Korruptionsverdacht. Ermittlungen zeigen, wie unterlegene Ausschreibungsmitbieter unter Druck gesetzt und mit unerlaubten Absprachen für Folgeaufträge ruhig gestellt wurden. Schriftlich und offiziell. „Die Presse“ hat den Akt.
Hat die Firma AGO wegen guter Beziehungen ins Wiener AKH zu Unrecht einen 50 Millionen Euro-Auftrag für Personaldienstleitungen (u. a. Reinigung) bekommen? Seit einem Jahr prüfen Korruptionsstaatsanwaltschaft (KStA) und Bundesamt zur Korruptionsbekämpfung (BAK) den Verdacht. Der „Presse“ liegt der Akt vor. Er belastet nicht nur Beamte und – wie vergangene Woche berichtet – die Firma AGO und ihren Geschäftsführer, sondern zeichnet ein detailliertes Sittenbild über die Art und Weise, wie in Österreichs größtem Krankenhaus Großaufträge vergeben werden.
Zentrales Schriftstück ist ein geheimes Dokument, das mehrfach in Gerüchten auftaucht, dessen genauer Wortlaut jedoch bisher unbekannt war. Das Papier mit dem Titel „Stilles Übereinkommen“ (siehe Faksimile links) sollte einen unterlegenen Mitbieter von AGO befrieden, der nicht verstehen wollte, warum er nicht zum Zug kam. Und das obwohl er (seiner Meinung nach) gleiche Qualität für jährlich 12 statt 15 Millionen Euro bot. Die betroffene Firma Janus hatte sich deshalb an den Vergabekontrollsenat (VKS) gewandt. Was der ehemalige Verwaltungsdirektor B. und der leitende Beamte H. mit allen Mitteln verhindern wollten. Man war sogar bereit, dafür tief in die Tasche des Steuerzahlers zu greifen.
Sinngemäß ist da zu lesen: Zieht Janus seinen Einspruch beim VKS (Aktenzahl: 2761/10) zurück, erhält die Firma im Gegenzug in einer Art Notaktion zur Aufrechterhaltung der hygienischen Bestimmungen den Auftrag zur Reinigung des OP-Bereichs. Ohne Ausschreibung. Für das Überlassen von 90 bis 130 Arbeitskräften würde das Spital 13,8 Millionen Euro zahlen. Ein gutes Geschäft. Die 15 Millionen, die Bestbieter AGO jährlich verdient, gelten für 1050 Leiharbeiter.
Das Papier trägt den offiziellen Stempel des AKH. Unterschrieben wurde es am 4. März 2010 von H., einem leitenden Beamten.
Aus dem Akt geht hervor, dass Dragan Janus vorerst und wohl nur zum Schein auf das unmoralische Angebot einging. Er selbst hatte zuvor B. und H. am Telefon zu weiteren Zugeständnissen provoziert, die Gespräche aufgezeichnet und später dem BAK übergeben.
Mitbeschuldigter schwer belastet
Gegenüber der „Presse“ wollte sich Janus nicht dazu äußern. Trotzdem liegt der Inhalt in allen Details offen. Genau 109 Seiten lang ist die Abschrift, die ein Chefinspektor des BAK in mühsamer Kleinarbeit über die Gespräche angefertigt hat. Aus dem Dokument geht hervor, dass Janus den im „Stillen Übereinkommen“ freihändig vergebenen Auftrag zur OP-Reinigung auch nach einer allfälligen Ausschreibung behalten sollte – wenn er nur nicht zum VKS geht.
So stellte H. klar, dass die für Janus lukrative Neuvergabe „grundsätzlich für drei oder zwei Jahre bis nach der Wahl“ gelten könne (das Telefonat fand Anfang März 2010 statt, im Oktober wählte Wien einen neuen Gemeinderat; Anm.). Irgendwann, vielleicht sogar schon im „Frühjahr, Sommer 2011 wird es auffliegen“. Dann müsse man neu ausschreiben. Offiziell, nach den Buchstaben des Gesetzes. Doch Janus könne beruhigt sein. Dann spricht H. Tacheles: „Ich kann Ihnen garantieren, dass Sie als Bestbieter rauskommen.“
Es kam nie soweit. Nach einem Bericht der „Presse“ im Juli 2010 wurde der Fall ruchbar. In den Einvernahmen danach bestritt H. die Echtheit des „Stillen Übereinkommens“, das Wilhelm Marhold, Generaldirektor des Krankenanstaltenverbunds heute als „glatte Nötigung“ bezeichnet. Erst nach weiteren Verhören und Beweisen, an die die Beamten im Zuge von Telefonüberwachungen gelangt waren, knickte er ein und packte aus. Dabei belastete er seinen ehemaligen Vorgesetzten, B., schwer. Für das Übereinkommen sei nämlich B.'s Zustimmung nötig gewesen. Die Zustimmung kam. Schließlich gab er zu Protokoll, „dass Gerüchte im AKH kursieren, dass das AKH die Fa. AGO für diesen Auftrag wollte. Ich meine damit das oberste Management. Namen möchte ich keine nennen“.
H.'s Rechtsvertreter, Helge Doczekal, bezweifelt, dass das Übereinkommen strafrechtlich relevant ist. „Dienstrechtlich vielleicht schon.“ Zu den Äußerungen seines Mandaten in den Telefongesprächen will er nicht Stellung nehmen.
B.'s Anwalt, sein Sohn, beantwortet alle „Presse“-Anfragen zum Thema mit „kein Kommentar“.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 28. Juli 2011)