Gericht: Polizist schlug Obdachlosen

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Symbolbild.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Er ist seit 34 Jahren Polizist, nun stand er vor dem Richter: Gruppeninspektor K. schlug einem Obdachlosen mehrmals ins Gesicht.

Wien. Zu dritt sitzen sie auf der Anklagebank: Der älteste, Gruppeninspektor K. (55), hat Körperverletzung zu verantworten. Ein Überwachungsvideo einer in Wien Penzing liegenden Betreuungseinrichtung für Obdachlose zeigt ziemlich deutlich, was am 2. Juli 2017 vorgefallen ist: K. versetzt einem 56-jährigen Obdachlosen vier wuchtige Schläge ins Gesicht. Mit der flachen Hand. K. trägt dabei Handschuhe.

Neben K. hat am Montag auch dessen 26-jähriger Kollege, der damals bei der Amtshandlung mit dabei war, Platz genommen. Dieser Beamte hat sich wegdreht, als K. zuschlug. Und auch ein seinerzeitiger Polizeischüler, der ebenfalls anwesend war, ist angeklagt. Ihnen liegt Amtsmissbrauch (durch Unterlassung) zur Last.

Hauptangeklagter bereut

Ihm seien „die Nerven gerissen“, formuliert K. Und gibt sich einsichtig. Und: „Ich habe nicht nachgedacht. Sicher war es schlimm. Und ich bereue es auch.“ Das Opfer, ein beschäftigungs- und unterstandsloser Akademiker, soll öfter einmal zu viel Wodka getrunken haben. Dies erzählt nun ein Zeuge, ein Mann, der damals ebenfalls vor Ort war.

Am Tattag war der 56-Jährige trotz Hausverbots alkoholisiert in der Betreuungseinrichtung aufgetaucht. Das Personal forderte ihn auf zu gehen. Das tat er aber nicht. Im Gegenteil: Er bedrohte eine Sozialarbeiterin. Diese rief die Polizei. Der Zeuge, der damals mit dem 56-Jährigen unterwegs war, bestätigt dem Richter, dass das spätere Opfer die einschreitenden Polizisten sehr derb beschimpft habe. Auch habe er Beleidigungen gegen die Mutter des Gruppeninspektors ausgestoßen. Dasselbe sagen auch die angeklagten Beamten.

K. rechtfertigt sich so: „Ganz sicher wäre es vorbei gewesen, wenn er nach der ersten Ohrfeige nicht noch was zu mir gesagt hätte.“
Das Video zeigt, wie K. den Obdachlosen von einer Sitzbank reißt und ihn schlägt. Einmal. Erst einige Augenblicke später folgen noch drei Schläge.
Tonaufnahmen wurden nicht angefertigt, das Video zeigt lediglich die – eindeutigen, die Beamten stark belastenden – Filmsequenzen.

Der jüngere Beamte erklärt nun Richter Stefan Romstorfer, wie er die Zukunft sieht: „Ich bin froh, wenn sie mich bei der Polizei nicht raushauen. Ich bin Polizist aus Überzeugung geworden.“ Er hat den obdachlosen Akademiker nicht misshandelt, ist aber auch nicht dazwischengegangen, als K. zuschlug. Er und K. sind seither vom Dienst suspendiert; beziehen demnach nur noch zwei Drittel des Grundgehalts.

Gericht gewährt Diversion

Der damalige Polizeischüler (er ist in den Innendienst versetzt worden) sagt: „Auf Watschen war ich nicht vorbereitet. Ich war überfordert.“ Er – ein Spätberufener, er kam erst mit Mitte 30 zur Polizei – hat es mittlerweile zum Inspektor gebracht. Sowohl er als auch der 26-Jährige kommen mit einer Diversion davon; also mit einer Erledigung, die den beiden gerichtliche Verurteilungen erspart.

Nicht erspart bleibt ihnen ein Bußgeld: Der 26-Jährige muss 1500 Euro zahlen, der damalige Schüler muss 1000 Euro an den Staat überweisen. Rechtskräftig ist die Diversion noch nicht.

Die Verhandlung gegen K. wird auf den 4. Juni vertagt. Denn: Das Opfer ist seiner Zeugenladung nicht gefolgt.

SKURRILE RECHTSLAGE

Strengere Strafen fürs Zuschauen. Der Polizist, der den Obdachlosen durch vier wuchtige Ohrfeigen verletzt haben soll, ist mit einer Strafe für Körperverletzung bedroht. Nämlich mit bis zu einem Jahr Haft. Die beiden damaligen Begleiter, ein junger Polizist und ein Polizeischüler, haben nun Amtsmissbrauch zu verantworten – begangen durch unterlassenes Einschreiten, als ihr Kollege zuschlug. Ihnen haben bis zu fünf Jahre Haft gedroht. Auch die Staatsanwältin nannte diese rechtliche Situation „skurril“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2018)

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