Von oben wirkt Wien immer anders

Repräsentativer Überblick: Erwin Pendls Vogelschau von 1904 zeigt das spektakuläre „neue“ Wien mit der Ringstraße.
Repräsentativer Überblick: Erwin Pendls Vogelschau von 1904 zeigt das spektakuläre „neue“ Wien mit der Ringstraße.(c) Wien Museum
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Das Wien Museum erforscht die Stadt anhand ihrer Darstellung in Karten und Ansichten.

Wien. Eine Stadt lässt sich besonders gut zu Fuß erschließen. Und durch den Blick von oben. Die erste Variante lässt das Leben in der Stadt spürbar werden. Die zweite zeigt Muster und Strukturen auf, an denen sich Geschichte und Eigenheiten ablesen lassen. Je nach Ansicht kann der Blick von oben aber auch zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Genau die verschiedenen Sichtweisen hat das Wien Museum in seiner neuesten Ausstellung verarbeitet.

Eine Karte muss selektieren

Eine Stadt als ganzes abzubilden, so eine zentrale These, ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Jede Stadtansicht, ob Vogelschau oder Plan, muss selektieren, was wichtig ist. Und auch, wie wirklichkeitstreu sie sein soll. Das beginnt schon bei der ältesten Karte der Stadt Wien, dem „Albertinischen Plan“ aus dem 15. Jahrhundert – eingezeichnet sind nur die wichtigsten Gebäude, etwa die Ringmauer, Kirchen, Klöster und Spitäler. Auf Straßen und andere Häuser wird verzichtet.

Albertinischer Plan (15. Jhdt.)
Albertinischer Plan (15. Jhdt.)(c) Wien Museum

Eine Vogelschau wiederum, wie sie von Wien erstmals im frühen 17. Jahrhundert angefertigt wurde, zeigt die Stadt mit hohem Detailreichtum, hilft aber wenig bei der geografischen Orientierung. Dafür kann sie die Totalität der Großstadt vortäuschen. Beliebt wurde diese Darstellung wieder ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als Wien mit dem Abbruch der Basteien und dem Bau der Ringstraße sein Gesicht veränderte.

Neben dem Vermessen und Darstellen lässt sich auch das Repräsentieren und Idealisieren mit Ansichten von oben machen – etwa mit dem klassischen Blick vom Leopoldsberg auf Wien, wie er in unterschiedlichen Varianten etwa in der Tourismuswerbung verwendet wurde. Und nicht zuletzt zeigen die Kuratoren auch die Funktion von Stadtansichten für das Beherrschen und Ordnen. Von der Nutzung von Karten im militärischen Bereich – etwa mit einer Rundansicht der Stadt zur Türkenbelagerung – bis zu Otto Wagners Plan zur Großstadt-Regulierung von 1911.

Leitsystem zur Wiener Messe 1961.
Leitsystem zur Wiener Messe 1961.(c) Wien Museum

Mit einer Stadtansicht kann man auch Kontrolle ausüben. Wer die Macht über die Karte hat, kann Aspekte hervorstreichen und andere verheimlichen. Genau das hat sich allerdings zuletzt verändert, meinen die Ausstellungsmacher – das Kapitel Emanzipieren und Experimentieren widmet sich dem Einfluss des Internets auf die Darstellung Wiens – Stichwort Google Maps. Und nicht zuletzt wird der Objektivitätsanspruch von Karten hinterfragt. Ganz bleibt es einem also doch nicht erspart, sich eine Stadt, auch die eigene, selbst zu erschließen.

Ausstellung: Wien von oben. Die Stadt auf einen Blick. 23. März bis 17. September 2017, Wien Museum, Karlsplatz 8, Di-So & Fei 10-18 Uhr, Vollpreis 10 Euro, Kinder und Jugendliche unter 19 Jahren Eintritt frei
Mehr Bilder: diepresse.com/wienvonoben

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2017)

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