Erziehung: Psychische Gewalt verharmlost

Beileidigtes Kind - Schatten
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Die Kinderschutzorganisation Die Möwe hat das Bewusstsein der Österreicher für das Thema Gewalt an Kindern untersucht.

Wien. Der Schlag ins Gesicht oder tage- bis wochenlange Kommunikationsverweigerung. Beides sind Gewaltformen, die gegenüber Kindern angewendet werden. Beide werden aber nicht im selben Ausmaß als solche wahrgenommen. Das Gallup-Institut hat im Auftrag der Kinderschutzorganisation Die Möwe das Bewusstsein der Österreicher zum Thema Gewalt und Missbrauch an Kindern untersucht. Die rund alle drei Jahre durchgeführte Studie macht deutlich, dass das Bewusstsein dafür zwar gestiegen ist, es aber immer noch Lücken gibt.

„Alle Formen der Gewalt, die die Seele verletzen und nicht körperlich sind, werden weniger als Gewalt angenommen, obwohl sie jahrzehntelange Folgen haben können“, sagt Hedwig Wölfl, Geschäftsführerin und fachliche Leiterin der Möwe, bei der Präsentation. Vernachlässigung oder Kommunikationsverweigerung werden demnach massiv unterschätzt. Und es macht bei den Befragten einen Unterschied, wer Gewalt ausübt. „Im Bewusstsein der Österreicher wird die Ohrfeige vom Lehrer oder Nachbarn eher als Gewalt eingestuft, als jene, die von der Mutter kommt“, sagt Wölfl. Kinder werden heute allerdings nicht aus Überzeugung geschlagen, sondern vielmehr aus Überforderung.

Wölfl plädiert daher für Präventionsmaßnahmen – im Gegensatz zur Mehrheit der Befragten. Bei der Frage nach den Maßnahmen gegen Gewalt an Kindern wünschen sich knapp 60 Prozent strengere Strafen für die Täter. 27 Prozent wünschen sich mehr Aufklärung und Sensibilisierung für das Thema, elf Prozent mehr Aufklärung bei den Kindern. Maßnahmen wie ein Elternführerschein werden aber abgelehnt.

Ablehnung von Elternführerschein

Wölfl ist sich bewusst, dass der Begriff für viele problematisch ist, sie würde sich aber flächendeckende Projekte wünschen. So ist es etwa im skandinavischen Raum üblich, dass jede Familie mit Säugling einen Willkommensbesuch von Hebammen oder Sozialarbeiterinnen bekommt. „Man kann Informationen weitergeben und gleich schauen, wer Unterstützung braucht.“ In Vorarlberg gibt es bereits ein ähnliches Projekt.

Wichtig sei auch eine frühe und altersgerechte sexuelle Aufklärung. „Wir wissen, dass die Kinder besser geschützt sind, die ihren Körper gut kennen und benennen können“, so Wölfl. Stark zugenommen habe die Gewalt unter Jugendlichen, speziell jene, die durch Neue Medien gefördert wird. (ks)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2016)

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