Iran: Parlament fordert Höchststrafe für Demonstranten

 Polizei in Teheran
Polizei in Teheran(c) AP (Str)
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Die Oppositionsführer sollen sich von den Protesten distanzieren. Die Schwester von Aktivistin und Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi wurde verhaftet. Ebadi spricht von einem Einschüchterungsversuch.

Nach den gewaltsamen Zusammenstößen im Iran hat das von konservativen Abgeordneten dominierte Parlament die Höchststrafe für Demonstranten gefordert und die Oppositionsführer zur Zurückhaltung ermahnt. Bei Razzien wurden am Dienstag laut reformorientierten Internetseiten erneut Journalisten festgenommen. Zudem wurde die Schwester der iranischen Friedensnobelpreisträgerin und Anwältin Shirin Ebadi abgeführt.

Im Machtkampf mit der Opposition setzt die iranische Regierung jetzt auch auf Straßenproteste. Zehntausende Menschen hätten am Dienstag spontan demonstriert, um die Regierung zu unterstützen, meldete das Staatsfernsehen. "Wir sind bereit, unser Leben für den Obersten Führer (Ayatollah Ali Khamenei) zu opfern", riefen die regierungstreuen Demonstranten dem staatlichen Fernsehen zufolge. Wegen Beschränkungen in der Medien-Berichterstattung konnten der Umfang der Kundgebungen nicht von unabhängiger Seite bestätigt werden.

Höchststrafe für Demonstranten

"Das Parlament will, dass Justiz und Geheimdienste jene festnehmen, die die Religion beleidigen, und ohne Zurückhaltung die Höchststrafe über sie verhängen", hieß es in einer Erklärung, die Parlamentspräsident Ali Larijani im Fernsehen verlas. Dabei ließ er offen, ob damit die Todesstrafe gemeint ist. Das Parlament mache jedoch einen Unterschied zwischen "politischen Bewegungen, die die Reformer inmitten des Regimes" repräsentierten, sowie demonstrierenden "Konter-Revolutionären", sagte Larijani.

Etwas zurückhaltender im Ton richtete sich Larijani an die Oppositionsführer. Diese sollten sich von den Protesten distanzieren, forderte er. "Wir erwarten von diesen Gentlemen, die sich über die Wahl beschwert haben, dass sie aufwachen und sich deutlich von dieser gefährlichen Bewegung distanzieren." Die Oppositionsführer, die das Wahlergebnis der Präsidentschaftswahl vom Juni anzweifeln, sollten durch neue Äußerungen "nicht noch mehr Staub aufwirbeln". Die einhellige Kritik westlicher Länder am gewaltsamen Vorgehen der iranischen Sicherheitskräfte wies das Parlament als "abscheulich" zurück.

Ebadi-Schwester festgenommen

Die Anwältin Ebadi erklärte auf der oppositionellen Website rahesabz.net, ihre Schwester Nushin Ebadi, eine Medizinerin, sei politisch nicht aktiv. Mit der Festnahme solle vielmehr sie selbst gezwungen werden, ihre Aktivitäten zur Verteidigung der Menschenrechte einzustellen. Ebadi war 2003 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden. Sie hatte den Iran einen Tag vor der Präsidentschaftswahl im Juni verlassen und forderte die internationale Gemeinschaft seitdem immer wieder auf, gegen Menschenrechtsverletzungen in ihrer Heimat vorzugehen.

Den reformorientierten Websites rahesabz.net und parlemannews.ir zufolge nahmen die iranischen Behörden auch eine Frauenrechtlerin sowie fünf weitere Journalisten fest, unter ihnen der Vorsitzende des iranischen Journalistenverbandes, Mashallah Shamsolvaesin. Ein Schwager von Oppositionsführer Mir-Hossein Moussavi, Shahpur Kazemi, wurde laut rahesabz.net am Sonntagabend festgenommen und später gegen eine Kaution von 50.000 Dollar freigelassen. Am Montag waren nach Angaben oppositioneller Internetseiten mehr als ein Dutzend Regierungskritiker festgenommen worden.

Die Vereinigung Reporter ohne Grenzen verurteilte die Festnahme mehrerer Journalisten bei den blutigen Protesten im Iran. Die Regierung in Teheran wolle die "Augenzeugen des Blutbades vom 27. Dezember" einer Zensur unterwerfen, kritisierte die Vereinigung in Paris. Außerdem seien während der Proteste die meisten Internet-Seiten gekappt worden, die unabhängige Informationen verbreiten oder mit der Opposition in Verbindung gebracht werden.

Politischer Kurswechsel

Der außenpolitische Sprecher des Nationalen Widerstandrates Iran (NWRI), Mohammad Mohadessin, erwartet einen politischen Kurswechsel im Iran für das Jahr 2010. "2010 ist das Jahr des Wechsels, das gegenwärtige Regime hat keine Zeit mehr", erklärte der außenpolitische Sprecher der iranischen Exil-Oppositionsgruppe (Volks-Mujaheddin) am Dienstag gegenüber der APA.

Zudem erhofft sich der NWRI-Vertreter den "Start einer neuen Politik des Westens" gegenüber dem Iran. Der Westen dürfe das Regime in Teheran nicht weiter unterstützen, da die iranische Bevölkerung in den vergangenen Tagen gezeigt habe, dass sie einen "totalen Regimewechsel" anstrebten. Die USA und Europa müssten die angedrohten Sanktionen endlich umsetzen, so Mohadessin.

Bei den blutigen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Regierungsanhängern während des schiitischen Ashura-Festes waren am Sonntag laut amtlichen Angaben acht Menschen getötet worden, unter ihnen auch ein Neffe Moussavis. Laut NWRI wurden 20 Tote bestätigt. Mehr als 300 Demonstranten wurden festgenommen.

(Ag.)

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