Wien zwischen Schuldenabbau und Bildungsdefizit

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Symbolbild(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Warum die Stadt Wien ihren Schuldenstand von vier Milliarden Euro erst in den kommenden Jahrzehnten abbauen will, was die Unternehmer verärgert und wo die Stadt auf dem Ausbildungssektor großen Nachholbedarf hat.

Wien. Renate Brauner ist Optimistin. Trotz Wirtschaftskrise und prognostiziertem Konjunktureinbruch in Österreich sieht sie für Wiens Wirtschaft 2012 keineswegs schwarz. „Ich kann den Wienern und Wienerinnen garantieren, dass Wien wirtschaftlich auf gesunden Beinen steht“, versprach die Wirtschafts- und Finanzstadträtin vor Kurzem bei der Budgetrede im Gemeinderat.

Dabei sind einige der Grunddaten gar nicht so positiv. Da ist etwa die Arbeitslosigkeit von mehr als acht Prozent, die weit über dem Österreich-Schnitt liegt (Wien argumentiert, dass die Beschäftigung stark wächst, was aber noch nicht auf die Arbeitslosenquote durchschlägt). Und da ist ein Schuldenstand von vier Milliarden Euro, der offenbar niemandem in der Stadtregierung Kopfzerbrechen bereitet: Für 2012 ist eine Neuverschuldung von 400 Mio. Euro geplant.

Für die Rathaus-Opposition ein Desaster und unverantwortliche Wirtschaftspolitik. Die rot-grüne Stadtregierung verweist wiederum darauf, dass die Pro-Kopf-Verschuldung in allen Bundesländern – außer in Tirol – höher sei als in Wien. So weit die politische Auseinandersetzung. Aber wie kann Brauner ohne spürbaren Ausgabenstopp – geplant sind nur Kürzungen bei der Wirtschaftsförderung und beim Garagenbau – 2012 überstehen und 2016 wie geplant wieder Schulden zurückzahlen?

Investieren gegen die Krise

Die Stadt Wien will diesen Spagat durchführen, indem sie es wie 2009 macht: Als die Finanzkrise im Zuge der Lehman-Pleite auch nach Österreich überschwappte, wurde die Devise ausgegeben: „Aus der Krise herausinvestieren“. Das heißt, es wurde viel – auch geliehenes – Geld in den eigenen Wirkungsbereich gesteckt. Also in Stadtwerke, Holding, Wiener Wohnen. Letztlich hat Wien die damalige Krise tatsächlich ohne großen Einbruch überstanden. „Es hat funktioniert“, sagt auch Wirtschaftsexperte Peter Mayerhofer vom Wifo.

Auch jetzt wird der gleiche Weg eingeschlagen: Wien-Holding und Stadtwerke geben in den kommenden zwei Jahren Milliarden für U-Bahn-Strecken, Straßenbahnen sowie für Bürobauten und Wohnungen aus. Dazu kommen Investitionen in den Energiebereich.
Doch während Wiens Wirtschaft mit öffentlichen Aufträgen bei Laune gehalten wird, wird sie auf der anderen Seite deutlich belastet. Die Rede ist von den Gebührenerhöhungen der letzten Monate, die Wiens Wirtschaftstreibende in Zukunft 100 Millionen Euro kosten wird – jährlich. Das macht selbst die bedachte Chefin der Wiener Wirtschaftskammer, Brigitte Jank, wütend: „Für eine derartige Belastungslawine habe ich kein Verständnis.“ Die Stadt dürfe nicht auf Kosten der Leistungsträger sanieren.

Denn während die meisten Erhöhungen auch Private betreffen, trifft die neue U-Bahn-Steuer gezielt die Wirtschaft. Jank rechnet vor: „Das ist eine Belastung von 44 Mio. Euro pro Jahr für die Wiener Unternehmer.“
Ein wichtiger Pfeiler der Wiener Wirtschaft ist auch die Standortpolitik. Das heißt, darauf zu achten, dass nicht zu viele Unternehmen die Stadt verlassen und andererseits Firmen und Konzerne ihre Hauptquartiere für Osteuropa hier ansiedeln. Wenn es um die Lebensqualität geht, sind internationale Manager voll des Lobes über Österreich und speziell Wien. Dies findet seinen Ausdruck jedes Jahr aufs Neue in der berühmten „Mercer-Studie“, in der Manager Wien an die erste Stelle reihen – manchmal ex aequo mit Zürich.

Noch läuft es für den internationalen Standort Wien nicht schlecht, das zeigt sich auch daran, dass die Anzahl der Hauptquartiere für Zentraleuropa in den letzten Jahren beständig gestiegen sind. Doch dem Standort könnte Gefahr drohen. So hat eine kürzlich veröffentlichte Umfrage der Consultingagentur Kreutzer Fischer & Partner unter den 300 in Österreich ansässigen internationalen Konzernen (die meisten davon in Wien) ergeben, dass zwar grundsätzlich die Rahmenbedingungen in Ordnung seien, aber die Manager doch einiges auszusetzen haben. So fordern sie eine Senkung der Lohnnebenkosten, mehr Reformen, mehr Flexibilisierung der Arbeitszeit – und besser qualifizierte Beschäftigte.

Defizite bei Pflichtschülern

Nicht für alles kann das Rathaus verantwortlich gemacht werden. Aber bürokratische Hindernisse bei Betriebsanlagen könnte die Stadt Wien leicht beseitigen. Und ganz wichtig: Wien könne mehr tun, um einen Schwachpunkt – die mangelnde Ausbildung – auszumerzen. Das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) hat im Sommer in einer Studie, in der 65 Großstädte in Europa verglichen wurden, auf dieses Defizit hingewiesen. Der Anteil der Pflichtschulabgänger, die danach keine Ausbildung machen, sei alarmierend hoch, meint Studienkoordinator Peter Mayerhofer. Dieser Anteil liege „bei steigender Tendenz höher als im Durchschnitt der EU-Großstädte“.

Das könne für Wien besonders dramatisch werden, da sich die Wirtschaftsstruktur der Stadt nicht nur rasch wandle, sondern auch von einem hohen Anteil auf dem Dienstleistungssektor gekennzeichnet ist. Und der erforderte „eine hohe Komponente an Ausbildung und Weiterbildung“.

In der Serie „Wien 2012“ sind bisher erschienen: Hauptstadt-Tourismus (2. 1.)., Wohnbau (3. 1.).

Auf einen Blick

Wirtschaft: Wien hat die vergangenen Krisenjahre vergleichsweise gut überstanden, attestieren Wirtschaftsforscher. Allerdings steht die Stadt nun vor neuen Herausforderungen: So muss etwa ein Weg gefunden werden, mit dem Schuldenstand von knapp vier Milliarden Euro fertig zu werden – das aktuelle Budget sieht aber bereits ein neues Defizit von 400 Millionen Euro für das Jahr 2012 vor.

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