Heumarkt: Gemeinderat diskutierte Sinn des Welterbes

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RENDERING: WIENER HEUMARKT-AREALAPA/ISAY WEINFELD&SEBASTIAN MURR
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NEOS verlangten eine Sondersitzung. Chorherr: "Nirgends steht: Was höher als 43 Meter ist, ist pfui", die Differenzen bei den Grünen waren kein Thema.

Das Thema Heumarkt bleibt die kommunalpolitische Causa prima in Wien: Am Donnerstag haben die NEOS den Gemeinderat zu einer Sondersitzung zusammengetrommelt, um über das umstrittene Haushochprojekt zu debattieren. Im Fokus stand freilich auch die Frage nach dem Sinn und Unsinn des Weltkulturerbes. Die Meinungsverschiedenheit innerhalb der Grünen war kein Thema.

Den Anfang in der heutigen Auseinandersetzung machte NEOS-Klubchefin Beate Meinl-Reisinger. Sie monierte, dass Republik und Stadt die Verleihung des Welterbe-Status durch die UNESCO einst abgefeiert hätten. Nun seien aber offenbar andere Interessen - "auch jene eines privaten Investors" - wichtiger. Meinl-Reisinger vermisste einen "offenen Diskurs" über die Notwendigkeit des Welterbes. "Ich glaube nicht, dass dadurch mehr Touristen in die Stadt kommen", aber eventuell sei es eine letzte Hürde vor Bestrebungen, noch mehr Hochhäuser in oder an den Rand der City zu setzen. "Lassen wir die Wiener darüber abstimmen, wie wichtig ihnen das Weltkulturerbe ist", forderte sie erneut eine Volksbefragung.

Opposition kritisierte neuerlich das Projekt

ÖVP-Planungssprecherin Elisabeth Olischar pochte darauf, dass Zukunftsentwicklung mit dem Weltkulturerbe und der Historie vereinbar sein müsse. Seit Beginn der Heumarkt-Planungen 2012 sei klar gewesen, dass es zu berücksichtigende Auflagen geben werde: "Diese Kritikpunkte wurden aber stets elegant überhört und übergangen." Verträge - in diese Fall mit der UNESCO - müssten eingehalten werden. Und es brauche eine Stadtplanung mit klaren Leitlinien, die Verbindlichkeit und Langfristigkeit - nicht zuletzt auch gegenüber Investoren - garantiere.

Die FPÖ konzentrierte sich mehr aufs Eislaufen. "Ja, es ist von öffentlichem Interesse, dass der Wiener Eislaufverein erhalten bleibt. Und es ist Aufgabe der Stadt, das sicherzustellen", mahnte der freiheitliche Mandatar Christian Unger. Er kritisierte, dass man nicht den Weg gewählt habe, zuerst eine Flächenwidmung mit klaren Vorgaben zu beschließen und dann erst auf Investorsuche gegangen ist: "Stattdessen setzt man sich mit einem Investor zusammen, fragt ihn 'Was brauchst du?' und macht dann die Flächenwidmung. Das sei alles andere als ein demokratischer Prozess.

Zur Verteidigung des Projekts rückten freilich SPÖ und Grüne aus - wobei es in letzterer Fraktion bekanntlich auch deklarierte Gegner des Vorhabens gibt. Drei Mandatare - Martin Margulies, Faika El-Nagashi und Barbara Huemer - haben nach dem negativen Ergebnis der Urabstimmung bekanntgegeben, am 1. Juni im Gemeinderat nicht pro Flächenwidmung votieren zu wollen. Sie meldeten sich heute allerdings nicht zu Wort. Stattdessen trat Planungssprecher Christoph Chorherr ans Rednerpult, um eine Lanze für das Hochhaus zu brechen.

Derzeitiges Areal "von inferiorer Kulturrelevanz"

Denn in der Welterbe-Begründung der UNESCO für die Innere Stadt sei von Höhenvorgaben überhaupt keine Rede. "Nirgends steht: Was kleiner als 43 Meter ist, ist super, und was höher als 43 Meter ist, ist pfui", versicherte Chorherr in Anspielung darauf, dass die Organisation zuletzt wiederholt eine Kürzung des mit 66 Metern geplanten Wohnturms auf eben 43 Meter forderte. Andererseits drohe die Aufnahme in die Rote Liste und in weiterer Folge womöglich die Aberkennung des Prädikats.

"Was jetzt dort am Areal steht, ist von inferiorer Kulturrelevanz", verwies der grüne Projektbefürworter auf das nicht gerade charmante Ambiente am Heumarkt. Dank Vertrag mit dem Investor sei es gelungen, Verbesserungen im Sinn des öffentlichen Interesses zu erzielen - etwa durch die Absicherung der Eislauffläche oder der Platzöffnung hin zum Konzerthaus. Und nein, das Heumarkt-Projekt sei kein "Einfallstor für weitere Hochhäuser" im City-Bereich, schwor er.

Al-Rawi: Nutzen wichtiger als Canaletto-Blick

SPÖ-Gemeinderat Omar Al-Rawi zweifelte wiederum am viel zitierten Canaletto-Blick als Maßstab für das Welterbeprädikat. "Hand aufs Herz: Wer von Ihnen hat jemals vom Balkon des Belvedere runtergeschaut?", fragte er die Mandatare. Seiner Auffassung nach sei der Nutzen für die Bevölkerung weit wichtiger als das, "was irgendein Maler einmal gemalt hat". Er sei ja nur froh, dass Canaletto nicht auch in die andere Richtung geschaut habe, "sonst hätten wir mit dem Hauptbahnhof auch noch Probleme bekommen", witzelte er. Die in Wien herrschende "Hochhausphobie" sei angesichts der wachsenden Stadt und dem Ziel, den Grünflächenanteil zu erhalten, sowieso unverständlich.

Die inhomogene Haltung der Grünen in der Sache war in der heutigen zweistündigen Sondersitzung so gut wie kein Thema. Lediglich SPÖ-Abgeordneter Ernst Woller erlaubte sich die kurze Anmerkung, die grüne Urabstimmung sei "nicht sehr gescheit" gewesen. Nachsatz: "Ich wäre auch nicht gescheiter, hätte ich alle SPÖ-Mitglieder befragt."

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