Zerrissene Opposition: Abstimmen - Ja oder Nein?

VOLKSBEFRAGUNG
VOLKSBEFRAGUNG(c) APA/GEORG HOCHMUTH (Georg Hochmuth)
  • Drucken

Vor der Volksbefragung: ÖVP und die Grünen sind im Dilemma: Sollen sie abstimmen oder von der SPÖ als „demokratiefeindlich" angeprangert werden? Leichter tun sich die Freiheitlichen: Sie lehnen die Aktion ab.

Kann ein Oppositionspolitiker an der Volksbefragung der Rathaus-SPÖ teilnehmen, ohne sich selbst zu beschädigen? Oder kann er das Plebiszit einfach ignorieren, obwohl dabei auch die Wählermeinung zu Themen abgefragt wird, für die er seit Jahren eintritt?

Wiens Bürgermeister, Michael Häupl (SPÖ), hat ÖVP, FPÖ und die Grünen mit der Volksbefragung, die morgen startet, in ein Dilemma gestürzt: Entweder beteiligen sie sich an der Abstimmung, die sie als „Farce", „Pflanzerei der Wähler" und „Geldverschwendung" geißeln - oder werden von der SPÖ als Verweigerer dargestellt, die sich nicht einmal dann an demokratischen Vorgängen beteiligen wollen, wenn Themen auf dem Programm stehen, die von ihnen selbst aufgebracht wurden.

Eine Erfahrung, wie sie etwa Isabella Leeb von der ÖVP machen musste: Die nicht amtsführende Stadträtin erklärte bei einer Diskussion vor Schülern, dass sie selbst „sicher nicht" an der Volksbefragung teilnehmen werde - nur, um von SP-Jugendsprecher Peko Baxant als „demokratiefeindlich" gegeißelt zu werden. Ein Schicksal, das auch Leebs Parteikollegen Norbert Walter widerfuhr, nachdem er vor laufender Kamera einen Abstimmungszettel zerrissen hatte.

Dem steht freilich gegenüber, dass die Chefin der Wiener ÖVP, Staatssekretärin Christine Marek, erklärt, sehr wohl an der Abstimmung teilnehmen zu wollen: „Die Volksbefragung ist nichts anderes als ein Wahlkampfgag der SPÖ", sagt Marek. Ttrotzdem hätte sie ihren Stimmzettel abgegeben, „um meine Position zu den einzelnen Themen festzuhalten".

Zum Bild einer gespaltenen Partei trägt noch bei, dass die Junge Volkspartei sogar mit Plakaten und Flyern für eine Teilnahme wirbt - dreht sich doch die Frage nach dem 24-Stunden-Betrieb der U-Bahnen an Wochenenden um eine Forderung, die ursprünglich von der VP-Jugend aufgebracht wurde. Was Leeb nicht abhält, an ihrer Ablehnung festzuhalten: „Diese Befragung ist eine Beleidigung für jeden Intellekt - ich nehme nicht teil."

SPÖ annektiert Themen

Ähnliche Probleme plagen die Wiener Grünen: Einerseits erklärt Parteichefin Maria Vassilakou, nicht an der Befragung teilnehmen zu wollen: „Es gibt politisch-ethische Maßstäbe, die hier verletzt werden - durch die suggestive Fragestellung oder den Missbrauch öffentlicher Gelder für die Werbekampagne." Andererseits werben sogar einzelne Bezirksorganisationen der Grünen dafür, sich sehr wohl zu beteiligen und für eine „City-Maut" zu votieren, die die Partei schon lange fordert.

„Häupl nimmt hier die Ideen der Oppositionsparteien, verzerrt sie und tut dann so, als ob wir es von Anfang so gewollt hätten", sagt Vassilakou. „Das ist Missbrauch des demokratischen Instruments der Volksbefragung."

Am einfachsten kommen die Wiener Freiheitlichen mit dem Volksbefragungs-Dilemma der Opposition zurecht: Im Gegensatz zu VP und Grünen steht kein von ihnen forciertes Thema auf dem Stimmzettel.
Parteichef Heinz-Christian Strache kündigt an, ebenfalls nicht mitstimmen zu wollen: „Die Befragung ist eine reine Pflanzerei der Wähler, das Geld dafür hätte sinnvoller verwendet werden können", so Strache. „Die wirkliche Abstimmung kommt mit der Landtagswahl am 10. Oktober."

Auf einen Blick

■ Vom 11. bis 13. Februar läuft die Volksbefragung auch in 112 Annahmestellen in ganz Wien, bisher war eine Teilnahme nur per Post möglich. Abstimmen darf jeder Österreicher ab 16, der in Wien seinen Hauptwohnsitz hat. ■ Zur Abstimmung stehen Fragen zu Hausbesorgern, Kampfhunden, City-Maut, Nachtbetrieb der U-Bahnen und der Ganztagsschule.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.