Geschichten mit Melange

Wohnzimmergefühl: Kaffeetrinken und Lesen gehören für Romana Ledl zusammen.
Wohnzimmergefühl: Kaffeetrinken und Lesen gehören für Romana Ledl zusammen.(c) Clemens Fabry
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Immer mehr Buchhandlungen kämpfen mit dem schnellen und anonymen Kauf im Internet. Betreiber von Buchcafés plädieren mit Kaffee und Kuchen für die Langsamkeit.

Ungefähr zur selben Zeit, als die insolvente Buchhandlung Schottentor ihre Pforten schloss, sperrte Romana Ledl das Buchcafé Melange in der Reindorfgasse auf. Wer in der kleinen Buchhandlung in Romanen oder Lyrikbänden blättert, kann nebenbei auch im Polstersessel Cappuccino trinken. Erst kürzlich, eineinhalb Jahre nach der Eröffnung, hat Romana Ledl nun eine Leselaube errichtet.

Und einen kleinen Gastgarten vor dem Geschäft, damit mehr Kunden Platz finden. Diese dürfen gern auch noch am Anfang ihres Leselebens stehen: „Kinder haben ja oft so eine Freude an den Büchern“, sagt Ledl. „Und manche behalten sich das glücklicherweise auch noch als Erwachsene.“ Die meisten kämen wegen der Bücher in ihr Geschäft, manche auch nur auf einen Kaffee und ein Stück Kuchen, sagt sie. Wegen der gemütlichen Atmosphäre im Grätzelgeschäft – oder um doch in den Büchern zu blättern, gern darf man hineinlesen. „Die meisten haben ein gutes Gefühl dafür, was in Ordnung ist und was nicht.“

Gleichzeitig einen Einzelhandel und einen Gastronomiebetrieb zu führen, bedeute auch mehr Auflagen, die erfüllt werden müssen. Und manchmal ist die Kombination schwierig: Frittierte Speisen bekommen den Büchern nicht gut. „Das muss man schon alles mitbedenken“, sagt die Buchhändlerin. Kuchenbrösel muss sie nur selten zwischen den Buchseiten hervorschütteln.

Das alles sei es aber jedenfalls wert, alleine schon wegen der Gemütlichkeit. „Sowohl beim Lesen, als auch beim Kaffeetrinken geht es im Grunde darum, innezuhalten, sich einmal Zeit zu nehmen“, sagt sie. Und weiter: „Für mich ist ein Buch mit einem Kaffee deshalb eine sehr stimmige Kombination.“ Einmal erzählte eine Kundin von regnerischen Sonntagen in New York. Von einer Buchhandlung mit Café, in denen die Menschen an diesen Tagen am liebsten säßen. „Mir gefällt dieser Gedanke sehr“, sagt Ledl. „Einen Ort zu haben, an den man immer kommen kann und wo man zwei so schöne Dinge kombiniert findet.“

Wien ist anders. Das Buchcafé Melange muss sonntags schließen. Die Vorschriften wollen es so. Die Buchhändlerin muss sich an die Öffnungszeiten des Einzelhandels halten. Das stört Romana Ledl aber nicht. „Wien ist dann eben doch nicht New York.“

Hybrid als Trend.
In den USA ist das Konzept der Buchcafés schon zum Trend geworden – vom Stories in Los Angeles bis zum Non-Profit-Shop Housing Works in New York City. „In so vielen Ländern habe ich dieses Konzept gesehen und mich immer gewundert, warum sich das in Wien noch nicht durchgesetzt hat“, sagt Ledl. Nur wenige wagen sich hier an die Mischform heran. „Lang kannte ich in der Stadt nur das Phil“, sagt Romana Ledl.

Dieses Lokal in der Gumpendorfer Straße war eines der ersten in Wien, das Bücher und Kaffee kombinierte. Seit 2004 kann man hier in Wohnzimmeratmosphäre Schallplatten und Bücher kaufen oder Bobotoast zum Espresso bestellen.

Auf einer Südostasienreise kam dem Besitzer Christian Schädel die Idee zu seinem Lokal. „Ich bin über ein Aussteigerlokal gestolpert, die Wände voller Magazine und überall Bücher“, erzählt Schädel. Als er wieder zurück nach Wien kam, gründete Schädel sein „hybrides Café“ - aus Liebe zu den Büchern. „Nur einen Buchhandel allein zu gründen, würde ich mich gar nicht trauen“, sagt er.

Harte Zeiten.
Das Geschäft im Buchhandel ist härter geworden, die Konkurrenz aus dem Internet ist groß. Zuletzt wurde bekannt, dass der Buchgroßhändler Franz Hain insolvent ist. Der Umsatz sei um 75 Prozent zurückgegangen. Auch die Beck'sche Universitätsbuchhandlung, eine der ältesten ganz Wiens, ist damit pleite. Der deutsche Buchmarkt hat in den letzten fünf Jahren 18 Prozent seiner Käufer verloren. Hauptgrund dafür ist die Konkurrenz aus dem Internet.

Romana Ledl hingegen glaubt nicht an den Onlinehandel. „Der große Vorteil an meinem Konzept ist es, dass man mit den Kunden zum Plaudern kommt“, sagt sie. Wenn sie am Fensterplatz im Geschäft sitzt, winkt sie nach draußen, wenn ein Kunde vorbeispaziert. Eine Frau auf dem Fahrrad ruft ihre Buchbestellung durch die offene Tür in das Geschäft. Das Schöne an ihrem Geschäftsmodell sei die Langsamkeit, die persönliche Note beim Verkauf: „Bei mir ist einfach alles ruhiger und gemütlicher“, sagt Ledl. „Man lernt die Leute kennen, oft weiß ich bei einer Neulieferung schon, wem das Buch gefallen könnte.“

Definiere Grätzel. In der Reindorfgasse, die gerade von der jungen Wiener Kreativszene erobert wird, fühlt sich Ledl wohl. Viele Jahre habe es an dieser Ecke des Viertels keine Buchhandlung mehr gegeben, seit ein Großbuchhandel zusperrte. „Ein Grätzel definiert, dass man seine Besorgungen zu Fuß erledigen kann – das gehört für mich zu einer lebenswerten Stadt.“ Für Romana Ledl war deshalb klar: Hier möchte sie ihre Geschäftsidee verwirklichen. „Es ist doch schön, wenn man weiß, es gibt eine Alternative zur Onlinebestellung oder einer großen Einkaufsstraße.“

Ob hier die Hoffnung für den Buchhandel liegt, fernab des Internets? Die Zukunft kann man nicht im Kaffeesatz lesen. Um eine langfristige Einschätzung zum Umsatz zu machen, brauche es noch Zeit, sagt Romana Ledl. Aber schon heute meint die Buchhändlerin mit einem verschmitzten Lächeln: „Ich habe das Gefühl, dieses Konzept könnte wirklich funktionieren.“

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In Zahlen

Cafés gibt es in Wien, der Stadt der Kaffeehäuser – vom klassischen Kaffeehaus über Kaffeerestaurants und Stehkaffees bis zu Kaffeekonditoreien.

Buchhandlungen werden in Wien betrieben.

Unternehmen sind gemeldet, die sowohl eine Gewerbeberechtigung für einen Buchhandel als auch für ein Kaffeehaus besitzen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.09.2018)

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