Cybermobbing: Was bringt eine Strafanzeige gegen Facebook?

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Das Justizressort prüft Ermittlungen gegen den Internetgiganten Facebook. Nach dem jüngst kursierenden Gewaltvideo hatten die Grünen Anzeige eingebracht, das könnte ein Präzedenzfall werden.

Wien/Innsbruck. Am 9. November hatten Jugendliche in Wien auf der Straße einer 15-Jährigen einen doppelten Kieferbruch zugefügt und diese Gewalttat auf Video festgehalten. Erst wurde dieses offenbar nur untereinander ausgetauscht, schließlich stellte die Schwester des Prügelopfers das Video öffentlich zugänglich auf Facebook. Dort wurde es fast fünf Millionen Mal aufgerufen, ehe es, nach Protesten und politischen Interventionen, von dem Netzwerk (1,8 Milliarden Nutzer weltweit) gesperrt wurde. Daraus könnte nun ein strafrechtlicher Präzedenzfall werden.

Die Grünen brachten am 16. November bei der Staatsanwaltschaft Wien eine Sachverhaltsdarstellung gegen Facebook und dessen Gründer, Mark Zuckerberg, ein. Wegen des Verdachts der Beteiligung am Cybermobbing – eben weil Facebook das Video tagelang online belassen hatte. Und das Opfer dadurch in seiner Ehre verletzt worden sein könnte. Am 18. November legte die Partei eine Nachtragsanzeige vor. Eine „abgewandelte Version des Videos“ sei „weiterhin auf Facebook abrufbar“, hieß es.

Noch wird nicht ermittelt

Wird nun gegen Facebook ermittelt? Kurze Antwort: Nein. Aber das könnte noch kommen. Das letzte Wort dürfte Justizminister Wolfgang Brandstetter haben. Der Fall hat zwei Stränge. Ein 21-jähriger Tschetschene, der so fest hingeschlagen haben soll, dass der Kiefer des Opfers brach, wurde in Wien in U-Haft genommen. Ebenso die mutmaßliche 15-jährige Rädelsführerin. Die Video-Anzeige wanderte indes nach Innsbruck. Der Grund: Dort lag bereits eine ältere Anzeige gegen Facebook vor, und damit war es geboten, beides zusammenzuziehen. Eine Anwaltskanzlei hatte diese frühere Anzeige im Namen eines „Profil“-Journalisten gegen Facebook und Zuckerberg eingebracht. Der Vorwurf: Facebook habe sich geweigert, nationalsozialistische Inhalte vom Netz zu nehmen.

Hinsichtlich der „Profil“-Anzeige liegt bereits ein Vorhabensbericht im Justizministerium. Dessen Stoßrichtung wird von Innsbruck nicht bekannt gegeben. Aber so viel ist klar: Vorab müssen grundsätzliche Rechtsfragen wie etwa örtliche Zuständigkeiten geklärt werden. Es würde wie „David gegen Goliath“ wirken, würde eine „kleine“ Tiroler Staatsanwaltschaft den Internetgiganten ins Visier nehmen.

„Arbeiten mit Behörden“

Wobei: Ihre Münchner Kollegen haben den Innsbruckern einiges voraus. Bei der Staatsanwaltschaft München I wurde bereits „ein Ermittlungsverfahren gegen Facebook angelegt“. Dies sagte Sprecher Florian Weinzierl der „Presse“. Der Verdacht: Hetze gegen Flüchtlinge, die der Konzern nicht oder zu langsam gelöscht hat.

Zurück nach Österreich: Laut dem Sprecher der Staatsanwaltschaft Innsbruck, Hansjörg Mayr, soll auch bezüglich des Prügelvideos ein Bericht ans Ministerium gehen. Wien könnte aber in eine Zwickmühle kommen. Im Sommer wurde ein Arrangement mit Facebook getroffen. Das Unternehmen hat laut Justizressort versprochen, auf Aufforderung von Staatsanwaltschaften binnen 24 Stunden zu prüfen, ob ein bestimmter Eintrag vom Netz zu nehmen ist.

„Wir legen in unseren Gemeinschaftsstandards zum Beispiel fest, dass wir Aufrufe zu Gewalt konsequent löschen, wenn wir Kenntnis von ihnen erlagen. Doch diese Regeln ersetzen nicht die staatliche Rechtsprechung. Gesetzesverstöße gehören vor Gericht.“ Und: „Wir arbeiten selbstverständlich bei den entsprechenden Inhalten mit Strafverfolgungsbehörden zusammen.“

Schuldspruch in weiter Ferne

Dies schreibt Eva-Maria Kirschsieper, Head of Public Policy von Facebook Deutschland, im aktuellen Grünbuch „Digitale Courage“, das im Auftrag des österreichischen Bundesrates erschienen ist. Was könnte geschehen, wenn es doch hart auf hart kommt? Hier käme in Sachen Prügelvideo (zusätzlich zur Bestrafung der jungen Gewalttäter) eine Verfolgung von Facebook gemäß Verbandsverantwortlichkeitsgesetz in Betracht. Eine Verbandsgeldbuße kann bis zu 55 Tagessätze umfassen, wenn die Tat mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bedroht wird. Das gilt etwa für Cybermobbing.

Die Höhe des Tagessatzes richtet sich nach der Ertragslage des Verbandes. Ein Tagessatz muss mindestens 50 und darf höchstens 10.000 Euro betragen. Bei höheren Strafdrohungen können bis zu 180 Tagessätze verhängt werden. Jedoch: Bei unter 70 Tagessätzen ist die Buße nur bedingt (auf Bewährung) zu verhängen. Alles in allem scheint ein Schuldspruch in weiter Ferne. Wie der Wiener Anwalt Albrecht Haller erklärt, müsste dem Verband vorsätzliches strafbares Handeln nachgewiesen werden – eine sehr hohe Hürde.

Bei Postern geht es leichter

Viel leichter sind private Verfasser von Internetkommentaren zu verfolgen. Demgemäß gibt es auch immer mehr Verfahren (siehe Grafik unten) wegen Verhetzung oder wegen Verstößen gegen das Verbotsgesetz. Beide Delikte werden sehr oft verwirklicht, indem Hasspostings – etwa von Rassisten, Jihadisten oder Neonazis – online gestellt werden. Auch wegen des erst seit Jänner geltenden Tatbestands Cybermobbing gibt es bereits 328 Strafverfahren. In drei Fällen liegen schon Verurteilungen vor.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2016)

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