Ein neues Museum für Wien

Wien-Museums-Direktor Matti Bunzl, Kuratorin Lisa Noggler-Gürtler und Ausstellungsgestalter Peter Karlhuber (v.l.)  im Hof des Hauses Probusgasse 6.
Wien-Museums-Direktor Matti Bunzl, Kuratorin Lisa Noggler-Gürtler und Ausstellungsgestalter Peter Karlhuber (v.l.) im Hof des Hauses Probusgasse 6.Die Presse (Clemens Fabry)
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Das Wien-Museum macht eine kleine Gedenkstätte zu Wiens erstem Beethoven Museum. Das Bäckerhaus, in dem er einst lebte, erinnert an das Genie und seine Verzweiflung.

Ludwig van hat eine lange Spur durch Wien gezogen. Zwei Drittel seines Lebens verbrachte er großteils in Wien, eine Vielzahl an Tafeln und Gedenkorten erinnern an ihn, vom Beethovenfries bis zum Beethoven-Heurigen. Immerhin hat das Genie an vielen Orten gewirkt und ist in seiner Wiener Zeit – das war damals offenbar nicht unüblich, wie Kuratorin Lisa Noggler-Gürtler sagt – ganze 42 Mal umgezogen. Nun bekommt Beethoven, spät aber doch, in seiner quasi zweiten Heimat ein fixes Heim. Das Haus in der Heiligenstädter Probusgasse 6 im 19. Bezirk, das ehemalige Bäckerhaus, in dem er einige Zeit lebte, wird zum Beethoven Museum.

Bisher hatte das Wien-Museum hier eine kleine Gedenkstätte. „Aber das hier wird etwas Großes, das erste richtige Beethoven Museum“, sagt Matti Bunzl, der Direktor des Wien Museums bei einem Rundgang durch die noch leeren Räume. Statt bewundernd-kontemplativem Gedenken, wie es hier bisher gepflegt wurde, entsteht ein modernes Museum. In dem nicht nur Verehrung eines Genies, sondern Themen seiner Zeit wie das Verhältnis zwischen Gesellschaftsschichten, Beethovens Leiden am Verlust des Gehörs oder die politische Instrumentalisierung seines Werkes im Zentrum stehen sollen.

Bunzl spricht vom Schließen einer Lücke. Schließlich ist Ludwig van Beethovens Werk untrennbar mit Wien verbunden: 1787 ist er erstmals in die Stadt gekommen, um bei Mozart zu studieren, ab 1792 lebte er permanent in Wien. Bisher gehören drei Wohnungen in Wien, in denen er einst gelebt hat, zum Wien-Museum. Auch in der Probusgasse war bisher so eine Musikerwohnung als Gedenkort ausgestaltet. Auch, wenn diese Wohnung offenbar der einzige Ort in dem Anwesen war, an dem sich Beethoven ziemlich sicher nie aufgehalten hat, wie Ausstellungskuratorin Lisa Noggler-Gürtler sagt. Dieser Teil des Gebäudes ist wesentlich jünger. Nebenan, sagt sie, ist die Wohnung, in der Beethoven gelebt haben muss. Auch wenn man das nicht zu hundert Prozent genau weiß. „Die Geschichte von Beethoven in Wien, besonders hier in Heiligenstadt, ist vor allem eine Oral History, so viele Generationen ist das ja noch nicht her, dass das nicht überliefert wäre. Beethoven hat auch viele Briefe geschrieben, die nachweisen, dass er hier in einer Gartenwohnung des Bäckerhauses gelebt hat.“

Auch viele Wanderungen Beethovens in der Gegend sind verbrieft, schließlich hat Beethoven im heutigen Döbling offenbar seinen ersten ärztlich verordneten Landaufenthalt verbracht. Heiligenstadt war damals eine selbstständige Weinhauer-Ortschaft, ihren wirtschaftlichen Aufschwung verdankt sie auch einer Badeanstalt, die sich auf dem Gelände des heutigen Heiligenstädter Parks befand. Der mineralhaltigen Quelle des Bades sagte man Heilkräfte nach, wegen derer viele Kurgäste, auch Wiener Prominenz, nach Heiligenstadt kamen.

Ort der Verzweiflung

Beethoven suchte hier Heilung, oder zumindest Besserung seines Gehörleidens. Ein Zeugnis davon ist das sogenannte „Heiligenstädter Testament“, jener 1802 verfasste Brief, den Beethoven an seine Brüder gerichtet und nie abgesendet hatte, in dem er seine Verzweiflung über seine zunehmende Taubheit schildert.

Die Geschichte seines Hörleidens wird eines der zentralen Themen der Ausstellung im neuen Museum sein – etwa durch einen durch Schaumstoff gepolsterten Raum, der die Isolation durch die Einschränkung erlebbar machen soll. Auch Beethovens selbst entwickelte Hörhilfen sollen helfen, die Leiden des Musikers nachzuvollziehen. Seine Umzüge, das entsetzliche Chaos, in dem er in Wien gelebt haben soll, seine Wutanfälle, mit denen er offenbar Leute völlig aus der Fassung bringen konnte, sein Pendeln zwischen den Welten, zwischen Bürgertum und Adel, der Umzug von Bonn nach Wien, „mit aufklärerischen Gedanken im Gepäck“, wie Kuratorin Noggler-Gürtler sagt, das alles soll Thema sein.

Die Wege sollen, anders, als das bei Ausstellungen mit Rundgang üblich ist, immer wieder in den Innenhof führen. Und immer wieder geht es auch um die Frage, worauf unser Wissen über Beethoven eigentlich fußt? Wie viel ist tatsächlich belegt, wie viel Mythos?

Auch was hier, in der Probusgasse, geschah, ist nicht zu 100 Prozent belegt. Es gibt aber, vor allem aus seinen Notizbüchern, sichere Hinweise, dass in diesem Gebäude Grundzüge seiner Oper Fidelio entstanden, auch an der Sturmsonate soll Beethoven gearbeitet haben, das Pferdegetrappel aus der Probusgasse soll Anregung dazu gewesen sein. Diese großen Werke, vor allem aber Unbekannteres, soll in den Ausstellungsräumen teils zu hören sein. Zudem wird es im Saal auch Konzerte geben, besonders auch in Kooperation mit Studenten.

Das Museum in Heiligenstadt wird derzeit fertiggestellt, die Eröffnung ist für Ende November geplant. Bunzl erwartet hier, neben Schulklassen, besonders auch einen großen Anteil asiatischer Besucher, wie das bei Themen um die klassische Musik üblich ist.

Die übrigen Beethoven-Wohnungen bleiben indes bestehen. In die neue Außenstelle hat das Wien-Museum nun vom Bau bis zur Ausstellungsgestaltung in Summe 750.000 Euro investiert. Das Haus gehört schon lang der Stadt Wien (das Wien-Museum ist Mieter) – schließlich sollte Ludwig van spät, aber doch noch einen festen Sitz in seiner zweiten Heimat haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2017)

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