U6-Ersatz für Gehbehinderte: Stock gilt nicht als Ticket

(c) Mirjam Reither
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Alte Frau durfte nicht in Ersatzbus einsteigen. Nur wer einen Behindertenausweis habe, werde mitgenommen, sagte der Fahrer. Auch einem weiteren älteren Ehepaar wurde der Zutritt verweigert.

Wien. Seit es sie gibt, wird um sie gestritten: Die Shuttlebusse, die anlässlich der U6-Sperre für jene mit „Mobilitätseinschränkung“ zwischen Alser Straße und Westbahnhof eingeführt wurden, sollen Rollstuhlfahrern, Schwangeren und Gebrechlichen die Fahrt erleichtern. Umso mehr überrascht es, dass die Busfahrer nun auch ihrer Zielgruppe die Mitfahrt verweigern.

So durfte am Montag um 10.45 Uhr auch die Pensionistin Gertraud Müllner aus Wien nicht in den Bus in der Station Alser Straße steigen. Und das, obwohl die 85-Jährige an Herzschwäche leidet und einen Gehstock benötigt. Auch einem weiteren älteren Ehepaar wurde der Zutritt verweigert. Der Grund: Nur wer einen Behindertenausweis habe, werde mitgenommen, sagte der Fahrer. Denn: „Einen Stock kann sich ja jeder kaufen.“ Auf Anfrage der „Presse“ heißt es im Kundenzentrum nun: „Ein Behindertenausweis ist immer dann notwendig, wenn eine Geheinschränkung, wie durch einen Rollstuhl oder Gipsfuß, nicht offensichtlich ist.“ Ein Gehstock als Berechtigung für die Mitfahrt bringe also wenig. Ebenso wenig die Tatsache, dass eine Person alt sei: „Es gibt Alte, die sind besser zu Fuß unterwegs als Junge.“ Konzernsprecher Answer Lang verweist auf das „Fingerspitzengefühl seiner Mitarbeiter“, die vor Ort über die Mitfahrt entscheiden würden, wenn keine offensichtliche Geheinschränkung vorliege. Im Fall von Frau Müllner sei dies leider „missinterpretiert“ worden. Als Ersatz bekommt sie eine Bescheinigung, dass sie den Bus benützen dürfe. Das alte Ehepaar, das für sich keine Genehmigung herausgeboxt hat, wird wohl die Straßenbahnlinie nützen müssen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2011)

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