Jugendliche Ideen für die Politik: „Kein Geld für Ampelmännchen“

Jugendliche reden über Politik (v. l.): Christoph Nödl (17), Mahrukh Syed (17), Theresa Sövegjarto (16) und David Pöder (18).
Jugendliche reden über Politik (v. l.): Christoph Nödl (17), Mahrukh Syed (17), Theresa Sövegjarto (16) und David Pöder (18).Die Presse
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Wie man Jugendliche stärker zum Wählen motivieren kann, was in Wien gerade schiefläuft und warum Politiker und Facebook nicht immer zusammenpassen.

Die Presse: Vier von zehn Jugendlichen sagen, sie seien politikverdrossen. Fast die Hälfte hat wenig oder kein Vertrauen ins politische System. Was ist da los?

Christoph Nödl: Viele denken, dass sie durch ihre eine Stimme nicht wirklich etwas bewirken können. Oder sie fühlen sich nicht durch die Politiker vertreten.

Mahrukh Syed: Stefan Zweig hat gesagt: Wahrhaftigkeit und Politik wohnen selten unter einem Dach. Die Politiker versprechen alles Mögliche, und es passiert einfach nichts. Sie wollen nur die Stimmen.

Christoph: Ja, das Problem ist, dass die Politiker vor der Wahl arbeiten. Und danach nicht mehr so, wie sie es tun sollten.

Theresa Sövegjarto: Ich sehe aber schon, dass sich viele Jugendliche wünschen, etwas beeinflussen zu können – und dass sie deshalb auch wählen gehen.

Ihr geht alle im Oktober zur Wahl – habt ihr Freunde, die das nicht tun? Und warum nicht?

David Pöder: Ja, sehr viele. Politik ist halt nicht ihr Interessengebiet, da kennen sie sich nicht aus, und sie denken sich: Keine Ahnung, was ich wählen soll, ich lasse es einfach. Desinteresse eben.

Christoph: Vor der Europawahl haben viele gesagt: Das ist nicht einmal Österreich, das interessiert mich nicht. Jetzt geht es um Wien – und es gibt trotzdem viele, die sich nicht interessieren. Dabei haben Menschen dafür gekämpft, dass wir dieses Privileg haben. Und uns selbst zuliebe sollten wir dieses Recht beanspruchen.

Mahrukh: Sehe ich auch so. Ich werde auch deshalb wählen gehen, weil die Frauen dafür gekämpft haben, dass sie das endlich dürfen.

Bei der vorigen Wien-Wahl haben sich die Jungen unterdurchschnittlich beteiligt. Was könnte man tun, um mehr junge Leute zum Wählen zu motivieren?

David: Politische Bildung mehr im Unterricht einbauen. In Geschichte wird es ja mitbehandelt, aber es kommt halt viel zu kurz.

Christoph: Mein Geschichteprofessor macht das ziemlich gut und erklärt uns auch anhand von historischen Ereignissen die österreichische Politik. Um die Zukunft zu verstehen, muss man ja zuerst die Vergangenheit verstehen.

Theresa: Aber in Geschichte gibt es so unendlich viele Themen, und ich habe das Gefühl, die Lehrer sind etwas überfordert mit all dem, was sie uns beibringen müssen.

Mahrukh: Es sollte ein eigenes Fach Politische Bildung geben, in dem es um alle Parteien geht und um die Frage, was ich eigentlich bewirke, wenn ich wählen gehe.

Christoph: Aber ich finde, dass nicht nur die Lehrer mehr darauf eingehen sollten, sondern auch die Parteien – statt solche Wahlplakate zu machen wie derzeit die Grünen mit dem Sonnenbrand.

Würde es etwas bringen, wenn man online wählen könnte?

Mahrukh: Ich denke schon. Die meisten sitzen ja sowieso vor dem Computer.

David: Ich glaube auch, dass die Beteiligung steigen würde. Aber es wäre dann vielleicht nicht mehr so ein bewusstes Wählen, weil es halt nur noch ein Klick ist.

Theresa: Ich würde trotzdem zur Wahl gehen. Einerseits, weil Internet immer ein Risiko ist – wenn der Computer gehackt wird, zum Beispiel. Andererseits, wenn man wirklich etwas verändern will, scheitert es nicht am Aufstehen.

Christoph: Nur, wie motiviert man die jungen Leute, die nicht dafür aufstehen wollen? Das Problem ist, dass viele Parteien sich nicht um ihre Interessen kümmern.

Was wären denn eurer Meinung nach die wichtigsten Thema?

David: Sehr aktuell ist die Bildung. Das Thema ist ja derzeit eh sehr groß in den Medien, die Neos fordern das auch ganz stark. Und das betrifft halt alle Jugendlichen.

Mahrukh: Die Politiker sollen fragen, was Jugendliche wollen. Zum Beispiel bei der Zentralmatura: Da hätten wir gefragt werden sollen.

Christoph: Eigentlich müsste man aber einen ordentlichen Plan entwerfen, wie man mit Bildung und Arbeitslosigkeit umgeht. Nicht nur einzelne Forderungen.

Welche Themen und welche Probleme seht ihr in Wien?

Christoph: Das Erste, was mir negativ in den Sinn kommt, ist die Mariahilfer Straße, das sehen auch viele meiner Freunde so.

David: Also ich merke, dass auf der Mariahilfer Straße jetzt sehr viele Jugendliche sind. Dass die Lebensqualität da total gestiegen ist.

Christoph: Aber dafür Steuergeld in die Hand zu nehmen – und damit erst wieder neue Verkehrsprobleme zu schaffen...

Mahrukh: Was mir einfällt, sind diese Ampelmännchen. Okay, die sind ja hübsch, aber wir brauchen das Geld wirklich für andere Sachen. Für Bildung zum Beispiel.

Was müssten die Politiker machen, damit sie näher an den Jugendlichen sind?

David: Präsent sein. Immer wieder versuchen, mit Jugendlichen, etwa vor Wahlen, Diskussionen zu organisieren. Den Spitzenpolitikern ist das aber oft völlig egal, und sie schicken einfach irgendjemanden. Dabei könnte genau so etwas viel Interesse wecken.

Wie sieht es mit dem Internet aus? Was haltet ihr von den Facebookauftritten der Politiker?

Mahrukh: Da sind manche Sachen einfach lächerlich, da fällt mir immer Strache ein. Oder wenn Politiker Oben-ohne-Fotos auf Facebook stellen und das dann in alle Medien kommt.

David: Ja, ich glaube, es ist schwer für Politiker, sich auf Facebook seriös darzustellen. Aber wenn man es gut macht, ist es sicher eine gute Möglichkeit, mit Jugendlichen in Kontakt zu kommen.

Theresa: Viele Politiker übertreiben es in sozialen Netzwerken mit dem Selbstlob. Und viele Jugendliche liken die Seiten nicht, weil sie sich nicht dazu bekennen wollen, dass sie eine Partei gut finden.

Christoph: Ich finde, das ist wahnsinnig unpersönlich. Man weiß ja gar nicht, ob es wirklich Werner Faymann oder Michael Häupl ist, der die Seite verwaltet. Und ich finde, dass Facebook überhaupt der falsche Ort für Politik ist.

Zu den Personen

Mahrukh Syed (17) besucht das GRG Erlgasse im zwölften Bezirk. Sie ist START-Stipendiatin.

Christoph Nödl (17) maturiert im kommenden Jahr im Theresianum im vierten Bezirk.

David Pöder (18) maturierte im GRG 13 und geht für Jugend Eine Welt als Zivildiener nach Indien.

Theresa Sövegjarto (16) besucht das Gymnasium Sacré Cœur, ab Herbst in der siebten Klasse.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2015)

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