Telekom: Glasfaserkartell für Wien geplatzt

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Die Telekom wollte einen Exklusivzugang zu 220.000 Gemeindewohnungen und Amtsgebäuden, dafür sollte der Konzern jährlich fünf Millionen Euro ins Rathausbudget zahlen. Doch dort hatte man Angst vor den Kartellrichtern.

Wien. Das Projekt war so brisant, dass sich die beteiligten Unternehmen auf Anfrage noch heute auf Verschwiegenheitsklauseln berufen. Der „Presse" liegen bisher geheime Papiere vor, die in der Zusammenschau einen fortgeschrittenen Plan zur Beherrschung des Geschäfts mit Glasfaser-Datenleitungen in Wien ergeben. Gemeinsam mit den gemeindeeigenen Stadtwerken als Türöffner plante die Telekom ein gigantisches Datennetzwerk mit Highspeed-Internet für die Hauptstadt. Der Zugang zu 220.000 Gemeindewohnungen und allen Amtsgebäuden sollte u. a. mit jährlichen Millionenzahlungen an die Stadt abgegolten werden. Allein: Es kam nicht dazu. Zu groß war am Ende die Angst vor dem Kartellrichter.

Das blieb vom Wirtschaftsthriller: Die bereits ausgearbeiteten Businesspläne und Gesellschafterverträge (auch sie liegen der „Presse" vor) wurden wieder eingestampft, mehrere hunderttausend Euro Planungskosten abgeschrieben. Was war geschehen?

„Politisches Commitment"

Am 2. Februar 2009 hatte Stadtwerke-Vorstand Helmut Miksits Besuch. Zu Gast waren die Telekom-Vorstände Boris Nemšic, Hannes Ametsreiter und Michael Jungwirth. Thema des vertraulichen Gesprächs: Ausbau der Breitband-Infrastruktur für Wien. Das Treffen endete laut Sitzungsprotokoll mit folgendem Plan: Gründung einer gemeinsamen Gesellschaft zum Ausbau von Glasfaserleitungen sowie die „Erreichung des politischen Commitments für Exklusivität bei Wiener Bauträgern (besonders Wiener Wohnen)". Eine wettbewerbsrechtliche Bombe.

Die Glasfasertechnologie ist das Nonplusultra der Branche. Bandbreite steht fast unbegrenzt zur Verfügung, neben Internet und Telefonie sind HD-Fernsehen, Video on Demand und andere Dienste möglich. Telekom und Stadtwerke planten, über die Firma Wibeg (Wiener Infrastruktur Betriebs- und Errichtungsgesellschaft) innerhalb der ersten sieben Jahre 400 Millionen Euro zu investieren. Langfristig erhoffte man sich das große Geschäft. Alternative Telekombetreiber wären nämlich dazu gezwungen gewesen, für hochwertige Dienste das Wibeg-Netz zu mieten. Nur zu welchem Preis?
Hierzulande gebe es eine eigene Spielart der Wettbewerbsverzerrung, sagt Alfred Pufitsch, Geschäftsführer von Tele2 und Präsident des Verbandes alternativer Telekom-Netzbetreiber. „Zwar muss der Leitungsbesitzer den Alternativbetreibern Zugang garantieren. Gleichzeitig drückt er jedoch bei den Kunden mit Dumpingangeboten das Preisniveau und verlangt von Providern viel Geld für die Miete vergleichbarer Leistungen." Folge: Für Alternativbetreiber bleibt kaum Marge zum (Über-)Leben.

Der Telekom war der exklusive Zugang zu den Gemeindebauten viel wert. Das geht aus einem auf höchster Ebene abgeschlossenen „Memorandum of Understanding" (Absichtserklärung) hervor. Zeichnende Personen: Die Telekom-Vorstände Hannes Ametsreiter, Walter Goldenits und Siegfried Mayrhofer, die Stadtwerke-Chefs Martin Krajcsir und Helmut Miksits sowie die Wienstrom-Geschäftsführer Peter Weinelt und Susanna Zapreva-Hennerbichler. So erklärte sich der Marktführer dazu bereit, den Stadtwerken über die Wienstrom eine jährliche Prämie („Vorabgewinn") in der Höhe von fünf Millionen Euro zu zahlen. Wertgesichert und für mindestens 20 Jahre.

Dazu muss man wissen, dass die Stadtwerke große Teile ihres Gewinns ins marode Budget des Alleineigentümers, der Stadt Wien, einzahlen. In den vergangenen Jahren waren das Summen zwischen 9,4 und 18 Millionen Euro.
Dass jährliche Zahlungen zur „Sicherstellung des Zugangs zu Wiener Wohnen" (interne Notiz) problematisch sind, wussten auch die Stadtwerke. Deshalb sollte die Telekom das Geld nicht der Wibeg, sondern dem eigenen Budget entnehmen. Grund: „Ansonst entsteht eine Aufdeckung der Zahlungen und ein strom- und telekomregulatorisches Problem" (Papier einer Vorstandsklausur).

„Kartellrechtlich bedenklich"

Doch die Telekom bot Wien noch mehr. Etwa einen kostenlosen TV-Kanal, der vom Rathaus über den Umweg der Stadtwerke betrieben werden sollte. Oder überproportionale Stimmrechte innerhalb der Wibeg. Geplant war, dass Wien für nur zehn Prozent der Anteile 25???1 Prozent der Stimmrechte (Sperrminorität) erhalten sollte. Warum?

Telekom und Stadtwerke schweigen eisern. Trotz des geplatzten Geschäfts bestehe nämlich eine nach wie vor gültige Geheimhaltungsverpflichtung. Lediglich das Stattfinden der Verhandlungen wurde der „Presse" in den Konzernzentralen bestätigt.

Interne Unterlagen aus dem Verhandlungsakt sind aussagekräftiger. Demnach forderte die Telekom von Stadtwerken und Rathaus ein einseitiges Wettbewerbsverbot im Glasfasergeschäft bei Privatkunden sowie Beschränkungen bei Businesskunden. Auch die Kooperation mit Drittanbietern sollte ausgeschlossen werden. Laut einem vertraulichen Papier für eine Vorstandsklausur im Wiener Hotel Herrenhof ein „kartellrechtlich bedenklicher Schritt".

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28. März 2012)

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