Der 13er – das raunzende Tramwayungetüm

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13er ndash raunzende Tramwayungetuem(c) FABRY Clemens
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Viel wird heute über eine Umstellung der Buslinie 13A auf eine Straßenbahn geredet – den 13er gab es schon, bis er 1961 auf den Bus umgestellt wurde. Ein nostalgischer Blick zurück.

Dieses Raunzen, dieses Heulen. Es schwelte kurz zu voller Stärke an, um dann langsam zu verebben. Der charakteristische Jammerton war einige hundert Meter weit zu hören, er zählte zum normalen, auch vertrauten Lärmpegel entlang der Straßenbahnlinie 13. Des alten 13ers, jenes Unikats, das bis 1961 im Verkehr war.

Zwei Situationen waren es, die das Gejammere zu voller Entfaltung brachten: Die Berg- und Talfahrten entlang der Route durch die Bezirke IV bis VIII und dann, wenn der Fahrer besonders beschleunigte. Das war vor allem am Sonntagvormittag, wenn die Stadt noch schlief bzw. die in den Wienerwald führenden Radiallinien, nach Mauer oder Pötzleinsdorf, überfüllt waren. Dann begab sich nämlich nur das Triebfahrzeug ohne Beiwagen auf die Fahrt und konnte auf mancher Geraden, etwa in der Rainergasse, ein beachtliches Tempo erreichen.

Seit einigen Monaten ist die Rückkehr der Wiener Straßenbahnlinie 13 wieder ein Thema. Das Erscheinungsbild des seinerzeitigen Originals ist freilich nur noch im Straßenbahnmuseum zu bewundern. Es waren besonders kurze Triebwagen mit ebenso kurzen Beiwagen. Die langen Garnituren, an die auch zwei Beiwagen angekoppelt waren, fuhren über den Ring oder an die Peripherie der Stadt. Beim 13er gab es zudem einige besonders alte Triebwagen. Bei diesen war die Frontscheibe vorgezogen, sodass der Fahrer vorne hinunter auf den Puffer sehen konnte. Durch den Führerstand zog es, da auch gegenüber dem Einstieg die Wagenwand nicht geschlossen, sondern nur durch ein halbhohes stabiles Geländer abgeschlossen war – zur Freude der Kinder, die Füße und Arme hinausbaumeln lassen konnten. Das Besondere des 13ers, damals wie bei der heutigen Buslinie, ist aber die Strecke durch den Mikrokosmos von Wien – begeben wir uns in eine Art Zeitmaschine, alsovor das Jahr 1961 auf die Fahrt vom Südbahnhof zur Alser Straße (so die Linientafeln).


Geteilte Linie. Die erste Station der alten Tramway (ausgesprochen „Trambei“, die Bezeichnung „Bim“ gab es damals nicht) verläuft gemeinsam mit dem „D“ die Prinz-Eugen-Straße leicht bergab zum Belvedere. Dann teilt sich die Linie, was damals – Einbahnen gibt es in dieser verkehrsarmen Epoche kaum – äußerst selten ist. Richtung Alser Straße geht es über die Belvederegasse zur Station Elisabethplatz/Argentinierstraße, die Gegenrichtung führt durch die Karolinengasse.

Eigentlich ein Dorf in der Stadt: der Elisabethplatz. In der Mitte die stattliche Kirche, auf der einen Seite der Pfarrhof und eine Volksschule. Die breite Pflasterung rund um die Kirche bietet Platz für einige ständige Marktbuden, im Dezember für zwei Christbaumverkaufsstellen und natürlich für Ball- und Laufspiele der Kinder. Durch die Argentinierstraße kommt die Buslinie 7 vom Südbahnhof, die über Kärntner Straße und Stephansplatz zum Franz-Josefs-Bahnhof führt und eine Besonderheit aufweist: Für diesen Bus gibt es – obwohl ebenfalls von den Wiener Verkehrsbetrieben geführt – eigene Fahrscheine, die kein Umsteigen auf die Straßenbahn erlauben.


Steile Abfahrt. Eine Station weiter der erste Verkehrsknoten: die Favoritenstraße. Hier kreuzen die Linien 66 und 67 von der Oper und nach Favoriten führend. Die Überraschung für den Chronisten: Das alte Café Frey gibt es auch anno 2011. Der 13er lässt sich aber nicht aufhalten, weiter durch die Rainergasse steuert er die erste steile Abfahrt an, die Johann-Strauß-Gasse, hinunter zur Wiedner Hauptstraße mit den Linien 65, 66 und der Badner Bahn. Die letzte Station auf der Wieden führt nun zum Mittersteig (die Phorus-Markthalle ist seit den 1970ern Geschichte), wo ein Abschnitt beginnt, der für die Bezirke innerhalb des Gürtels kaum ein zweites Mal anzutreffen war: Die Ziegelofengasse zwischen dem Mittersteig und der Margaretenstraße ist eingleisig. Eine rote Ampel zeigt an, ob sich in der jeweiligen Gegenrichtung gerade ein Zug befindet. (Die in die Straße hineinragenden Häuser sind heute nicht mehr vorhanden.) Eingleisige Strecken gab es sonst nur in den Außenbezirken, die letzte beim 31er sogar bis vor 15 Jahren.

Auch das Herz von Margareten ist ein eigener, ziemlich umtriebiger Mikrokosmos. Der Margaretenplatz mit dem imposanten Margaretenhof atmet städtisches Flair. Und was den 13er betrifft: Bei jeder Haltestelle kreuzt von nun an eine Radiallinie. Zuerst der 63er (Oper–Meidling), dann der 61er (Oper–Schönbrunn, der übrigens als erste innerstädtische Line auf einen Busbetrieb umgestellt wurde), dann die Stadtbahn (heute U4) im Wiental. Drei Stationen hat der 13er für den sechsten Bezirk übrig: Hinauf (Hofmühlgasse) zum 57er, mit diesem eine Station zur Amerlinggasse und dann zur Mariahilfer Straße, dem unbestritten pulsierenden Mittelpunkt der Route. 52 und 58 kamen von der Burggasse, die Linie L führte von Rudolfsheim kommend bis zum Prater (bis 1960), die Buslinie 4 (wieder gesonderter Tarif, bis 1972) kommt vom Westbahnhof. Vom nahen Amerlinggymnasium kommen die Schülergruppen, betuchtere Städter kehren im Café Ritter ein.

Mehr als acht Hügel. Die Neubaugasse – wie die Mariahilfer Straße eine Einkaufsmeile – erweist sich als Nadelöhr. Natürlich passen die beiden Gleisstränge in den Straßenzug, aber angesichts des ständigen Zulieferverkehrs ergeben sich stets Verzögerungen und Staus. 49er, 48er (damals in beiden Richtungen durch die Burggasse) und 46er kreuzen an den nächsten drei Haltestellen. Zwischen Burggasse und Lerchenfelder Straße geht es steil zur Neustiftgasse bergab und dann gleich wieder steil hinauf – Wien ist eben eine Stadt auf mehr als acht Hügeln.

Die letzte Etappe ist eine geruhsame Fahrt durch ein gutbürgerliches Wohnviertel und an der Piaristenkirche Maria Treu vorbei. Zwischen der Lerchenfelder Straße und der Alser Straße – es werden nur noch der J und der 5er gequert – wird die Linie wiederum in zwei parallel laufenden Straßenzügen geführt. Nicht, weil die Piaristengasse oder Lederergasse/Strozzigasse so schmal sind, sondern, weil es bei der Endstation eine Umkehrschleife geben muss. In der Alser Straße wird der Fahrgast wieder von tosendem Leben empfangen, Geschäfte und die Linien 43, 44 und (damals) H2 sorgen dafür. Nun, in den neunten Bezirk will der 13er nicht mehr, es geht zurück zum Südbahnhof. Zurück die Streckenlänge von 5,9 km.


Doppeldeckerbus. Die Umstellung der alten Tramway auf den Busbetrieb: Das war anno 1961 kein Katzenjammer, im Gegenteil, der neue Doppeldeckerbus begeisterte. Bis dahin verkehrte nur auf der Linie 4 der Bus mit den Sitzen im ersten Stock, und dieser war nicht an das Straßenbahnnetz angebunden. Jetzt aber konnte jeder mit dem herkömmlichen Ticket das Londoner Fahrgefühl ausprobieren – zumindest bis 1990, als man wieder auf Busse ohne zweites Geschoß setzte. Als zu unpraktisch für die vielen Passagiere, die vor allem kurze Strecken zurücklegten, erwies sich der mühsame Aufstieg. Dann raunzte man lange vor allem über die vollen Wagen auf Wiens meistfrequentierter Buslinie. Die Rückbesinnung auf das alte raunzende Tramwayungetüm stellte sich erst später ein.

Die Ära der Straßenbahn
Von 1913 bis 1961 verband die Linie 13 die Bezirke IV und VIII. Dabei überwand die Straßenbahn auch einige steile Abschnitte.

Ablösung durch den Doppeldeckerbus
Mit Juli 1961 kam der Doppeldeckerbus 13A, der als Einkehr der Moderne volksfestartig begrüßt wurde. 1990 verschwand das technische Wunderwerk wieder – es war schlicht unpraktisch.

Sehnsucht nach der Straßenbahn
Der heutige 13A ist Wiens meistfrequentierte Buslinie – viele Benutzer wünschen sich nun wieder eine Straßenbahn zurück.

Der 13er – Wiens legendäre Tramwaylinie von einst
Die Bände 1, 2 und 3 erzählen die Geschichte der 13er-Straßenbahn und des Stockbusses auf über 500 Seiten.

Erhältlich bei:
Dr. Peter Standenat, Elisabethstraße 13, 2340 Mödling

Kontakt: p.standenat@gmx.at, ✆02236/42 765

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2011)

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