Wie die Stadt die Rettung retten will

Krankentransporte werden aus Kostengründen zunehmend von privaten Fahrtendiensten übernommen.
Krankentransporte werden aus Kostengründen zunehmend von privaten Fahrtendiensten übernommen. (c) Stanislav Jenis (Stanislav Jenis)
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Die Stadt Wien lädt alle Beteiligten zum runden Tisch. Dieser wird in den nächsten drei Tagen stattfinden. Mittelfristig soll das Rettungswesen reformiert werden.

Wien. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Diskussion über die künftige Finanzierung der Krankentransporte in Wien die Öffentlichkeit erreicht. Den Ausschlag gab schließlich die Kündigung von 35 der 120 Sanitäter des Roten Kreuzes, die vergangene Woche bekannt wurde. Der Grund sind die sinkenden Einnahmen aus Krankentransporten, die seit Jahren vermehrt von privaten Fahrtendiensten, also Mietwagenunternehmen statt durch Blaulichtorganisationen durchgeführt werden.

Daraufhin meldeten sich die Johanniter und warnten vor Versorgungsengpässen etwa bei Hitze- und Grippewellen sowie bei Großereignissen. Schließlich gebe es immer weniger Krankentransportfahrzeuge und somit auch ausgebildete Sanitäter. Mittlerweile haben sich die Blaulichtorganisationen zusammengetan und drohen sogar mit Streik, sollten sie von den Krankenkassen nicht wieder mehr Aufträge für Krankentransporte bekommen. Wie es nun weitergeht? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

1 Wogegen richtet sich der Protest der Blaulichtorganisationen wie des Roten Kreuzes?

Hauptsächlich gegen die Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK). Denn seit rund fünf Jahren vergibt die WGKK Aufträge für Krankentransporte aus Kostengründen vermehrt an private Fahrtendienste wie etwa Haller Mobil, der über ein Leitstellensystem auch die Koordination der Aufträge übernommen hat. Dabei handelt es sich aber ausschließlich um Krankentransporte, bei denen die Patienten während der Fahrt keine medizinische Versorgung benötigen. Also beispielsweise Fahrten von Diabetikern zu einer Dialyse oder Personen, die mit einem Gipsbein zur Kontrolle in ein Spital müssen.

Jemand, der hohes Fieber hat, blutet oder sich laufend übergeben muss, würde nicht in diese Gruppe fallen. Diese Patienten werden weiterhin mit hochgerüsteten Fahrzeugen der Blaulichtorganisationen wie des Roten Kreuzes und der Johanniter transportiert. Für diese Organisationen waren einfache Krankentransporte früher ein lukratives Geschäft, mit dem sie ihre Infrastruktur aufrechterhalten konnten. Dieses Geld fällt jetzt nach und nach weg.

2 Sind private Fahrtendienste wirklich viel billiger als Blaulichtorganisationen?

Ja. Haller Mobil etwa transportiert Patienten im Schnitt um 50 bis 60 Prozent günstiger als Blaulichtorganisationen. Ein Beispiel: Die teuerste Transportart von Haller Mobil (Liegendtransporte) ist immer noch um 25 Prozent günstiger als der billigste Transport der Blaulichtorganisationen. Zur Orientierung: Ein Liegendtransport bei Haller Mobil kostet innerhalb Wiens 66 Euro, ein Transport mit einem Rollstuhl 29 Euro. Von den monatlich etwa 38.000 Transporten in der Fahrtendienstzentrale von Haller Mobil (mit sechs Fahrtendiensten) werden rund 23.000 mit einfachen Pkw durchgeführt, benötigen also keine besondere medizinische Ausrüstung. Insgesamt belief sich die Anzahl der Fahrten durch Fahrtendienste 2016 auf mehr als 400.000 – während die Blaulichtorganisationen nur 260.000 Transporte übernahmen.

3 Könnte Wien in der Zukunft ein Versorgungsengpass drohen?

Das ist unwahrscheinlich. Allein die Berufsrettung verfügt über 54 Rettungsfahrzeuge. Weitere 46 stehen als Reserve etwa für Großveranstaltungen zur Verfügung. Zudem könnten Blaulichtorganisationen jederzeit ihre Fahrzeuge beisteuern. Was es in Wien sehr wohl gibt, ist ein Mangel an Notärzten, allerdings hat das nichts mit den Diskussionen um Krankentransporte zu tun. Es geht also weniger um die Versorgung der Bevölkerung als vielmehr um Geld.

4 Wie geht es jetzt weiter im Konflikt um Krankentransporte in Wien?

Die Stadt Wien lädt alle Beteiligten zu einem runden Tisch. Dieser soll bereits in den kommenden drei Tagen stattfinden, sagt Peter Hacker, Chef des Fonds Soziales Wien, der von Stadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) mit der Projektleitung der Reform beauftragt wurde. Eingeladen werden die Vertreter der WGKK, der Blaulichtorganisationen sowie der Gewerkschaft und der Betriebsräte. Dabei soll besprochen werden, welche Sofortmaßnahmen gesetzt werden können, um die Lage zu entschärfen. Nicht eingeladen ist Thomas Haller von Haller Mobil, der den runden Tisch „gerne unterstützen würde“.

Mittelfristig muss laut Hacker das Rettungs- und Krankentransportwesen reformiert werden. Zu diesem Zweck seien bereits zwei Arbeitsgruppen eingerichtet worden: Die erste soll sich mit den medizinischen Anforderungen an die Transportdienste befassen. Die zweite beschäftigt sich damit, ob es technisch möglich ist, eine zentrale Leitstelle für Rettungs- und Krankentransporte zu schaffen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2017)

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