"B72" in Konkurs: Wiener Clubszene bangt um das Kultlokal

Im Mai feiert das Wiener Gürtellokal "B72" sein 20-jähriges Bestehen. Doch ein Konkursverfahren trübt die Stimmung – bereits zum zweiten Mal ist der Club pleite. Ein Lokalaugenschein.

"Lilla" nennt sich die Indie-Dream-Pop-Band auf der Bühne, deren Sängerin ihre Songs melancholisch ins Mikrofon haucht. Rund fünfzig Besucher wippen im Takt zur Musik. Die Nebelmaschine läuft, es riecht süßlich nach Vanille. Die Atmosphäre im „B72“ ist familiär. Es wirkt, als kenne jeder jeden. Platz zum Tanzen gibt's ausreichend, was nicht heißt, dass der kleine Club schlecht besucht wäre.

Es ist das erste Konzert im Lokal am Hernalser Gürtel in Wien, seit vergangenen Freitag ein Konkursverfahren über die Weingartner Gastgewerbe KG beim Handelsgericht eröffnet wurde. Bereits 2013 war das "B72" in Konkurs, konnte sich aber wieder sanieren. 

Dieses Mal scheint niemand genau zu wissen, wie es weitergeht. Über die Zukunft des "B72" möchten weder Besitzer Ernst Weingartner noch sein Personal sprechen. Dabei hätte das Lokal doch einen Grund zu feiern: Im Mai gibt es das Szenelokal direkt unterhalb der U6 seit 20 Jahren. Durch seine Indie-Pop-Konzerte ist das "B72" auch außerhalb von Wien in der Szene ein Begriff. Ernst Weingartner ist als Kultgastronom bekannt. Er war auch am Aufbau des Clubs "Chelsea" beteiligt.

Das "B72" ist nicht das einzige Lokal, das die harte Gürtel-Gastro zu spüren bekam. Mit dem "Escalera" ging Ende 2016 ein weiteres Lokal in den Stadtbahnbögen pleite. Wachsende Konkurrenz und Umsatzrückgänge waren damals die Ursachen. Außerdem sorgten Drogenkriminalität und Schlägereien für Negativschlagzeilen.

"Der beste Sound von allen Gürtellokalen"

"Vielen Dank fürs Zuhören", ruft Lisa Prantl, die dunkelhaarige Frontsängerin, ins Mikrofon. Fast fluchtartig verlässt das Publikum den Raum: Die einen brauchen Nikotin, den anderen genügt die frische Luft. Dass das "B72" wieder pleite ist, hat längst die Runde gemacht. „Deshalb sind wir heute hergekommen“, sagt eine junge Frau mit Bobfrisur. Nicht nur sie fragt sich: Wird zugesperrt, bleibt das Lokal offen?

Ein Mann um die 30 in Bomberjacke nutzt die Pause zwischen dem Konzert und einem folgenden DJ-Set für eine Zigarette. "Eigentlich ist der Sound hier von allen Gürtellokalen am besten", sagt er. Außerdem würde das "B72" vor allem die junge Musikszene Österreichs fördern. "Gerade haben wir diskutiert, warum der kleine Gastgarten nicht wie sonst an warmen Tagen vor dem Lokal aufgebaut ist", meint er achselzuckend. "Vielleicht ist das ja ein Zeichen."

Ein wenig ratlos stehen die rauchenden Besucher vor dem Lokal. Einig sind sich hier an diesem Abend scheinbar alle: Sperrt das "B72" für immer zu, geht ein Stück Wiener Clubkultur verloren.

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