Budget: Wie Wien Schulden abbauen kann

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Die Stadt sitzt auf einem Schuldenberg in der Höhe von offiziell fünf Milliarden Euro, Wien muss sparen. Dafür gibt es Lösungen, ohne dass Leistungen für die Bürger reduziert werden.

Wien. Die Kurve steigt stetig. Innerhalb von sieben Jahren hat sich der Schuldenstand der Stadt Wien von 1,4 Milliarden Euro auf 4,89 Milliarden erhöht. Ende des Jahres dürfte die Fünf-Milliarden-Euro-Grenze gesprengt werden. Auch der Rechnungshof zeigte sich in seinem jüngsten Bericht wenig begeistert. Kritik gab es für den massiven Schuldenanstieg, zudem vermissten Prüfer die Berücksichtigung der Schulden der ausgelagerten Unternehmen wie Wiener Wohnen oder dem Krankenanstaltenverbund (KAV), die allein innerhalb von vier Jahren (2008 bis 2012) um 43 Prozent auf 3,12 Milliarden Euro gestiegen sind.

Finanzstadträtin Renate Brauner argumentiert den Schuldenanstieg mit der Wirtschaftskrise. Man hätte Investitionen vorgezogen, um Arbeitsplätze zu sichern und gleichzeitig eine Milliarde Euro an Einnahmen verloren.

Faktum ist: Wien wird am Ende des Jahres offiziell fünf Milliarden Euro Schulden aufweisen – die Verbindlichkeiten der ausgelagerten Betriebe noch nicht eingerechnet. Seit 2010 wurde die jährliche Neuverschuldung konsequent zurückgefahren (2016 muss laut Stabilitätspakt ein Nulldefizit erreicht werden), aber es bleiben fünf Milliarden Euro Schulden. Damit stellt sich die Frage: Welche Lösungen existieren, um sinnvoll zu sparen?

Ein zentraler Punkt sind die Pensionsprivilegien der Wiener Beamten. Während die anderen Länder die Pensionsreform des Bundes umsetzen, verweigert Wien das. Konkret wird die Pensionsreform für Wiener Beamte erst 2042 voll wirksam. Und das kostet den Wiener Steuerzahler insgesamt rund 350 Millionen Euro, hatte der Rechnungshof berechnet. Dazu kommt: Wiener Beamte gehen deutlich früher in Frühpension als ihre Kollegen im Bund. Konkret verabschieden sich etwa zwei Drittel der Wiener Beamten vorzeitig in den Ruhestand. Könnte diese Zahl z. B. durch gesündere Arbeitsbedingungen halbiert werden, würde sich die Stadt etwa 100 Millionen Euro jährlich ersparen.

Ein Sparpotenzial betrifft die großzügigen Geschenke, die die Stadt trotz angespannter Lage verteilt. Als z. B. 2010 der Schuldenstand explodierte, erhielten alle Bediensteten der Stadt trotzdem eine zusätzliche Woche Urlaub pro Jahr (ab dem 57. Lebensjahr). Das kostet jährlich zusätzliche 1,5 Millionen Euro. Dass Beamte nicht mehr während ihrer Dienstzeit bei voller Bezahlung für eine politische Partei arbeiten dürfen, wäre finanziell zwar nur ein kleiner, symbolisch aber ein großer Beitrag.

Vizebürgermeister ohne Amt

Ein teures anachronistisches Unikum sind die nicht amtsführenden Stadträte. Sie führen kein Ressort, haben keine Macht und besitzen nur ein paar Kontrollrechte. Sie verdienen dafür aber fast 8200Euro monatlich. Diese Proporzjobs gehen an die Opposition, abhängig von ihrem Wahlergebnis. Derzeit gibt es drei für die FPÖ und einen für die ÖVP. Und: Legt die FPÖ bei der Wien-Wahl stark zu (von 27 auf 34 Mandate), steht ihr sogar ein nicht amtsführender Vizebürgermeister mit entsprechendem Gehalt zu. Die Lösung: Die Kontrollrechte der Opposition ausbauen und die nicht amtsführenden Stadträte abschaffen. Zum Thema Sparen sei nebenbei erwähnt, dass sich Wien mit 26,8 Millionen Euro die höchste Parteienförderung aller Bundesländer (auch pro Kopf) leistet.

Großes Einsparungspotenzial liegt in der PR-Maschine des Rathauses. Innerhalb von zehn Jahren stieg das Budget des Presse- und Informationsdienstes der Stadt Wien (PID) von 27,5 Millionen Euro auf 51,9 Millionen Euro, um seitdem (2013) auf diesem Niveau zu bleiben. Hier sind noch nicht die 133 Millionen Euro eingerechnet, die die Stadt an den SPÖ-nahen Bohmann-Verlag für De-facto-Eigenwerbung der Stadt vergibt. Und auch nicht die 146 Millionen Euro, die der (nun ausgelaufene) Zehnjahresvertrag mit dem Compress-Verlag für die Wiener Auslandskommunikation gekostet hat.

Die Stadt-Wien-Firmen agieren bei externer PR und Consulting ebenfalls äußert großzügig. So verfügt z. B. der Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) über etwa 30.000 Mitarbeiter, darunter Spezialisten für nahezu alle Bereiche. Trotzdem fielen mit zuletzt 4,3 Millionen Euro in einem Jahr überdurchschnittlich hohe Kosten für externe Beratungsleistungen an, die großteils vom Magistrat gratis erledigt werden könnten. Wobei im Magistrat oft ein ähnliches Bild herrscht. Der Rechnungshof hatte bereits kritisiert: Die kostenlose Expertise eigener Experten wird ignoriert, teure Beratungsleistungen unnötig zugekauft. Ebenfalls symptomatisch für den „sparsamen“ Umgang mit Steuergeld: Die PR-Kampagne für die Befragung über die Neugestaltung der Mariahilfer Straße hat mit 850.000 Euro fast das Dreifache der Befragung selbst gekostet.

Keinen Sparvorschlag gibt es für ein spezielles Wiener Problem. Die Stadt hält rund ein Drittel ihrer Schulden in Franken. Mit dessen Aufwertung hat sich der Buchverlust de facto über Nacht um rund 300 Millionen Euro erhöht. Zwar stehen dem laut Stadt Wien Gewinne von 700 Millionen Euro aus der Vergangenheit gegenüber, aber die Franken-Kredite sind ein Problem, für das es heute nur zwei schlechte Lösungen gibt: Einerseits die Kredite in Euro konvertieren, womit ein Verlust von 300 Millionen Euro schlagend wird. Oder die Kredite verlängern und darauf spekulieren, dass der Franken-Kurs wieder sinkt. Wobei Zweiteres nicht in Sicht ist.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2015)

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