Mai eine Frau mit einer Eisenstange erschlagen hat – er war zuletzt rund drei Monate im Pavillon 23 in stationärer Behandlung. Bis zu einem Jahr können Patienten hier behandelt werden. In Ausnahmefällen auch länger.

Keine Zeit für neues Zentrum

Ein weiteres Argument des Personals der Abteilung: Es benötige sehr viel Zeit, um ein neues forensisches Zentrum mit der medizinischen Qualität und Infrastruktur des Pavillons 23 aufzubauen. In einigen Monaten sei das nicht möglich. Forensische Patienten erforderten eine hoch spezialisierte Fachkompetenz sowie besondere rechtliche Rahmenbedingungen in der Betreuung. Der Pavillon 23 verfüge neben dem speziell ausgebildeten Personal über Sicherungen der Fenster, Kameras und ein Notrufsystem. Auch die Vernetzung mit Polizei und Justiz sei ausgezeichnet, die Transportwege zum Straflandesgericht seien kurz.

Rückendeckung erhält die Belegschaft von der Ärztekammer. „Es gibt eine absolute Notwendigkeit für die Erhaltung dieser Abteilung im Otto-Wagner-Spital, denn im Gefängnis oder in allgemeinen Psychiatrien ist eine adäquate Behandlung psychiatrischer Patienten nicht möglich“, sagt Kammerpräsident Thomas Szekeres. „Aber offensichtlich geht es hier nicht um die Sache, sondern nur um das Geld.“

Auch Anna Kreil, stellvertretende Obfrau der Ärztegewerkschaft Asklepios, spricht sich für den Erhalt der Abteilung aus. Eine Millionenstadt wie Wien müsse unbedingt eine spezialisierte Abteilung für forensische Psychiatrie haben. Zum einen, weil die gesamte psychiatrische Ausbildung junger Ärzte gewährleistet werden müsse, „zum anderen, weil nicht ausreichend behandelte Patienten zu früh entlassen werden und eine Gefahr für die Gesellschaft bedeuten können. Überall spricht man von Therapie statt Strafe, aber hier wird das einfach umgedreht.“

AUF EINEN BLICK

Schließung. Die Abteilung für Forensische Akutpsychiatrie im Otto-Wagner-Spital ist Wiens einzige spezialisierte Einrichtung zur Behandlung von Strafgefangenen. Ende 2017 soll es geschlossen werden. Die Ärzte wollen die Abteilung mit einer Petition retten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2016)

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