Ein Hoffnungsträger zurück im brodelnden Ägypten

EGYPT ELBARADEI
EGYPT ELBARADEI (c) EPA (Khaled El Fiqi)
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Ex-IAEA-Chef ElBaradei bietet an, vorübergehend die Macht zu übernehmen. Unterdessen gibt es in Kairo wieder Zusammenstöße zwischen Polizei und Demonstranten.

Kairo. Sie ist symptomatisch für die Misere Ägyptens, die Geschichte des jungen Juristen im Hof der Anwaltskammer, dort, wo die „Stürzt Mubarak!“-Rufe der Demonstranten vor dem Tor nur noch leise zu hören sind und die Revolte eine kurze Pause macht. Muhammad Kamal sitzt zusammengesunken auf einem Schemel.

Schockiert wischt er sich mit einem Taschentuch das Blut aus dem Gesicht. Die lila-rote Schwellung an seinem Auge aber bleibt. „Ich habe versucht, eine Frau zu schützen. Polizisten haben auf sie eingeprügelt, als sie am Boden lag“, erzählt der Anwalt: „Dann sind sie zu siebt auf mich losgegangen und haben ,du Hundesohn‘ gerufen.“

„Wir haben die Würde abgelegt“

Kamal schüttelt den Kopf: „Jeden Tag trampeln sie auf der Würde der Menschen herum. Schau mich an, wie sie mich zugerichtet haben.“ Er blickt still zu Boden, bevor er fortfährt: „Solange es keine Gerechtigkeit gibt, geht es abwärts mit diesem Land, und am Ende auch mit Hosni Mubarak und denen, die hinter ihm stehen.“

Kamal arbeitet am Gericht und er hat genug von all den Bestechungen: Jeden Tag warten er und andere Anwälte vor den Türen der Richter, erzählt er. „Ich möchte das nicht mehr machen.“ Aber er sei dazu gezwungen, um seine Fälle erfolgreich abzuschließen: „Wir alle haben unsere Würde abgelegt.“ Mit dem Demonstrieren wolle er auf jeden Fall weitermachen. Was ihm heute widerfahren sei, habe ihn nur bestärkt.

Die Proteste gingen trotz der zahlreichen Verhaftungen und der wachsenden Brutalität des Polizeiapparates weiter. In Kairo und weiteren Städten kam es zu schweren Zusammenstößen. Neuerlich wurden auch Todesopfer gemeldet.

In der Stadt Suez wurde ein Gebäude der Regierungspartei angezündet und eine Polizeistation angegriffen. Die Polizei gab bekannt, seit Beginn der Proteste mindestens tausend Personen verhaftet zu haben.

„Mubarak muss gehen“

Am Donnerstag brachte sich auch der ehemalige Chef der Internationalen Atomenergiebehörde und Friedensnobelpreisträger, Muhammad ElBaradei, wieder ins Spiel. Der Oppositionspolitiker reiste von Wien nach Kairo, wo er von seinen Anhängern empfangen wurde. Vor seiner Abreise bekräftigte er, dass es für Präsident Mubarak Zeit sei, sein Amt abzugeben. „Wenn die Menschen auf der Straße es wollen, bin ich bereit, für eine Übergangsperiode die Macht zu übernehmen“, wurde ElBaradei vom arabischen Fernsehsender al-Arabiya zitiert. „Die Menschen in Ägypten haben die Kultur der Angst durchbrochen. Es gibt kein Zurück mehr.“

Die jugendlichen Demonstranten nutzen Blogs und Facebook, um ihre Aktionen zu planen. Via Internet werden Listen verteilt, wo nach dem Freitagsgebet demonstriert werden soll. Und auf diesen Listen finden sich sowohl bekannte Moscheen als auch Kirchen. Zumindest in der jungen Facebook-Generation zeigen sich Muslime und Kopten vereint gegen das verhasste Regime.

Die wenigen Erklärungen der ägyptischen Regierung zeugen von ihrem desolaten Zustand. Mubarak selbst schweigt. Am Nachmittag dementierte ein Behördensprecher Gerüchte, dass Mubaraks Sohn Gamal aus dem Land geflüchtet sei.

Die Regierungsmedien arbeiten hart daran, die Demonstranten zu diskreditieren. Mal wird ihnen vorgeworfen, sie seien von den Islamisten gesteuert, dann heißt es, sie seien nur auf das Stiften von Chaos aus. So meinte die Regierungszeitung al-Gumhouriya: „Demokratie bedeutet nicht, den Verkehr zu blockieren.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2011)

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