Wiens neue Sozialhilfe: Keine Kürzungen vorgesehen

Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou und Bürgermeister Michael Häupl bei der Präsentation der Reform.
Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou und Bürgermeister Michael Häupl bei der Präsentation der Reform.(c) APA/HANS KLAUS TECHT
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Die Zahl der Mindestsicherungsbezieher soll durch Qualifizierung gesenkt werden. Die Opposition übt Kritik.

Wien. Wien ist wieder anders. Während die Reform der Mindestsicherung in fast allen Bundesländern mit Kürzungen und Deckelungen einhergeht, verzichtet Wien darauf – entgegen allen Empfehlungen des Rechnungshofes, der massive Streichungen vorschlägt. „Es ist keine Heldentat, bei den Ärmsten zu sparen. Wir nehmen die Kosten bewusst auf uns, um gegen Armut vorzugehen“, sagte Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) bei der Präsentation am Dienstag. 2016 wurden 659,2 Millionen Euro an Mindestsicherung ausbezahlt, für 2017 sind rund 700 Millionen Euro vorgesehen – ob das reicht, ist fraglich.

Die explodierenden Kosten will man nun nicht durch Kürzungen senken, sondern durch die Reduktion der Bezieher. Die will man durch Qualifizierungsmaßnahmen wie Schulungen, Kurse, Integrationsmaßnahmen und Sozialarbeit in den Arbeitsmarkt bringen. Gemeinsam mit Sozialministerium, AMS und Integrationsministerium wurden 6700 unterschiedliche Angebote erarbeitet. Der Fokus liegt dabei auf den 18- bis 25-Jährigen. „Wenn wir sie nicht in den Arbeitsmarkt bekommen, werden sie jahrzehntelang zu Dauerbeziehern“, sagt die grüne Sozialsprecherin, Birgit Hebein. „Das wird richtig teuer, darum wollen wir hier besonders viel tun.“ Junge Erwachsene erhalten derzeit den vollen Betrag von 837,76 Euro pro Monat. Künftig sollen sie nur 75 Prozent der Summe erhalten, wenn sie noch bei den Eltern leben – und das auch nur, wenn sie sich in Qualifizierungsmaßnahmen begeben. Nehmen sie die Angebote der Stadt nicht an, wird die Mindestsicherung gestrichen. In den nächsten zwölf Monaten sollen 3000 junge Erwachsene ein Qualifizierungsangebot bekommen. Derzeit sind 28.989 Bezieher 18 bis 24 Jahre alt – rund ein Drittel davon sind Flüchtlinge.

Auch chronisch Kranke will man – soweit möglich – fit für den Arbeitsmarkt machen. Sie bekommen die Mindestsicherung künftig nicht mehr 14 Mal ausbezahlt, sollen dafür aber Zugang zu Rehabilitationsmaßnahmen haben. Ein weiterer Fokus liegt auch auf dem beruflichen Wiedereinstieg junger Mütter.

Neben den Qualifizierungsmaßnahmen soll ein Anreizsystem für jene geschaffen werden, die neben dem Bezug der Mindestsicherung einen Job haben, von dem allein aber nicht leben können. Sie dürfen künftig das Urlaubs- und Weihnachtsgeld behalten. Jene, die einen Job länger als ein Jahr behalten, bekommen einen Bonus ausbezahlt.

Opposition übt heftige Kritik

„Die neue Reform ist kein Sparpaket – längerfristig werden wir die Kosten senken, aber jetzt investieren wir auch in Ausbildung, um das zu erreichen“, sagte Sozialstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ). Ob das für 2017 veranschlagte Budget hält, könne sie noch nicht beurteilen.

Die Opposition glaubt das nicht und übt heftige Kritik. FPÖ-Vizebürgermeister Johann Gudenus bezeichnet das Modell als „Witz“. Wien bleibe damit weiterhin ein Magnet für Flüchtlinge. Für Wiens ÖVP-Chef, Gernot Blümel, betreibt Rot-Grün nur „oberflächliche Kosmetik“ – das Problem würde sich dadurch nur verschärfen. Und die Neos kritisieren, dass es keine Wartefrist für Asylberechtigte aus den Bundesländern gibt – sie sind ein Hauptgrund für die explodierenden Kosten. Die neuen Regelungen sollen ab 1. Jänner 2018 in Kraft treten.

ZAHLEN UND FAKTEN

Sozialhilfe. In Wien gibt es rund 151.000 Mindestsicherungsbezieher – Tendenz steigend. Das ist zu einem Gutteil den Flüchtlingen geschuldet, deren Verfahren nun abgeschlossen sind bzw. ziehen viele aus den Bundesländern zu. 22 Prozent der Bezieher sind Flüchtlinge. Nur 9,5 Prozent sind Vollbezieher. 77,9 Prozent erhalten Aufzahlungen zu Arbeitslosengeld, Notstandshilfe oder Erwerbsarbeit. Eine Einzelperson erhält derzeit 837,76 Euro, Paare 1256,64. Pro Kind gibt es 226,2 Euro dazu.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2017)

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