„Anteil wird in wenigen Jahren auf 40 Prozent wachsen“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Sebastian Kummer, Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik der Wirtschafts-Uni Wien, erwartet, dass der Anteil des Carsharing am Wiener Verkehr massiv steigt.

Die Presse:Car2go und Mitfahrzentralen werden derzeit überlaufen. Wie erklären Sie den Boom geteilter Fahrzeuge?

Sebastian Kummer: Wir beobachten das weltweit. Wissenschaftler sagen seit Jahren, der Trend beim Pkw geht weg vom Besitz und hin zur Nutzung. Besonders in der Stadt hat der Besitz eines Autos viele Nachteile – Stichwort Parken, Versicherung – beim Carsharing muss ich mich um nichts kümmern. Die erheblich steigenden Kosten fürs Auto, im Vergleich zu den Realeinkommen, beschleunigen diese Entwicklung.

Ist angesichts der steigenden Kosten nun ein kritischer Punkt erreicht, an dem sich die Gewohnheiten ändern?

Ja, das sieht man auch an den Zuwächsen beim öffentlichen Verkehr. Car2go zeigt: Die Bereitschaft ist da, angesichts der Kosten. Dazu kommt die einfache Umsetzung durch Internet und Smartphones. Car2go ist eine ideale Ergänzung zum öffentlichen Verkehr, schon in anderen Städten haben Modelle alle Prognosen übertroffen. Es ist eine Erfolgsgeschichte.

Ändert sich das Verhältnis zum Auto? Ist das Auto als Statussymbol passé?

Ja, das ist ein Prozess, der sich in sich verstärkt. Aber es ist schwierig, Menschen von eingefahrenen Wegen wegzubringen. Noch verringert sich der Fahrzeugbesitz nicht, aber das kommt. Wir beobachten natürlich, dass Carsharing eher Junge anspricht, die noch kein eigenes Auto haben. Car2go nutzen auch Geschäftsleute, die eine Hemmschwelle haben, den ÖPNV (öffentlichen Personennahverkehr, Anm.) zu nutzen, die aber Alternativen zum eigenen Pkw suchen. Für Familien sind die Smarts klarerweise nicht geeignet.

Zulasten welcher Form der Fortbewegung geht Carsharing?

Es sieht aus, als würde es zunächst zulasten des ÖPNV gehen, mittel- und langfristig wird der Anteil der eigenen Pkw sinken. Das Modell der Zukunft ist die Kombination. ÖBB oder die Deutsche Bahn sehen Carsharing nicht mehr als Konkurrenten, sondern als Ergänzung. Die Kombination von ÖPNV und Carsharing ist genau der richtige Weg, in Summe profitiert das System.

Funktioniert Carsharing auch am Land?

Im Waldviertel ist das natürlich unattraktiv. Der große Vorteil des Carsharing ist, dass das Auto viel stärker genutzt wird, als wenn ich es allein benutze. Das ist am Land schwierig. Wirtschaftlich gestalten kann ich das System nur durch eine große Nutzung. Am Land geht der Trend eher in Richtung Mitfahrzentralen, auch über Social Media gibt es da Möglichkeiten, oder zum Beispiel Selbsthilfe-Taxis für Senioren, über Börsen werden Mitfahrgelegenheiten vermittelt. Das ist am Land eher ein Lösungsansatz.

Wie schätzen Sie das Potenzial des Carsharing in Wien ein?

Ich kann mir vorstellen, dass der Anteil am Pkw-Verkehr in Wien in fünf Jahren bei 40Prozent liegt. Aktuell beträgt er weniger als fünf Prozent. Wie stark er steigt hängt natürlich von Faktoren wie dem Spritpreis ab. Am Gesamtverkehr könnte Carsharing so einen Anteil von zehn bis 20Prozent erreichen. cim

Auf einen Blick

Sebastian Kummer, WU-Professor für Verkehr und Logistik, sieht die Zukunft des Verkehrs in einer Kombination aus Öffentlichen, Radfahren und Carsharing. Ein eigenes Auto in der Garage ist bei vielen Städtern passé.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2012)

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