Wiener Tradition: Vom Hauerfest zum Großevent

Kirtag in Neustift am Walde
Kirtag in Neustift am Walde(c) Imago / picturedesk.com
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Ab Freitag wird in Döbling der Neustifter Kirtag gefeiert. Erst seit gut zehn Jahren zieht die 250 Jahre alte Veranstaltung mehr Menschen an – und wird zunehmend zur Trachtenschau.

Wien. Airbrush Tattoo, Taekwondo, gefrorene Cocktails und indische Spezialitäten mag man vielleicht nicht gerade auf einem Kirtag erwarten. Am Neustifter Kirtag – der heute, Freitag, startet – finden sich unter den gut 80 Marktstandln aber auch eher untypische. Natürlich machen den Großteil nach wie vor Lebkuchenherzen, Schokofrüchte oder Speckbrote aus, aber dass man sich am Neustifter Kirtag eben auch ein Tattoo aufsprühen lassen kann, macht deutlich, in welche Richtung sich das Volksfest in den vergangenen rund 250 Jahren entwickelt hat.

„Früher war das ein Kirtag für die Weinhauer und Menschen, die gerne zum Heurigen gehen. Jetzt ist es zu einem Event geworden. In den vier Tagen kommen weit über 100.000 Menschen“, sagt dazu der Döblinger Bezirksvorsteher, Adi Tiller, der seit 39 Jahren im Amt ist und seit knapp 50 Jahren den Neustifter Kirtag besucht.

Seit 1753 nach heiligem Rochus

Der Legende nach geht der Neustifter Kirtag auf Maria Theresia zurück. Damals sollen die Weinbauern bei ihr – nach einer besonders schlechten Ernte – um eine Reduzierung der Steuer gebeten haben, mit im Gepäck eine Hauerkrone, die sie der Kaiserin überreichen wollten. Sie erließ den Winzern die Steuer, unter der Bedingung, dass jedes Jahr ein Kirtag abgehalten wird. Laut dem Obmann des Weinbauvereins Neustift am Walde und Salmannsdorf, Wolfgang Zeiler, soll die Krone der Kaiserin aber auch aus Dank für das Buschenschankrecht überreicht worden sein. Seit 1753 findet der Kirtag jedes Wochenende nach dem heiligen Rochus (16. August), dem Schutzpatron der Pfarre Neustift am Walde, statt.

Zu einem Großevent, zu dem nicht nur Anrainer kommen, hat es sich aber erst in den letzten Jahren entwickelt. „Wir haben es uns vor zehn, elf Jahren zum Ziel gesetzt, den Neustifter Kirtag zu erwecken“, sagt Zeiler. Ihm ist aber wichtig zu betonen, dass der Kirtag „kein Prater, sondern ein Kirtag für die Familie“ sei. Ausschlaggebend für die Popularität war eine Umgestaltung (die Tische wurden auch auf den Straßen, vor den Heurigen, aufgebaut). „Und wir konnten die Leute dazu überreden, in Tracht zu kommen. Im vorigen Jahr waren 60 bis 70 Prozent der Besucher in Tracht“, sagt Zeiler. Er selbst spricht lieber von 50.000 bis 60.000 Besuchern. Immerhin lassen sich diese nur schwer zählen, ist es doch ein Kommen und Gehen bei den neun Heurigen und rund 80 Standln.

Auch Bezirksvorsteher Tiller beobachtet immer mehr Trachten beim Kirtag. Während man früher noch im Sonntagsanzug gekommen sei, sei die Veranstaltung heute auch ein bisschen eine Modenschau. „Es ist gigantisch, was vor allem die Frauen für Ideen haben. Man sieht hier wahnsinnig schöne Dirndln“, so Tiller.

Auch die Jugend werde immer mehr. So sehr, dass die Veranstaltung nicht nur längst in den sozialen Medien (Facebook, Instagram oder Snapchat) vertreten ist, sondern es auch täglich ab 22 Uhr eine Afterparty in der Sektkellerei Kattus gibt – die Tiller ganz altmodisch „Jugendtreff“ nennt. Mit unterschiedlichen DJs (in den Bereichen Eskalationsfloor, Hüttengaudi und Schmusefloor) soll das vorwiegend junge Publikum wohl davon abgehalten werden, bis in die frühen Morgenstunden beim Heurigen zu sitzen.

Kirtag als Wahlkampfbühne

Und auch die Politik hat längst den Neustifter Kirtag für sich entdeckt – speziell vor Wahlen. „Die sind alle herzlich willkommen, wir wollen aber die Parteipolitik heraushalten“, sagt Weinbauvereinsobmann Zeiler. Deshalb dürfen die Parteien ihre Werbestände nur vor dem Festgelände aufbauen. Für heuer hat sich übrigens Sebastian Kurz ebenso angemeldet wie Andrä Rupprechter, Heinz-Christian Strache oder auch Michael Ludwig. „Auch Bürgermeister Michael Häupl war schon sehr oft da. Und früher auch der Bürgermeister Helmut Zilk, weil er gerne einen guten Wein getrunken hat, und weil er sehr volkstümlich war“, erinnert sich Tiller. Damals noch nicht in Tracht, sondern im Anzug.

AUF EINEN BLICK

Neustifter Kirtag. Heute, Freitag, um 18 Uhr, wird der Kirtag beim Heurigen Zeiler am Hauerweg eröffnet. Bis Montag wird mit Musik, Umzug und Afterparty gefeiert. Die Veranstalter empfehlen, mit öffentlichen Verkehrsmitteln anzureisen (35A bis Neustift am Walde, U4 oder U6 Spittelau oder U6 Nußdorfer Straße). Das Festgelände (Rathstraße, Neustift am Walde) wird abgesperrt.

Web:www.neustifter-kirtag.at

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