Energie 2.0: Wiens langer Weg zum Ökostrom

(c) APA (Helmut Fohringer)
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Eine Wende ist es noch nicht, aber kleine Schritte. Mehr Windkraftanlagen im Stadtgebiet, mehr Fotovoltaik und Geothermie. Eine Zwischenbilanz der jungen Energieplanungs-Magistratsabteilung Maria Vassilakous.

Wien. Wie kann eine Magistratsabteilung mit neun Mitarbeitern die Energieversorgung einer Großstadt verändern? Diese Frage steht im Raum, seit Wien im Herbst mit der MA20 eine Abteilung für Energieplanung gründete – und sich das ehrgeizige Ziel setzte, bis 2030 die Hälfte des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen zu gewinnen.

Derzeit ist es in Wiener Stromerzeugungsanlagen weniger als halb so viel – in der Stromerzeugung der Wien-Energie nur elf Prozent. Zum Vergleich: Bei den Münchner Stadtwerken, die länger in Ökostrom investieren, ist der Anteil ungefähr doppelt so hoch. Eine erste Antwort auf die Frage nach dem Ökostrom kommt aus Transdanubien: Auf Freiflächen neben den Gaskraftwerken Donaustadt und Leopoldau entstehen bis zum Sommer zwei Fotovoltaikanlagen des Bürgersolarkraftwerks, das die MA20 mit Wien-Energie plante.

Gemeinsam können die Anlagen zwar nur einen Bruchteil des Stroms ihrer Nachbarn liefern – dafür ermöglicht ein Beteiligungsmodell jene Bürgernähe zum Strom Marke „Öko“, den sich vor allem der grüne Teil der Stadtregierung vorstellt. Und scheinbar auch einige Konsumenten: Eine Woche nach Verkaufsstart waren alle Paneele ausverkauft, deren Verkaufspreis mit 3,1Prozent Rendite vergütet wird. Insgesamt sollen 2012 vier Anlagen ans Netz gehen – verkauft wird die dritte Anlage nicht vor Mai, der Ort wird noch verhandelt (Hafen Wien oder Liesing).

Energie aus dem Gemeindebau

Nebenbei will die Wien-Energie auch Anlagen auf Wohnbauten forcieren – eine solche wird im Sommer auf einem Gemeindebau in Liesing montiert. Allerdings nicht, um den Eigenstrombedarf der Bewohner zu decken: Die Wien-Energie speist den Strom ins Netz ein und profitiert von Einspeisetarifen, den Bewohnern schenkt man als Gegenleistung für die Fläche den Strom für die Außenbeleuchtung. Gespräche für weitere, ähnliche Projekte sind im Laufen.

Zumindest der Lauf der Dinge im Fall Bürgersolarkraftwerk ist dabei beispielhaft für die Rolle, in der sich die MA20 und ihr Leiter, der Umweltökonom Bernd Vogl, sehen: Jener des Vermittlers zwischen unterschiedlichen Akteuren der Energieplanung – ein Ideengeber also, ohne eigenen finanziellen Spielraum. „Wir sind darauf angewiesen, dass andere mitmachen, es geht um Kommunikation“, so Vogl. Mitmachen, das tut vor allem die österreichische Energieagentur, die im Auftrag der MA20 eine Studie über das Potenzial erneuerbarer Energieträger in Wien erstellt, die Ende des Jahres fertig sein soll.

Schon vorher sind Ergebnisse einer anderen Kooperation sichtbar – auch wenn sie gar nicht allzu offensichtlich sein sollen: Gemeinsam mit der MA19 (Architektur und Stadtgestaltung) habe man sich laut Vogl auf eine sanfte Strategie zum Thema Kleinwindkraft verständigt. Konkret: Abseits historischer Bausubstanz, über der Donau und im Süden der Stadt, sollen künftig kleine Windkraftanlagen auf Dächern leichter genehmigt werden, „wenn es architektonisch halbwegs passt“, so Vogl. Gerade die ästhetische Integration der Anlagen sei, trotz steigenden Interesses, nicht immer Usus – ein Antrag für die DC-Towers in der Donaucity wurde deshalb abgelehnt. Ein anderer ging durch: Auf dem Bürogebäude Energybase in Floridsdorf steht seit Februar Wiens erste Kleinwindkraftanlage ihrer Art: Durch speziell angeordnete Rotorblätter und eine vertikale Drehachse kann die Anlage auch die Energie turbulenterer Luftströmungen, wie sie häufig über die urbane Dachlandschaft hinwegziehen, in Strom umsetzen. Der Betreiber, die Wirtschaftsagentur Wien, will mit der Pilotanlage weitere Möglichkeiten evaluieren. Eine ähnliche Anlage ist beim (im Bau befindlichen) Bürokomplex Green Worx in der Leopoldstadt geplant, weitere Anlagen sind, so Vogl, zu erwarten.

Wiens heiße Zukunft: Geothermie

Während die leistungsarmen Windkraftanlagen auf Dächern vor allem der Bewusstseinsbildung dienen, will die Stadt ihr Energieprofil vor allem unter der Erde schärfen. Seit November laufen Bohrungen für ein Geothermie-Kraftwerk in Aspern, ab 2014 soll es 40.000 Wohnungen Fernwärme liefern. Das Potenzial wird größer geschätzt und könnte in puncto Strom eine indirekte Rolle spielen: Derzeit werden Gaskraftwerke auch betrieben, wenn weniger Strom als Fernwärme benötigt wird. Wien-Energie-Sprecher Christian Ammer: „Wenn Geothermie funktioniert, könnten wir weniger Gas verfeuern und mehr Strom aus erneuerbaren Quellen zukaufen.“

Bei der Biomasse plant die MA20 derzeit keine neue Initiative – auch, weil sie nicht unbegrenzt verfügbar ist: Zwischen einem und zehn Prozent des Holzes für das Biomassekraftwerk Simmering muss schon jetzt aus der Slowakei und Tschechien geliefert werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2012)

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