Zahlenspiele beim Wiener Wohnbau: Wie viel wird gebaut?

Wohnbaustadtrat Michael Ludwig.
Wohnbaustadtrat Michael Ludwig.(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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Kurz vor dem erwarteten Showdown im SPÖ-Flügelkampf bezichtigen sich die beiden Seiten noch ausgiebig angeblicher Vergehen. Ein häufig genanntes: Stadtrat Michael Ludwig habe eigentlich viel weniger Wohnungen gebaut als behauptet. „Die Presse“ prüft die Anschuldigung.

Wien. An Kritik für den jeweils anderen Flügel wird in der SPÖ kurz vor Bürgermeister Michael Häupls anstehenden Personalentscheidungen nicht gespart. Die Finanzstadträtin Renate Brauner habe ihre Finanzen nicht im Griff, Bildungsstadträtin Sandra Frauenberger wiederum die Kindergärten nicht, heißt es aus dem Lager rund um Wohnbaustadtrat Michael Ludwig. Aber er bleibt nicht verschont: Zuletzt wurden im Ausschuss etliche Beschwerden zu seinem Ressort deponiert. Immer wieder hört man auch: Die Not auf dem Wiener Wohnungsmarkt resultiere daraus, dass viel zu wenig leistbarer Wohnraum geschaffen wurde – und vor allem deutlich weniger, als der Stadtrat offiziell behaupte.

Vorweg: Wie viele Wohnungen, geförderte und freifinanzierte, nun wirklich gebaut wurden, kann nicht beantwortet werden. Wien ist das einzige Bundesland, das dazu keine Daten an die Statistik Austria meldet, wie aus einer Anfragebeantwortung der ÖVP im November hervorgeht. Man arbeite an einer Lösung, heißt es aus Ludwigs Büro.

Mehr freifinanzierte Projekte

Man kann sich also nur über gewisse Daten herantasten – etwa, wie viele Baubewilligungen und Förderbewilligungen erteilt wurden. Laut Statistik des Verbandes gemeinnütziger Wohnbauträger (GBV) wurden zwischen 2011 und 2015 pro Jahr im Schnitt 11.490 neue Wohneinheiten bewilligt. Ausschlaggebender Indikator für leistbaren Wohnraum ist, wie viele davon von gemeinnützigen Bauträgern und mit Wohnbauförderungen errichtet wurden – denn nur dann sind die Mieten gedeckelt. Es zeigt sich: Das Verhältnis von geförderten zu freifinanzierten Wohnungen hat sich umgedreht: Während laut GBV zwischen den Jahren 2006 bis 2010 noch 76 Prozent der Wohnungen gefördert wurden, dominiert heute der freifinanzierte Markt. Zwischen 2011 und 2014 wurden im Durchschnitt nur noch 37 Prozent der Wohnungen gefördert.

Es ist jedoch nicht so, dass es zu wenig Neubauförderung gibt – sie wird nur nicht abgeholt: So blieben der Stadt 2015 rund 100 Millionen Euro Neubauförderung übrig. Das hat einerseits damit zu tun, dass die Wohnbauförderung an viele Bedingungen geknüpft sind, die Bauträgern mühsam sind – wie eben gedeckelte Mieten, oder, dass dann ein Drittel der neuen Wohnungen von der Stadt vergeben wird. Andererseits ist die Zinslage auf dem freien Markt so niedrig, dass Bauträger sowieso zu sehr guten Konditionen günstige Kredite bekommen können.

In der Frage, wie viele Wohnungen nun tatsächlich gefördert wurden, unterscheidet sich die Statistik des GBV tatsächlich deutlich von den Aussagen Ludwigs, wie eine Archivrecherche zeigt.

Statistik-Text-Schere

So sagte er etwa 2014 in seiner Rede zum Rechnungsabschluss: „Rund 7300 geförderte Wohnungen konnten ihren Bewohnern übergeben werden. Die Fördermittel für neue Wohnprojekte mit rund 8000 Wohnungen sind zugesichert.“ Laut GBV-Statistik gab es 2014 aber nur 5750 Zusagen.

Ähnliches findet sich in einer Aussendung von 2012: „So wurden im Jahr 2012 im Bereich des Neubaus rund 320 Millionen Euro an Förderungsdarlehen zugesichert, womit die Neuerrichtung von rund 8000 Wohneinheiten finanziert werden konnte.“ Laut Statistik wurden in diesem Jahr aber nur Förderungen für 2570 Wohneinheiten zugesagt, 2011 für 1912. Wie damit bei einer durchschnittlichen Bauzeit von zwei bis drei Jahren dann jährlich 5000 bis 7000 geförderte Wohnungen entstehen sollen, wie Ludwig 2013 in einem „Profil“-Interview sagt, wird in seinem Büro so argumentiert: „Hier sind etwa Heime nicht mitgezählt, oder Dachausbauten, die nicht mit einer Neubau-, sondern einer Sanierungsförderung errichtet werden.“ So würde ein Heim etwa nur als eine Förderung aufscheinen – man zähle aber intern jedes Zimmer als Wohneinheit. Weiters: Die Stadt vergibt günstige Darlehen an Wohnbauträger. Wohnungen, die dadurch entstehen, werden als „geförderte Wohnungen“ gewertet.

Auch im geförderten Wohnbau ist also vieles Interpretationssache. Für 2017 ist geplant, rund 13.000 neue Wohnungen zu errichten, denn Wien wächst nach wie vor. Zwar rechnet man nicht mehr mit einem derart starken Zuzug wie 2015 (43.200 Menschen), 25.000 bis 30.000 waren es Prognosen zufolge aber auch 2016.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2017)

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