Wann hat Wien zu viele Touristen?

Symbolbild.
Symbolbild. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Tourismus. Das überlaufene Amsterdam verbietet im Zentrum künftig Touristenläden und neue Hotels. Auch in Wiens Innenstadt ist der Wunsch nach mehr Reglementierung schon zu hören.

Wien. Keine neuen Hotels mehr, weniger Events und keine weiteren jener Touristenlokale, die das Stadtbild schon jetzt dominieren. Keine Frage, es ist eine Reihe von drastischen Verboten, die Amsterdam soeben beschlossen hat.

All das, um die Zahl an Touristen, die das Stadtzentrum überlaufen, in den Griff zu bekommen und um die nur auf diese Zielgruppe ausgerichteten Schnellimbisse und Souvenirläden einzudämmen. „Operation Nutella“ hat die „Süddeutsche“ den Vorstoß Amsterdams genannt, eine Anspielung auf die nutellalastigen Snacks, die man dort an Touristen verkauft.

Eine vergleichbare „Operation Mozartkugel“ ist in Wien nicht in Sicht. Im von Touristen hauptbetroffenen ersten Bezirk wird der Amsterdamer Vorstoß aber durchaus auch positiv gesehen. Franz Fischmeister vom Juwelier Rozet & Fischmeister etwa würde eine Beschränkung der Souvenirshops zum Schutz des Stadtbilds befürworten, „auch wenn ich die Leute verstehe, die damit ein Geschäft machen wollen“.

„Habsburg-Disneyland“

Auch Hanni Vanicek, die mit dem Wäschegeschäft Zur schwäbischen Jungfrau am Graben das älteste Geschäft der Stadt führt, spricht sich für eine Reglementierung aus. „Die alten Geschäfte“, sagt sie, „sind wie Landschaftsgärtner in den Städten.“ Sie sorgen für ein abwechslungsreiches Erscheinungsbild. Dass es von ihnen immer weniger gibt, „fällt auch den Touristen auf“.

Wien könnte an Charme verlieren, wenn das charakteristische Stadtbild weiter zurückgeht, aber auch die Nahversorger für die Bewohner werden weniger. Man, werde, sagt Ilse Schilk von der Bürgerinitiative Ruprechtsviertel, „mittlerweile von den Mozartkugelangeboten erschlagen. Die Souvenirgeschäfte verdrängen alles andere, es bleibt den Bewohnern immer weniger Platz zum Leben.“

Außer Zweifel steht, dass auch in Wien die Besucherzahlen steigen: 2016 waren es 14,96 Millionen Nächtigungen, um ein Viertel mehr als fünf Jahre zuvor. 2020 sollen es 18 Millionen Nächtigungen im Jahr sein. Ebenso klar ist, dass so gut wie alle Gäste irgendwann im ersten Bezirk unterwegs sind. Dennoch ist Wien „weit von einer Situation wie in Amsterdam entfernt“, sagt Wien-Tourismus-Chef Norbert Kettner. Amsterdam sei kleiner und habe eine fast doppelt so große Tourismusdichte: Dort kommen 15,69 Nächtigungen auf einen Einwohner, in Wien sind es nur 7,95.

Dennoch laste auf der Inneren Stadt ein „extremer Nutzungsdruck“, sagt Bezirksvorsteher Markus Figl (ÖVP). „Die Bewohner haben ein Anrecht darauf, sich in ihrem Wohnbezirk heimisch zu fühlen. Auch die Touristen wollen nicht in einen toten Stadtkern kommen, der nur Kulisse für ein Habsburg-Disneyland ist.“ Für Figl ist klar, „dass die Touristenzahlen nicht unendlich steigen können“. Schon heute stehen den 16.000 Bewohnern rund 250.000 Menschen gegenüber, die täglich in den Bezirk kommen, mehr als die Hälfte davon sind Touristen.

Da wird es immer wieder einmal eng. Allerdings, sagt Tourismuschef Kettner, „ist es nun einmal so, dass das Zentrum einer Zwei-Millionen-Stadt ab und zu überlaufen ist“. Der Störfaktor für viele Menschen seien auch weniger die Touristen selbst, „sondern eher das schnelle Geschäftemachen drumherum“. So sind nicht nur Kettner die häufig mit Mozart-Perücke ausgestatteten Ticketverkäufer auf den Straßen ein Dorn im Auge. „Und ich frage mich, warum wir in Wien Rikschas brauchen.“ Auch mit den vielen Souvenirläden hat Kettner keine Freude, „juristisch hat man da aber keine Handhabe: Man kann den Hausherren nicht vorschreiben, an wen sie vermieten.“ Genau das will aber Amsterdam tun, „ein sehr radikaler Ansatz und einer, bei dem ich mich frage, wie er juristisch umsetzbar sein wird“.

Schon seit Längerem versucht Wien Tourismus, gezielt Stadtteile abseits des ersten Bezirks zu bewerben, um die Touristenmassen besser zu verteilen. Wien sei aber nach wie vor „in der privilegierten Situation“, noch genügend Raum für Touristen zu haben. „Aber man muss ein Auge drauf haben.“

AUF EINEN BLICK

Im Zentrum Amsterdams und einigen Geschäftsstraßen dürfen künftig keine neuen Touristenlokale mehr eröffnen, auch neue Hotels sind verboten. Die Stadt hat mit 15,69 Nächtigungen pro Einwohner eine deutlich höhere Touristendichte als Wien, wo auf einen Einwohner 7,95 Nächtigungen kommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.10.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.