Jenseitiger Briefwechsel vor Wahl in Kärnten

FPK-Obmann Scheuch schrieb in den "Kärntner Nachrichten" einen Brief an Jörg Haider - eine Eloge an die Leistungen des Verstorbenen und die Erfolge "seither" unter Auslassung des Hypo-Skandals.

Mein Freund Jörg!
Wenn ich, mein Freund, hier oben stehe, wo Gedanken ungestört schweifen können. Im gleißenden Licht eines kalten Wintertages , die Täler tief unten. Dann, mein Freund, denk ich an Dich. An gemeinsame Touren, an Kraftanstrengungen hier oben und da draußen, bei den Menschen in unserem geliebten Heimatland. Wir haben von einem freien Land geträumt! Von freien Menschen, die ohne Druck und ohne Zwang von Parteien leben, arbeiten, Familien gründen, Wohlstand schaffen sollten. So frei, wie wir hier oben waren! Viele Jahre sind seitdem vergangen, viel haben wir erreicht und uns bemüht, auch seitdem du fort gegangen bist! Wir sind ein stolzes Land, in dm es den Menschen gut, ja besser geht als noch vor Jahren. Wir haben gesunde Betriebe - es werden immer mehr, wie uns die Statistik zeigt. Die Arbeitslosigkeit liegt, gottlob, deutlich unter dem österreichischen Durchschnitt. Junge Menschen haben tolle Möglichkeiten, in Kärnten eine perfekte Ausbildung zu erhalten: Lehre mit Matura konnten wir durchsetzen. Die Qualität unserer Fachhochschulen wurde gesteigert. Unsere Universität und die übrigen Kaderschmieden blühen. Vielleicht gelingt es, auch eine medizinische Universität in Kärnten zu etablieren. Gerhard, Christian, Harald und ich - ja, wir arbeiten hart an dem Programm, das wir, mein Freund, gemeinsam geschrieben haben. Auch die Standorte unserer Krankenanstalten konnten wir erhalten; aus dem LKH haben wir das über unsere Grenzen hinaus sehr angesehene Klinikum Klagenfurt am Wörthersee gemacht. Es geht uns gut! Babygeld, Müttergeld - Du hast es erfunden - gibt es weiterhin für unsere Familien. Den Teuerungsausgleich (weißt Du noch, wie schwierig es war, das durchzusetzen?), das Jugendstartgeld, die Brennholzaktion kann sich Kärnten leisten! Denn wir haben gespart, wo es möglich war, um uns zu leisten, was wichtig ist! Wir haben überall in Kärnten gebaut, um die Wirtschaft anzukurbeln und Arbeit für Kärnten zu sichern. Der Koralmtunnel, für den wir gemeinsam gekämpft haben, wird Wirklichkeit. Unser Land rückt näher an die großen Zentren heran und bleibt doch so ursprünglich und schön, wie Du es wolltest. Wir sind 2013 sogar unter den Top -10 der besten Urlaubsregionen der Welt! Auf all das sind wir stolz! Gerhard, Harald, Christian und ich werden weiter arbeiten. Gemeinsam mit vielen, vielen Freunden im ganzen Land. Wir werden weiter bauen an einer guten Zukunft des Landes! Wir passen auf Dein Kärnten auf, mein Freund - der uns so fehlt!
Dein Kurt Scheuch
Landesparteiobmann der Freiheitlichen in Kärnten

Anm: Gerhard Dörfler, Harald Dobernig, Christian Ragger

In der "Kärntner Tageszeitung", vormals SPÖ-Parteizeitung, verfasste daraufhin Bertram Karl Steiner die „Antwort auf einen Brief ins Jenseits...". Darin bemüht er ebenfalls Jörg Haider, den er die Kritik am System Haider selbst zusammenfassen lässt. Steiner selbst wirft Scheuch vor, die „Etikette,die man im Verkehr mit Verstorbenen, also mit armen Seelen, einzuhalten hat, verletzt zu haben.
„Sehr geehrter Herr Scheuch! Zunächst ersuche ich Sie, die Floskeln beiseite zu lassen und sich auch des vertraulichen „Du" zu enthalten, das erinnert mich in meiner derzeitigen Situation im Purgatorium nur schmerzlich an die Zeiten unseres, leider gemeinsamen, Erdenwallens, für welches ich jetzt zu büßen habe. Sie werden dereinst auch noch zur Kenntnis nehmen müssen, dass Kraftmeiereien wie das Knutschen von Riesenschlangen und Vogelspinnen im Büro eines Amtsträgers des Landes Kärnten auf die hiesigen Hierarchien keinerlei Eindruck machen. Ich für meinen Teil bin in den Jahren nach meiner Amokfahrt auf der Rosentalerstraße zu der bitteren Erkenntnis gelangt, dass es vermessen wäre, auf unser gemeinsames Wirken damals auch noch stolz zu sein. Sie schreiben mir, dass Sie „oben" stehen und an mich denken (entsprechende Passage des Scheuch-Briefs, Anm.)Und dass wir von einem „freien Land geträumt" hätten, von „freien Menschen (siehe Brief). . . Seien wir doch ehrlich, Herr Scheuch, wir waren damals dort oben „so frei", uns das ganze Land Kärnten unter den Nagel zu reißen. Wir, der millionenschwere Forstwirt vom Bärental, also ich, und Sie, der Großlandwirt vom Sternhof, haben tatsächlich alles getan, die Leute von dem zu befreien, was Sie, Herr Scheuch unter „Druck" und „Zwang" der (anderen) Parteien verstehen. Sie vergessen freilich, dass wir diesen Leuten dafür die Allmacht unserer „Gesinnungsgemeinschaft" beschert haben.
Und diese war total. Wir brauchten uns keinem „Druck" und keinem „Zwang" mehr beugen. Gänzlich „frei" von Skrupeln konnten wir über „unser Kärnten" verfügen. Wir konnten Andersdenkende beleidigen und auffordern, Kärnten zu verlassen - mit tiefer Reue entsinne ich mich meines eigenen würdelosen Verhaltens gegenüber Valentin Oman, Giselbert Hoke, Cornelius Kolig, H.C.Artmann, Dietmar Pflegerl; ich bereue das infame Spiel, das „wir" mit den Landsleuten slowenischer Zunge getrieben haben, den Spott und Hohn, den ich anlässlich der Ortstafelverrückungen über sie ausgegossen habe, ich bereue den Schaden, den „wir" „unserem" Kärnten mit den Affären um die Hypo.-Bank zufügten, indem wir sie als „unsere" Privatbank verstanden und daher ausnahmen wie eine Mastgans, Wir bescherten den Käntner-innen ein Stadion, welches sie nie und nimmer zu füllen vermögen, bloß um „uns" ein Denkmal zu setzen und einen mittlerweile ramponierten Fußballverein. Und was ist mir da eingefallen, als ich die Bedürftigen vor mir antreten ließ, um von „mir" einen Hunderter zu kriegen, welchen ich natürlich aus dem Steuertopf organisiert hatte. Auf das alles sollen wir „stolz" sein? Ganz abgesehen von Ihrem persönlichen Verhalten, nachdem ich „fortgegangen" bin, wie Sie das in dem mir zugegangenen Schreiben ausdrücken. Herr Scheuch, verwechseln Sie doch Ihre alpinen Winterphantastereien nicht mit dem Himmelreich. Das hat schon mir nicht gut getan, als „wir" hart an dem Programm arbeiteten, das wir „gemeinsam" geschrieben haben.
Ich finde es keineswegs vornehm, dass Sie mich jetzt, ein paar Wochen vor den Landtagswahlen, mit Ihrem Brief gewissermaßen beschwören. Von meiner derzeitigen Warte aus betrachtet, durchschaue ich das sehr wohl: Sie wollen, dass der liebe Gerhard wieder Landeshauptmann wird, damit Sie es bleiben; und ich soll Ihnen vom Jenseits aus dabei helfen. Dazu sage ich Ihnen nur eines: Es gibt wohl einen Kärntner Himmel, von wo aus die heilige Hemma auf das Kärnten der Kärntnerinnen und Kärntner aufpasst. Es gibt aber auch ein Kärntner Purgatorium. Dortselbst müssen die büßenden Seelen so lange ununterbrochen „Pfiat di Gott, scheane Alm" hören, bis sie, einsichtig geworden, von ihrer Pein erlöst werden.
Sehr geehrter Herr Scheuch! Nehmen Sie sich das zu Herzen. . .Hiemit stelle ich unsere Korrespondenz ein.
Ihr J.H.

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