Grüner Vorstoß: Direkte Demokratie für alle – nicht nur Staatsbürger

Wer wohnt, soll mitreden: Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou will Volksbegehren und Volksbefragungen bei regionalen Themen auch für Nichtösterreicher öffnen.

Die Wiener Grünen und direkte Demokratie: Das ist, wie die jüngste Wiener Volksbefragung gezeigt hat, eine eher schwierige Beziehung – und ein Kapitel, über das Maria Vassilakou gern schweigen würde. Sollte man meinen.

Tatsächlich macht sich die grüne Vizebürgermeisterin aber Gedanken über eine Ausweitung des Mitbestimmungsrechts, die über die Demokratiedebatte im Bund hinausgeht: Auch Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft sollen an Volksbegehren und Volksbefragungen teilnehmen dürfen. „Wenn ich wissen will, was meine Bevölkerung denkt, will ich wissen, was meine ganze Bevölkerung denkt“, sagt sie.

Derzeit ist die Teilnahme an direkter Demokratie – genau wie das Wahlrecht – Staatsbürgern vorbehalten. Im Unterschied zu Wahlen oder zu Volksabstimmungen hätten Volksbefragung und -begehren jedoch (derzeit) keinen verbindlichen Charakter, argumentiert Vassilakou. Daran ändere auch nichts, sagt sie, wenn sich die Parteien politisch verpflichten, das Befragungsergebnis umsetzen. Vassilakous Forderung, die nur durch eine Verfassungsänderung im Bund umzusetzen wäre, birgt für Wien Brisanz: 21Prozent der Wiener im wahlfähigen Alter (Stand 2011) sind wegen fehlender Staatsbürgerschaft nicht wahlberechtigt. Immer wieder gab es rot-grüne Wiener Versuche, das Wahlrecht für die ganze Wohnbevölkerung zu öffnen (z.B. Gemeinderatswahl für EU-Ausländer). Vergebens. Derzeit sind übrigens zwei Klagen (z.B. von den Neos) beim Verfassungsgerichtshof anhängig, weil EU-Bürger bei der Wiener Volksbefragung nicht mitmachen durften. Erfolgschancen: gering.

„Kein Vorteil beim Parkpickerl“

Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk hält Vassilakous Vorstoß aber für diskussionswürdig. Er würde die Öffnungen jedoch auf EU-Bürger beschränken – „weil es hier Erfahrungen gibt“ (Wahlrecht in den Bezirken). Inhaltlich sei eine Eingrenzung der Mitbestimmung bei Alltagsthemen sinnvoll, wie etwa bei lokaler Raumplanung, kommunaler Bildungspolitik oder beim Parkpickerl. Von einer Öffnung bei bundesweiten Volksbefragungen hält er nichts. Auch Vassilakou ist auf Nachfrage vorsichtig. Vorerst gehe es nur um die kommunale und Landesebene, der Bund sei „gesondert zu betrachten“. Dass die Grünen von einer Öffnung der Mitbestimmung bei der jüngsten Befragung hätten profitieren können, bestreitet sie: Ob man für Parkpickerl oder Solarenergie sei, habe nichts mit der Staatsbürgerschaft zu tun. Im Büro der SPÖ-Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger kann man dem Vorschlag jedenfalls einiges abgewinnen. Auch die Bundes-SPÖ reagiert positiv – betont aber: Das gelte nur, sofern es um kommunale und Landesthemen gehe.

E-Mails an: ulrike.weiser@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.