Niessl: "Dann hat die Koalition keinen Sinn mehr"

Hans Niessl
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Wenn die ÖVP weiterhin eine Steuerreform im nächsten Jahr ablehne, müsse die SPÖ ein Ende der Koalition in Betracht ziehen, sagt der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl.

Peter Rezar, Ihr Stellvertreter in der SPÖ Burgenland, hat Kanzler Werner Faymann Untätigkeit in der Debatte um eine Steuerreform vorgeworfen. Es soll daraufhin eine kleine Aussprache zwischen Rezar und Ihnen gegeben haben. Alles wieder gut?

Hans Niessl: Wir haben eine gemeinsame Linie gefunden. In der Sache hat Peter Rezar ja recht. Wir müssen den Mittelstand entlasten, daher brauchen wir eine baldige Steuerentlastung.

Sie fordern ein Konzept bis Jahresende, 2015 soll die Reform dann bereits in Kraft treten. Reden wir einmal über die Details: Wie wird der Steuerzahler davon profitieren?

Wir müssen zunächst den Eingangssteuersatz senken, von derzeit 36,5 auf 20 bis 25 Prozent. Das allein wird allerdings nicht ausreichen, um die kalte Progression abzubauen.

Soll es wieder mehr als drei Steuerstufen geben, also eine flachere Kurve?

Natürlich müssen wir über mehrere Steuerstufen reden. Das ist Verhandlungssache. In einem ersten Schritt sollten wir den Steuerzahlern aber einmal das zurückgeben, was dem Finanzminister in den vergangenen Jahren durch die kalte Progression zugeflossen ist.

Von welchem Volumen sprechen wir hier?

Es muss schon ein Paket sein, das vier bis fünf Milliarden Euro ausmacht. 2015 könnte man zwei Milliarden in die Hand nehmen, in drei Jahren noch einmal so viel. Das hat Karl Aiginger (Leiter des Wirtschaftsforschungsinstituts, Anm.) übrigens schon in den Koalitionsverhandlungen vorgeschlagen.

Und wie wollen Sie das finanzieren?

Die ersten beiden Milliarden könnten durch eine Besteuerung von Vermögen und Erbschaften ab einer Million Euro hereinkommen. Die nächsten beiden sollten sich dann selbst rechnen: Wenn Steuern gesenkt werden, steigt die Kaufkraft, dadurch nimmt der Staat mehr ein. Begleitend sollte es außerdem Reformen in der Verwaltung geben.

Das klingt alles so einfach, aber auch populistisch. Sie wissen, dass die SPÖ einen Koalitionspartner hat, der eine Steuerreform frühestens 2016 für finanzierbar hält und Vermögensteuern grundsätzlich ablehnt.

Vor einem Jahr hat die ÖVP beim Thema Steuerreform noch geschlossen aufgeheult. Mittlerweile ist ein Drittel der Partei dafür. Offenbar erkennen immer mehr, dass der Mittelstand über die Maßen finanziell ausgehungert wird.

Was geschieht, wenn die ÖVP-Spitze bei ihrem Standpunkt bleibt, dass eine Steuerreform nächstes Jahr noch nicht leistbar ist?

Dann wird innerhalb der SPÖ der Zeitpunkt kommen, in dem man zu dem Schluss kommt, dass diese Koalition keinen Sinn mehr hat.

Die SPÖ soll die Koalition beenden, wenn die ÖVP nicht nachgibt?

Wenn die ÖVP weiterhin darauf beharrt, dass 2015 gar nichts geht, Entschuldigung: Dann muss sich die SPÖ diese Frage natürlich stellen.

War die Neuauflage der Großen Koalition ein Fehler?

Es war pragmatisch die einzige Möglichkeit. Eine Dreierkoalition wäre noch komplizierter gewesen. Ich habe nur den Eindruck, dass die ÖVP insofern die Position der SPÖ ausnützt, als sie natürlich weiß, dass wir eine Koalition mit den Freiheitlichen ausgeschlossen haben.

Sollte die SPÖ diese Position vielleicht überdenken?

Es gibt einen Beschluss des Bundesparteitages – und der ist einzuhalten.

Theoretisch könnte man diesen Beschluss auch wieder aufheben. Würden Sie das befürworten?

Das ist Sache der Bundespartei.

Stehen Sie der FPÖ weniger kritisch gegenüber als die Bundespartei?

Man kann mit einem Andreas Mölzer oder einem Johann Gudenus, der sagt, jeder Arbeitsplatz in Wien, der nicht von einem Wiener besetzt wird, sei einer zu viel, keine Koalition eingehen. Das geht ja auch gegen die 30.000 Burgenländer, die in Wien arbeiten.

Man merkt, dass Sie schon im Wahlkampf für die Landtagswahl nächstes Jahr sind. Interessant ist, dass Sie den FPÖ-Chef gar nicht erwähnt haben. Ist Heinz-Christian Strache kein Ausschließungsgrund für Sie?

Es gibt jetzt keinen Anlass, über eine Koalition mit Strache zu diskutieren.

Schließen Sie die Freiheitlichen auch im Burgenland aus?

Sollte es Äußerungen geben, die in Richtung Gudenus gehen, werden wir auch im Burgenland keine Gespräche mit der FPÖ führen. Wenn nicht, werden unsere Mitglieder entscheiden, ob es nach der Wahl Gespräche mit allen im Landtag vertretenen Parteien geben soll. Wir planen gerade eine groß angelegte Befragung.

Und das Ergebnis dieser Mitgliederbefragung ist dann bindend?

Bei Befragungen haben immer die Befragten recht.

Apropos recht haben: Hat Peter Rezar auch recht, wenn er sagt, Faymann sei schuld am enttäuschenden EU-Wahlergebnis der SPÖ?

Auch das haben wir ausgesprochen: An einem Wahlergebnis ist nie nur einer schuld. Politik ist ja nicht so einfach.

Rezar ist seit 1999 Landesrat im Burgenland. Er müsste das eigentlich wissen.

Er hat in der Emotion etwas gesagt, das auch noch zugespitzt wurde.

War Eugen Freund der falsche Spitzenkandidat?

Ich habe bis jetzt noch keinen Namen gehört, der es besser hätte machen können.

Die EU-Wahl hat zumindest gezeigt, dass ein prominenter Frontmann allein keinen Unterschied macht. Das SPÖ-Ergebnis ist mit rund 24 Prozent nur marginal besser als vor fünf Jahren. Und damals ist man mit dem wenig glamourösen Hannes Swoboda in die Wahl gezogen.

Wenn man Freund mit Swoboda vergleicht, war Ersterer sogar ein hervorragender Spitzenkandidat. Swoboda ist ein absoluter Profi, ein allseits anerkannter Europapolitiker. Wenn man jetzt sagt, Freund hat nicht mehr geschafft als Swoboda, dann ist das eine Auszeichnung für Freund.

Eine interessante Schlussfolgerung. Eigentlich war man der Meinung, Freund wurde geholt, um der SPÖ mit seiner Bekanntheit zu Platz eins zu verhelfen.

Bekanntheit allein hat zumindest die Erfahrung kompensiert, die sich Swoboda über Jahrzehnte in der Politik erworben hat.

Sind Sie mit dem Wahlergebnis zufrieden?

Ich bin nie zufrieden, wenn die SPÖ nicht die Nummer eins ist. Die EU-Wahl ist für uns die schwierigste, trotzdem sind wir im Burgenland wieder stärkste Partei geworden. Das erwarte ich mir auch von der Bundespartei.

Was hat die Bundespartei falsch gemacht?

Wir wissen, dass die FPÖ im Finish zugelegt hat. Bei EU-Wahlen tut sich die SPÖ traditionell mit der Mobilisierung schwer. Da werden wir uns etwas einfallen lassen müssen.

Bei den Arbeitern bekam die FPÖ mit 46 Prozent beinahe doppelt so viele Stimmen wie die SPÖ. Dieser Trend war auch schon bei der Nationalratswahl zu beobachten. Was läuft da falsch?

Dieses Mal ging es natürlich um Europa. Die Leute haben den Eindruck, dass Geld nach Griechenland verschoben wird, während sie immer höhere Steuern zahlen müssen. Der Mittelstand blutet. Das ist eine wesentliche Erklärung für das Wahlverhalten.

In der Steiermark wurde die SPÖ erneut von der FPÖ überholt, nicht nur bei den Arbeitern, sondern insgesamt. Nachdem das auch schon bei der Nationalratswahl so war, taugt Europa eher nicht als Erklärungsmodell, oder?

Man sieht eben, dass gewisse Reformen von den Bürgermeistern nicht mitgetragen werden.

Sie meinen die Gemeindefusionen.

Zum Beispiel.

Wurden die Reformen schlecht umgesetzt?

Das müssen die Steirer selbst analysieren. Ich werden einem anderen Bundesland keine Ratschläge erteilen.

Steckbrief

Hans Niessl
ist seit Dezember 2000 Landeshauptmann des Burgenlandes. Nach dem Bank-Burgenland-Skandal und dem Rücktritt von Karl Stix gewann der relativ unbekannte Niessl überraschend die Neuwahl. Davor war er Abgeordneter und Klubobmann der SPÖ im Landtag bzw. Bürgermeister von Frauenkirchen (Bezirk Neusiedl am See).

Im Frühjahr 2015
bestreitet der bald 63-Jährige seine vierte Landtagswahl als Spitzenkandidat. Niessl ist auch stellvertretender Bundesparteivorsitzender der SPÖ, im ersten Halbjahr 2014 außerdem turnusmäßiger Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz.

Der Landeshauptmann
ist ausgebildeter Lehrer. Vor seiner politischen Laufbahn war er Hauptschuldirektor in Frauenkirchen. Niessl ist verheiratet und Vater eines erwachsenen Sohnes. APA

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2014)

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