Die Wirtschaftskammer drängt darauf, endlich einen neuen Busterminal zu errichten. Die SPÖ favorisiert das Stadioncenter als Standort, die Grünen den Verteilerkreis in Favoriten.
Wien. Wer derzeit mit einem Fernbus nach Wien kommt und beim Vienna International Busterminal in Erdberg aussteigt, bekommt nicht den allerbesten ersten Eindruck von der Stadt. Eher das Gegenteil.
Ein Anblick, der einer Stadt wie Wien „nicht würdig“ sei, wie Davor Sertic, Obmann der Sparte Transport und Verkehr in der Wiener Wirtschaftskammer, findet. Wien brauche endlich einen richtigen Busbahnhof, denn die derzeitigen Ein- und Ausstiegsstellen (Erdberg, Stadioncenter und am Hauptbahnhof) „kann man wirklich nicht so nennen“.
Dass die Wirtschaftskammer einen Fernbusterminal fordert, ist nicht neu, schon seit 2008 taucht diese Forderung immer wieder auf. Nun will man den Druck auch mit Zahlen erhöhen: Aktuellen Berechnungen der Wirtschaftskammer zufolge würde ein neuer, großer Fernbusterminal eine Wertschöpfung von 60 Millionen Euro bringen. Die Einrichtung könnte direkt und indirekt bis zu 850 Arbeitsplätze schaffen bzw. garantieren, darunter nicht nur Busfahrer, sondern auch Mitarbeiter in der Infrastruktur des neuen Bahnhofs sowie auch in Gastronomie und Tourismus.
Immer mehr Busse
Dass der Fernbus als Reisemittel für den Urlaub immer beliebter wird, steht außer Frage: 2013 kamen 92.000 Busse nach Wien, zwei Jahre später waren es schon 120.000. „Das ist eine Steigerung von 30 Prozent“, sagt Sertic, „und die Zahlen werden weiter steigen. Gerade für junge Leute mit weniger Budget wird das Reisen mit dem Bus immer attraktiver.“ So gibt es mittlerweile auch von Fernbusanbietern Fahrkarten, die ähnlich wie das Interrail-Ticket im Zugverkehr mehrere Fahrten zu einem günstigen Preis ermöglichen. Die Wirtschaftskammer will also den Druck auf die Stadt erhöhen, sich endlich für einen Standort zu entscheiden und mit dem Bau eines großen, modernen Fernbusbahnhofs zu beginnen.
Von den drei Optionen – beim Stadioncenter, in Erdberg und beim Verteilerkreis Favoriten – favorisiert Obmann Sertic Letztere. Favoriten sei dank der Autobahnanbindung günstig. Aber Hauptsache, es komme überhaupt ein neuer Busbahnhof. Der müsse dann, so Sertic, eine ansprechende Architektur haben, hell sein, überdacht, mit WLAN, Steckdosen, Duschmöglichkeiten und Gastronomie, barrierefrei und mit ausreichenden Sitzmöglichkeiten für Reisende. Kurz: ein Angebot, vergleichbar mit einem Zugbahnhof oder Flughafen. So könnte sich Wien auch weiter als Drehscheibe in den Osten etablieren.
Dass ein neuer Busterminal notwendig ist, darauf haben sich die politisch Verantwortlichen schon geeinigt. Nur zu nahe bei sich haben will ihn keiner – da gibt es Differenzen zwischen den Koalitionspartnern SPÖ und Grüne.
Favoriten oder Leopoldstadt?
So favorisiert die Wiener SPÖ den Standort beim Stadioncenter im zweiten Bezirk – man erhofft sich dadurch auch eine Belebung des nicht unbedingt blühenden Shoppingcenters. Das will aber der grün geführte Bezirk nicht. Argumentiert wird, dass die Busse dann über den Handelskai fahren müssten und das dort zu einem noch stärkeren Verkehrsaufkommen führen würde.
Man wolle die ohnehin verkehrsgeplagten Anrainer nicht noch weiter belasten. Weiters sei der Standort zu zentral, die Busse müssten ein Stück in die Stadt hereinfahren – dabei wolle man den Verkehr doch aus der Stadt hinausbringen.
Darum favorisieren die Grünen, wie auch die Wirtschaftskammer, einen Standort beim Verteilerkreis – dort gebe es eine Autobahnabfahrt und ab September mit der U1-Verlängerung auch Anschluss an die U-Bahn. Gegen das Vorhaben wehrt sich aber das SPÖ-geführte Favoriten aus ähnlichen Gründen wie die Leopoldstadt: zu viel zusätzlicher Verkehr. Die Grünen glauben aber, dass sich mit der Einführung des Parkpickerls in Favoriten – ebenfalls mit September – der Einpendlerverkehr deutlich reduzieren werde, dann seien die Busse verkraftbar.
Während im Hintergrund seit Monaten diskutiert wird, will man im Büro der zuständigen Vizebürgermeisterin, Maria Vassilakou (Grüne), dazu noch nichts sagen. Eine Standortstudie sei am Laufen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.08.2017)