Lange Haftstrafen im Prozess um "Gruppenvergewaltigung"

Einer der Angeklagten am 21. Februar.
Einer der Angeklagten am 21. Februar.(c) APA
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Acht der neun angeklagten irakischen Flüchtlinge, die wegen Vergewaltigung und sexuellen Missbrauchs angeklagt waren, bekamen Strafen zwischen neun und 13 Jahren Haft.

Sichtlich betroffen nahmen die Angeklagten ihre Donnerstagnachmittag im Straflandesgericht Wien gefällten Schuldsprüche entgegen: Acht der neun Iraker, die zwischen Mai und Dezember 2015 über die Balkanroute nach Österreich gekommen waren und zum Teil bereits positive Asylbescheide erhalten haben, wurden zu Strafen zwischen neun und 13 Jahren Haft verurteilt.

Gegenstand des Prozesses war das als „Gruppenvergewaltigung“ bezeichnete Sexualverbrechen, zu dem es in der Silvesternacht 2015/2016 in Wien gekommen war. Tatort: eine Wohnung in der Rustenschacherallee (2. Bezirk). Vier der nunmehr neun Angeklagten (zwischen 22 und 48 Jahre alt) hatten eine 28-jährige Frau aus Deutschland, die mit einer Freundin am Wiener Silvesterpfad feierte, in eben diese Wohnung gebracht. Die Frau war damals erheblich alkoholisiert. In der Wohnung sollen laut Staatsanwaltschaft alle neun Männer (teils unterschiedliche) geschlechtliche Handlungen an dem wehrlosen Opfer vollzogen haben.

Der Älteste kam frei

Dies wurde von Staatsanwältin Karina Fehringer in der Anklageschrift als Vergewaltigung – und (gleichsam als strafrechtliche Alternative) als sexueller Missbrauch einer wehrlosen Person gewertet. Letzteres wurde nun laut Richterin Petra Poschalko herangezogen; der Schuldspruch erging also wegen sexuellen Missbrauchs – und zwar in acht Fällen. Einer der neun Angeklagten (sie sind übrigens bis auf einen alle verwandt oder verschwägert), der Älteste, wurde im Zweifel freigesprochen. Rechtskräftig sind die Urteile nicht. Die Verurteilten meldeten Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an.

Der Jüngste, ein 22-Jähriger aus Bagdad, bekam mit neun Jahren die geringste Strafe. Ein 27-Jähriger, der als einziger ein umfassendes Geständnis abgelegt hatte, bekam zehn Jahre Haft. Dem Opfer wurden 25.000 Euro Schadenersatz zugesprochen.

Davor hatte die Anklägerin im Plädoyer emotionale Worte gefunden. Für die 28-Jährige sei die Silvesternacht „ein absoluter Alptraum“ gewesen. Das Opfer habe „eine zweistündige Qual über sich ergehen lassenmüssen“. Und: „Es ist erschütternd, dass nur einer der neun Angeklagten einen Funken Reue gezeigt hat.“ Auch so mancher Verteidiger wurde von der Staatsanwältin kritisiert.

Die Argumentation, das Opfer könnte „falsche Signale“ ausgesandt haben, sei unangebracht. „Sollen wir Warnhinweise auf Flaschen anbringen: ,Übermäßiger Konsum kann als Zustimmung zum Sex gewertet werden‘?“ Weiter: „Für das Opfer kann man nur hoffen, dass die Frau einmal wieder eine normale Beziehung zu einem Mann führen wird können“. Indes zitierte die Rechtsvertreterin des Opfers ihre Klientin: „Ich habe an nichts mehr Freude.“ Die junge Frau leidet seither an einer posttraumatischen Belastungsstörung.

Die nunmehr viel diskutierte Frage, ob die Iraker in ihr Heimatland abgeschoben werden (können), lässt sich seriöserweise derzeit noch nicht beantworten. Zunächst muss die Rechtskraft des Urteils abgewartet werden.

Abschiebungen möglich?

Gesetzt den Fall, es bleibt bei den nun verhängten Haftstrafen, ist die Frage der Rückführung erst nach Verbüßung der Haft relevant. Dann wäre eine freiwillige Rückkehr in den Irak denkbar. Verweigern die Männer dies, müsste die Zulässigkeit einer Abschiebung im Einzelfall geprüft werden. Somit wäre dann die politische Lage im Heimatland zum Zeitpunkt der Prüfung (also möglicherweise erst in etlichen Jahren) zu bewerten.

Seit 2013 gelten (zwangsweise) Abschiebungen in den Irak praktisch als undurchführbar, weil zu gefährlich für die Betroffenen. Daher gab es zuletzt auch keine. Freilich ist die Lage in dem vorderasiatischen Staat einer ständigen Entwicklung unterworfen.

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