Falklandkrieg: "Heute hätten wir keine Chance mehr"

Falklandkrieg Heute haetten keine
Falklandkrieg Heute haetten keine(c) Wolfgang Greber
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Am 14. Juni 1982 endete der Krieg um die Falklandinseln mit der Kapitulation Argentiniens. Admiral Sir John "Sandy" Woodward, Befehlshaber der Schlachtflotte der Royal Navy, sprach mit der "Presse".

Admiral Sir John Forster „Sandy" Woodward war 1982, als Konteradmiral, Befehlshaber jener Schlachtflotte der Royal Navy, die geschickt wurde, um die am 2. April 1982 von argentinischen Truppen besetzten Falklandinseln (Spanisch: Islas Malvinas), seit 1833 britische Außenbesitzung im Südatlantik, zurückzuerobern. Am 21. Mai landeten bei Port San Carlos auf Ostfalkland britische Landstreitkräfte, die Argentinier gaben am 14. Juni nach heftigen Kämpfen und etwa 900 Toten auf beiden Seiten auf. Heute lebt Woodward (80) in dem pittoresken südenglischen Dorf Bosham nahe Portsmouth in einem alten Fischerhaus haarscharf an der Wasserlinie - jeden Tag schwappt dort die Flut an dessen Außenmauern, zieht sich wieder zurück und hinterlässt schräg im Sand liegende Boote. Dort sprach er mit der „Presse" über den Krieg, seine taktischen Lehren und Grausamkeiten, das Leben danach, den heutigen Zustand der Royal Navy und Margaret Thatcher.

Die Presse: Was ist Ihr erster Gedanke, wenn Sie „Falkland Islands" hören?

Sir John Woodward: Erinnerungen an Briefmarken, die waren sehr bunt. Ich hab früher Marken gesammelt, tu es immer noch. Die von den Falklands waren sehr hübsch, ich kannte die Marken als Acht- oder Neunjähriger, also wusste ich, dass es die Inseln gab. Viele Menschen wussten das nicht.

Und wenn jemand sagt „Islas Malvinas"?

Argentinien halt, so sagen die dazu. Ich hab damit kein Problem. Das kommt vom historischen Konnex mit Saint-Malo, den Siedlern von dort, den Malouines, also Franzosen, die Inseln wurden auch von Briten und Spaniern besiedelt. Sie haben eine seltsame Geschichte.

Was wussten Sie sonst noch von den Falklands vor 1982?

Sehr wenig. Und Sie?

Ich glaub gar nix, ich war 12 damals. Dann sah ich im TV Ihre Schiffe dorthin auslaufen. War beeindruckend, so wurde mir bewusst, dass es die Inseln gab.

Ich wusste, wo sie lagen, aber kannte ihre Geschichte nicht. Ich wusste nichts über die Menschen, wie das Land war, wie groß es ist. Dabei ist es etwa so groß wie Wales, also ziemlich groß.

1973, als Captain im Direktorat für Marineplanung im Verteidigungsministerium, verfassten Sie einen Bericht, wonach die Falklands nicht zu verteidigen seien...

Es ging weniger darum, dass sie nicht zu verteidigen gewesen wären, wir dachten vielmehr nicht, dass man das je müsse. Wir hatten dafür keine Pläne. Wir sahen keine Bedrohung. Im Ministry of Defence gibt es selten Notfallpläne für Gebiete, wo man seit langem nicht gewesen ist. Ein solches Gebiet waren die Falklands. Sicher hätte man sie verteidigen können, aber wir entschlossen uns, es nicht zu tun.

Also gab es auch 1982 keine Abwehrmittel. Wie sahen Sie die Chancen, sie zurückzuerobern?

Ich vermied es, der Frage zu viel Beachtung zu schenken, da ich wusste, dass man im Ministerium sowieso der Meinung war, dass es schwer, ja unwahrscheinlich sein würde. Es gab auch einen bemerkenswerten Mangel an Freiwilligen für die Führung der Task Force. Andere Offiziere wurden eingeladen und lehnten dankend ab. Ich war bemüht, nicht viel darüber nachzudenken, vor allem nicht negativ. Man konnte einfach nur sein Bestes tun. Und wenn alles gut wird, ist es gut, und wenn nicht, ist's halt schlecht. So denkt man im Militär: Man tut, was einem befohlen wird, man fragt nicht, ob man es tun soll. Und so sagte ich meinen Leuten auf dem Weg nach dort unten: „Wir fahren dorthin, um ihnen eine Abreibung zu verpassen. Tut euer Bestes und schaut, was geschieht."

Wieso wurden sie Kommandeur der Schlachtflotte?

Es gab primär drei Flaggoffiziere, kommandierende Admiräle zur See, die für den Job in Frage kamen. Aber einer hatte den Rang erst seit sechs Wochen und war schon seit zwei, drei Jahren nicht mehr auf See. Der andere hatte ähnliche Erfahrung wie ich, wenngleich er kein U-Boot-Mann war. Aber ich hatte ja Ende März schon zwei Wochen lang mit der Flotte auf dem Weg nach Gibraltar und dort Manöver durchgeführt, also war ich einfach den Falklands am nächsten. Da war die Sache ziemlich klar.

 Admiral Woodward (2. von links) auf der Admiralsbrücke der HMS
Admiral Woodward (2. von links) auf der Admiralsbrücke der HMS "Hermes". (c) Royal Navy/Imperial War Museum;

Sie hatten weder von Falklands noch vom argentinischen Militär viel Ahnung. Sie fuhren eigentlich ziemlich blank dorthin, nicht?

Ja, ungebrieft. Es war einfach: „Hier hast du dein Zeug, mach was daraus." Wir hatten keinen Operationsplan, der entstand erst auf Ascension (britische Insel im Mittelatlantik, Anm.). Ich hab ihn entworfen, ich glaube, es war das erste Mal, dass ein Krieg an genau dem Tag endete, an dem es der Plan vorsah. Ich sagte, er müsse bis Mitte Juni enden, und er endete Mitte Juni.

1982 hatte die Royal Navy 60 Zerstörer und Fregatten, 28 Jagd-U-Boote und zwei Flugzeugträger. Ihre Kampfgruppe, die am 1. Mai vor dem Inselhauptort Stanley eintraf, zählte neben den Trägern nur zehn Kriegsschiffe und drei U-Boote. Bis Kriegsende hatte man 25 Kriegsschiffe entsandt - davon sanken vier -, und sechs U-Boote. Wieso war Ihre Flotte eigentlich nicht größer?

Wenn sie ein Schiff 8000 Meilen entfernt dauerhaft stationieren wollen, brauchen sie dafür, das ist eine Daumenregel, insgesamt vier oder fünf davon im Inventar. Da sind Faktoren wie die Passagezeit: Es braucht für die Strecke etwa drei Wochen, bei Höchstgeschwindigkeit etwas weniger, das leiert die Maschinen aus, jedenfalls muss ein Schiff nach einiger Zeit zurück zur Überholung. Zu jeder Zeit sind ein oder zwei von fünf ihrer Schiffe in Überholung bzw. Reparatur, und eines könnte aus anderen Gründen nicht operativ einsatzbereit sein. Folglich sind in der Regel nur etwa zwei von fünf sofort einsatzbereit. Wir haben fast alles entsandt, was wir konnten. Und wir hatten ja andere operative Verpflichtungen auch, etwa im Nordatlantik. Die „Sheffield" etwa wurde vom Persischen Golf abgezogen. Wir hätten auch theoretisch niemals alle 60 Zerstörer und Fregatten zugleich entsenden und sie mehrere Monate vor Ort haben können: Irgendwann müssen sie nach Hause, und dann haben sie keinen Ersatz für sie vor Ort. Das ist das „Roulement"-Problem bei weit entfernten Operationen. Und der kritischste Faktor waren die Flugzeugträger: Wir hatten ja nur zwei.

Was war ihre größte Befürchtung bezüglich der Argentinier?

Das haben wir auf dem Weg nach unten gar nicht so gewusst. Es war weniger eine Frage der Furcht als der beträchtlichen Unkenntnis bezüglich (a) was hatten sie, und (b) was konnten sie damit anstellen? Meine Hauptsorge galt ihren luftgestützten Exocets: Wir wussten nicht sicher, ob sie sie einsatzbereit machen konnten. Wir wussten zwar, dass sie nur fünf besaßen, aber nicht, ob sie die mit ihren „Etendard"-Jets verbunden und damit geübt hatten. Aber jeder Krieg ist eine Frage von Versuch und Irrtum. Sie machen folgendes: Sie sagen „Ich habe alles beobachtet, ich versuche also etwas und schaue, ob es funktioniert, und wenn nicht, hör ich damit auf und versuche was anderes." Als Befehlshaber müssen sie sehr flexibel sein und aus Fehlern lernen, um Erfolg zu haben. Wenn etwas nicht funktioniert, hör auf damit! Nicht so wie etwa im 1. Weltkrieg, als General Haig an der Somme frontale Massenangriffe versuchte: Er scheiterte beim ersten Mal, tat es erneut und immer wieder, und scheiterte damit immer.

--> Video: "Bomb Alley" - Luftangriffe auf die Briten

Historisches Cover von Newsweek von der HMS
Historisches Cover von Newsweek von der HMS "Hermes", Woodwards Flaggschiff, Mitte April 1982. (c) Archiv/Newsweek;

Sie hatten es sehr auf den Träger der Argentinier abgesehen...

Ja, er ging uns durch die Lappen. Wir hätten ihn fast erwischt, aber der Grund, wieso es misslang, war der: Wir bekamen eines Tages von einem „Sea Harrier"-Jäger einen Bericht herein, wonach der ihn im Nordwesten ausgemacht hatte. Nun war ich aber an Bord des Trägers „Hermes" dahingehend gebrieft worden, dass die Radars der Harriers nicht recht funktionieren würden. Der Bericht aber kam von einem Harrier der „Invincible", und deren Harriers hatten diese Radarprobleme nicht: Die dort funktionierten! Tatsächlich hatte der Harrier Richtung UND Entfernung des Ziels gemeldet, aber bis der Bericht an Bord des Operationsraums der Hermes gekommen war, hatte irgendjemand die Entfernungsangabe gelöscht - weil die Harrier-Leute der Hermes nicht wussten, dass die Harrier-Radars auf der Invincible völlig okay waren, also hielten sie die Entfernungsangabe für Blödsinn. So hatten wir nur eine Richtung, keine Entfernung - damit können sie ihren schiffgestützten Raketen nicht sagen, wo der Träger ist, nur so ungefähr, und das reicht nicht. Wie auch immer, wir hatten Glück mit dem Träger: Er hatte Maschinenprobleme und machte daher nur 19 Knoten. Und dann war es an dem Tag, als sie von dort einen Luftangriff auf uns fliegen wollten, windstill. Daher konnten sie ihre voll beladenen „Skyhawk"-Bomber nicht starten und fuhren nach Hause. Die Flaute währte fünf Tage, sehr ungewöhnlich für die Gegend.

Ihre Harriers hingegen hatten mit der Windstille kein Problem, die brauchten keinen Gegenwind zum Abheben. Es gab noch viele andere Beispiele von Glück bei ihrem Feldzug.

Nun, Glück muss man halt haben. Sonst verliert man wahrscheinlich - wie die Argentinier.

Wieso gaben Sie eigentlich Captain Chris Wreford-Brown vom U-Boot „Conquerer" den Befehl, den Kreuzer „General" Belgrano zu torpedieren? (Von rund 1100 Mann Besatzung starben 323, die Aktion war politisch umstritten, Anm.). Der war nur mit Artillerie bewaffnet, nicht mit Exocets wie seine zwei Begleitzerstörer. Daher waren doch eigentlich diese die Hauptbedrohung, also wieso ging man nicht auf die los? Ihre Crew war auch viel keiner.

Also das hat mich bisher noch niemand gefragt. Ich habe Wreford aber gar nicht gesagt, er solle die Belgrano versenken! Meine Order wurde abgefangen und zuhause (von den Kommandostellen in London, Anm.) überschrieben. In der Tat hielt ich die ganze Belgrano-Gruppe für eine Gefahr, vor allem deren Zerstörer, wenngleich die Geschütze der Belgrano nicht unbedeutend waren. Mein Begriff „Belgrano-Gruppe" muss zu „Belgrano" verkürzt worden sein, jedenfalls erhielt Wreford-Brown den Befehl, die Belgrano zu versenken, vom Ministry of Defence, nicht von mir. Das Signal, das ich ans U-Boot-Funknetz abgesetzt hatte, wurde ja umgehend vom Chef der U-Bootflotte abgefangen, bevor es Wreford erhalten konnte. Dann ging man damit zu Thatcher, um grünes Licht zu holen, man sagte vielleicht noch „Belgrano Gruppe", ich weiß es nicht. Jedenfalls wurde meine Order als „Belgrano versenken" interpretiert. Doch wie dem auch sei, der Kreuzer war das fettere Ziel, es schien natürlich, ihn anzugreifen. Zumal ich wegen der schiffgestützten Exocets der Argies nicht so besorgt war, wir hatten die gleichen und wussten, wie man damit umgehen musste. Und so waren die Erfolge ihrer von Flugzeugen gestarteten Exocets in Fehlern unsererseits gegründet: Der Zerstörer „Sheffield" bekam sein „chaff" (Abwehrsystem, das mit einer Wolke aus Metallfolienstreifen ein Ziel für Radar unsichtbar machen soll, Anm.) nicht hoch, der Frachter „Atlantic Conveyor" hatte kein chaff, der Zerstörer „Glamorgan" war dumm.

Argentinische Infanteristen auf den
Argentinische Infanteristen auf den "Islas Malvinas" samt Pinguin. (c) Ejército Argentino;

Die Royal Navy litt eigentlich ziemlich heftig unter den Schlägen eines südamerikanischen Landes. Sie hätten den Krieg ja fast verloren!

Na ja, eben nur fast verloren, dabei geht es immer um abnutzungsbedingte Verluste. Sie bezahlen für Schiffe, Männer oder Land mit Schiffen, oder mit Männern für Flugzeuge oder wie auch immer, man bezahlt mit Leben und oder Material, um zu gewinnen. Es ist ein Abnützungskrieg. Ihr Hauptinteresse als Kommandant ist, sie vergleichen die Abnützung ihrer Kräfte mit der der anderen. Und es geht nur darum, am Ende Kräfte übrig zu haben wenn der andere nichts mehr hat und im Eck liegt. Das ist der ganze Trick im Krieg, darum dreht sich seine ganze brutale verdammte Existenz! Sie können nur versuchen, ihre Verluste so gut wie möglich zu minimieren, aber sie wissen, dass genau diese den Krieg antreiben.

Sie hatten ja auch Glück, dass die meisten Fliegerbomben der Argentinier nicht explodierten.

Ja, das war wegen mangelhafter Zündereinstellungen. Ihre Bomben waren dazu gebaut, von einer gewissen Höhe abgeworfen zu werden, sie machten sich erst einer Zeit scharf. Weil die Argentinier aber Angst vor unseren „Sea Dart"-Luftabwehrraketen hatten, flogen sie ungern in mittleren Höhen, wo Sea Dart am effektivsten war, sondern extrem tief - freilich waren fast alle ihrer Bomben nicht dafür eingestellt, so tief abgeworfen zu werden. Wenn sie als Tiefflieger Bomben werfen wollen, sollten die mit Bremsfallschirmen bestückt sein, damit sie in sicherer Entfernung hinter ihnen hochgehen und nicht ihren eigenen Flieger vom Himmel reißen. Aber die Argentinier hatten kaum fallschirmverzögerte Bomben, und so waren ihre Bombenangriffe Gottseidank entscheidend weniger wirksam, als sie es hätten sein können. Zudem haben die Piloten lange nicht bemerkt, dass ihre Bomben nicht hochgehen - zumindest nicht, bis die BBC das groß in den Nachrichten verkündet hat.

Die drei Bomben gegen den Zerstörer „Coventry" gingen dann aber hoch...

Das war ein wenig anders. Wenn sie eine 1000-Pfünder im Tiefflug gegen die Breitseite eines Schiffs werfen, wie etwa beim Zerstörer „Glasgow", durchschlägt sie meist den Rumpf, ohne zu explodieren. Coventry wurde vom Bug her angegriffen, also ihrer Länge nach. Die Flugbahn der Bomben ist dann länger, so haben sie Zeit, um scharf zu werden. Also zeig dich nicht von der Schmalseite! Dabei lautete bis damals der Lehrsatz, dass man sein Schiff dem Gegner bei einem Fliegerangriff schmalseitig präsentieren solle, es ist dann ein kleineres Ziel. Ich aber gab aufgrund unserer Erfahrungen die Order aus: „Zeigt ihnen eure Breitseite!"

Am Ende war ihre Flotte nach sechs Kriegswochen zu mehr als der Hälfte versenkt, beschädigt oder sonst technisch in Auflösung begriffen. Wie hätte das denn bitte in einem Krieg mit dem Warschauer Pakt ausgesehen?

Nun, da wäre die Royal Navy weitgehend auf die Sicherung der Routen über den nahen Nordatlantik beschränkt gewesen. Ein Dritter Weltkrieg wäre zudem wohl nach ein bis zwei Wochen vorbei gewesen, denn wenn die Russen Frankreich erreicht hätten, hätten die Franzosen Atomwaffen eingesetzt. Aber ja, so ein Krieg... ich kannte einen Typ namens Karendevich, Kapitän der sowjetischen Marine, ein Ukrainer. Ich hab ihn mal gefragt, was man bei ihnen über uns im Westen so lerne. Er sagte: „Dass sie an der Grenze stehen und eine gewaltige Invasion des Ostens planen." Ich erwiderte „Ach, das ist lustig. Uns sagt man dass sie dasselbe planen, nur in der anderen Richtung."

Aber wäre die Navy nach einer Woche im Dritten Weltkrieg noch über Wasser gewesen?

Oh ja! So lange hätten wir schon durchgehalten. Und wir hätten viele Schiffe nach Norwegen gebracht in die Fjorde, wo die Marinebomber der Russen von wenig Nutzen gewesen wären.

War es nicht risikoreich, die Landtruppen (3. Kommandobrigade und 5. Infanteriebrigade) auf nur zwei Transportschiffen nach Süden zu bringen? Verlier eines, und der Krieg ist vorbei...

Nein, weil wir die Transporter nicht in die vorderste Linie schickten. Die Männer auf der „Canberra" wurden ja weit östlich der Schlachtflotte auf die Landungsschiffe verteilt. Und die „Queen Elizabeth II." fuhr sogar bis Südgeorgien, wo man die Truppen umgeladen hat. Die Reichweite der Argentinier war sehr begrenzt und sie hatten keine Möglichkeit, unsere Transporter im Atlantik zu finden. Ihre Aufklärungskapazitäten reichten über etwa 800 Meilen vom Land entfernt nicht hinaus, und Satelliten hatten sie nicht.

Bezüglich des Unglücks von Fitzroy/Port Pleasant: Wieso war da nicht einmal ein einziges Kriegsschiff als Luftabwehr stationiert? (Bei einem überhasteten Landemanöver an der Ostküste der Falklands wurden am 8. Juni 1982 zwei Landungsschiffe von argentinischen Jets bombardiert. 56 Briten starben und etwa gleichviele wurden verwundet, meist Infanteristen der „Welsh Guards", es war der größte britische Einzelverlust in dem Feldzug).

Das hatte mehrere Gründe. Zunächst hatte ich dem Befehlshaber der Amphibischen Einsatzgruppe untersagt, dass er mehr als ein Landungsschiff gleichzeitig ohne Begleitschutz nach vorn schickt. Aber er schickte zwei los. Als ich das merkte, war das Wetter sehr schlecht. Also dachte ich, dass es mit Glück weiter so bleiben würde und die Argentinier nicht fliegen könnten. Dann klarte es auf, ihre Bodentruppen sahen die Schiffe aus weiter Entfernung und riefen die Flieger. Wäre ich voraussehender und scharfsinniger gewesen, hätte ich eine Jägerpatrouille über der Bucht kreisen lassen können. Aber selbst dann wären die Argies wohl durchgekommen, weil ihre Jets sehr tief flogen und schwer zu erkennen waren. Und wir hatten keine Frühwarnflugzeuge. Die Harriers konnten Tiefflieger schwer ausmachen. Die Hälfte unserer Jäger hatte überhaupt Problem mit dem Radar, die andere Hälfte interessanterweise nicht. Dabei waren alle Radars okay! Es war nur so, dass die 800. Staffel auf der Hermes sich entschlossen hatte, den Rat der 801. Staffel auf Invincible, wie man die Radars herrichten könne, zu ignorieren. Es hieß: „Ach, ihr wollt nur wichtig tun und Karriere machen indem ihr sagt, wie super ihr seid, aber wir glauben euch nicht!" Sharkey Ward war der leitende Harrierpilot der 801er, denen gelang es, im Vergleich zur Hermes komplett andere Flugzeuge zu fliegen! Allerdings wurde ich bezüglich der Harriers von den Hermes-Leuten beraten, und so blieb mir verschlossen, dass ich Allwetterjäger in meiner Flotte hatte, während ich glauben musste, über bloß Tag-taugliche, visuelle Abfangjäger verfügen zu können, weil das hat man mir auf Hermes so verklickert. Hätte ich als Flaggschiff die Invincible gewählt, wär einiges anders gelaufen! Aber es wäre immer schwer gewesen, Tiefflieger über dem Meer zu entdecken. Zudem war Sea Harrier als Waffensystem noch in Entwicklung und wir zogen damit in den Krieg. Dann geht alles Mögliche schief.

Buch
Buch "One Hundred Days - The Memoirs of the Falklands Battle Group Commander"(c) Harper Collins;



Was waren die militärischen Fehler der Argentinier?

Davon gab es viele. Etwa, dass sie ihren Bombern keinen Jagdschutz mitgaben. Das taten sie zunächst deshalb, weil ihre „Mirage"-Jäger bei den allerersten Luftkämpfen am 1. Mai gegen die Harriers ganz übel abgeschnitten hatten. Sie folgerten, dass die Mirage chancenlos gegen den Sea Harrier sei. Aber ohne Begleitschutz werden stattdessen die Bomber abgeschossen. Das begrenzt zusätzlich die taktischen Möglichkeiten, denn deine Bomber müssen jetzt erst recht extrem tief fliegen, sehr schnell, du knallst fast ins Meer, alles geschieht rasend schnell, du kriegt einen Tunnelblick und neigst dazu, das erstbeste Schiff anzugreifen, und das wird meist ein Zerstörer sein oder eine Fregatte, dabei wären andere weit wichtiger, nämlich die Träger und Truppentransporter. Es gibt auch die Theorie, dass nach dem ersten strategischen Bomberangriff auf Stanley am 1. Mai durch einen „Vulcan-Bomber" der RAF die Argentinier Angriffe auf Buenos Aires befürchteten und daher ihre Jäger zum Festlandschutz zurückhielten. Und so hatten ihre Bomber eine derart hohe Verlustrate, dass sie am Ende nicht länger als noch einige Tage hätten fliegen können. Stellen Sie sich vor, Sie sind Pilot und sitzen an einem Frühstückstisch, wo schon die Hälfte ihrer Kumpels fehlt.

Wie lebten sie eigentlich persönlich auf der Hermes?

Da war eine kleine Kabine, nicht ganz drei Meter zum Quadrat, mit einer noch kleineren Dusche, mit Bett, Tisch, Schrank, metallverkleidet. Ein paar Schritte weiter über den Gang war der Flagg-Operationsraum, der war wiederum getrennt von der eigentlichen Brücke des Schiffs, und von der ging ein kleiner Balkon aufs Flugdeck hinaus. Schlaf war übrigens selten, aber sehr einfach. In der Navy lernt man auch, wie man stehend schläft.

Sie schreiben in Ihrem Buch viel zum Thema Kriegsstress und seine Symptome. Litten sie darunter?

Nein, ich denke nicht.

Aber der Schiffsarzt meinte einmal, er habe an ihnen Vorzeichen von Stress bemerkt.

Na ja, der liebenswürdige Chefarzt der Hermes kam zu mir und wir sprachen über das Stress-Problem, das kann massive Folgen haben, wir hatten zuletzt einen Burschen gefunden, der wie ein Fötus im Mutterleib eingerollt unter einem Tisch kauerte. Nach Art aller Experten redete er zu viel, über 20 Minuten, und irgendwann gähnte ich. Da zeigt er auf mich und ruft: „Ah, das kann ein Indiz sein!" Aber wenn sie Kriegsstress entwickeln sind sie für gewöhnlich der letzte, der das merkt. Sie müssen jemanden anderen fragen, ob ich das damals auch hatte.

Wie nah schien Ihnen in ihrem Turm auf der Hermes der Tod zu sein?

Er war recht weit weg. Ich glaube, die meisten Soldaten gehen mit dem Gedanken in den Krieg, dass man eh nicht viel tun kann, wenn der eigene Name auf der Kugel eines anderen geschrieben steht. Sorg dich nicht zu viel, das ist Zeitverschwendung und bringt nichts Gutes. Ich dachte auch nicht übers Verlieren nach, das ist negatives Denken. Tu einfach dein Bestes.

Ein sichtbar angeschlagener Flugzeugträger
Ein sichtbar angeschlagener Flugzeugträger "Hermes", Flaggschiff der Falklandflotte, bei der Rückkehr in Portsmouth, 21. Juli 1982 (c) Archiv/Ministry of Defence;



Was war für sie das traurigste Ereignis?

Auf persönlicher Ebene wohl, als ich den Bericht über die Versenkung der Coventry las. Ihr Operation-Room war über dem Computerraum. Einer der Unteroffiziere, ich kannte ihn, wollte aus dem brennenden Computerraum klettern, dort hatten Bomben eingeschlagen. Er wollte durch die Luke steigen, aber die Flammen packten ihn und rissen ihn zurück ins Feuer. Da war noch ein anderer Fall, den ich bewusster erlebte als andere: Ich stand auf meinem kleinen Balkon auf der Hermes und sah einem Harrier zu, der davonflog. Wir ließen sie zuerst immer etwa 25 Meilen im extremen Tiefflug davonfliegen, um unter dem Radar der Argentinier zu bleiben. Sonst hätten die ja schließen können, dass wenn ein „Blip" eines Flugzeugs auf ihren Schirmen erscheint, der Flugzeugträger genau darunter sein muss. Jedenfalls setzte der Harrier weit draußen zu einer Kurve an, um hochzusteigen, dabei muss ein Flügel das Wasser gestreift haben. Jedenfalls war da plötzlich ein greller oranger Ball am Horizont. Zwei oder drei Sekunden lang, das war alles. Ich kannte den Piloten gut.

Gab es je eine Situation, die lustig war?

Man hat mich das schon öfters gefragt und ich sage meistens nein. Es gab zwar lockerere Situationen, aber nicht viele. Krieg ist ein ziemliches ernstes Geschäft. Es gibt zwar eine Art Humor, aber der tendiert dazu, sehr schwarz zu sein.

Sie hatten den Ruf eines ziemlich strengen Raubeins. Einmal haben sie die Royal Airforce schwer beleidigt. Was war da los?

Jesus Christus, die RAF! Es ging um deren „Nimrods" (Radar-Seeaufklärer). Sie operierten von Ascension aus und waren von begrenztem Nutzen. Einmal meldete eine Nimrod eine Gruppe von Fischern, die aber in Wahrheit Kriegsschiffe waren, und zwar, das wusste ich genau, meine eigenen! Also richtete ich der RAF aus, dass das nicht so wahnsinnig gut gewesen sei. Dann wieder meldete eine Nimrod eine Gruppe von Fischern, von denen ich wusste, dass es wirklich Fischer waren, als argentinische Zerstörer und Fregatten. Also richtete ich ihnen aus, dass sie wieder Scheiße gemeldet hätten, und dass sie mich mit ihren Radarbild-Interpretationen in Ruhe lassen sollten. Die glaubten, dass sie allein mit ihren Radars aus großer Entfernung sicher sagen könnten, was für Schiffe es sind, und so bat ich die Kerle, mit ihren Radarechointerpretationen aufzuhören, wenn sie bisher zu 100 Prozent falsch lagen. Der RAF gefiel das gar nicht, dass man ihr sagte, sie solle ihre Leute „abdrehen"... Die wollten dort einfach nichts über ihre Grenzen hören.

Sir John Woodward Ende der 1980 in Admiralsuniform.
Sir John Woodward Ende der 1980 in Admiralsuniform.(c) Royal Navy;



Am 8. Juni schrieben sie in ihr Tagebuch: „Ich sehe kein Ende des Krieges." Wenig später hatten sie einen Zornanfall weil sie meinten, die Landtruppen würden bloß herumhängen. Und dann war am 14. plötzlich alles vorbei. Überraschung?

Mir war bewusst, dass es unter Seestreitkräften die verbreitete Meinung ist, dass die Leute an Land zu langsam sind. Die Geschichte ist voller Beispiele von Leuten in meiner Position, die mit den Leuten an Land ungeduldig waren. Sie sollten nicht zu viel Tatsächliches in ein Tagebuch hineinlesen, das ist auch da zum Dampfablassen. Aber in der Tat, ich war extrem besorgt, dass der Landkrieg nicht schnell genug vorbei sein könnte, weil meine Schiffe schon mehr als zweieinhalb Monate auf See waren und bei der enormen Beanspruchung und weitgehend ohne Service am Auseinanderfallen waren. Hermes etwa, ihre Maschinen fuhren mit Schweröl, machte nur noch halbe Kraft. Sie wollen aber kein Flaggschiff, das nur noch halbe Kraft macht, sonst können sie im Ernstfall nur gehen, nicht rennen. Am 14. Juni hätten wir sieben Sea Darts feuerbereit haben sollen, aber es funktionierte nur eines. Und so war am 14. meine Angst, dass wenn die Kämpfe an Land nicht binnen weniger Tage beendet sein würden, wir den Landtruppen zuwinken und heimfahren müssten. Abgesehen davon brauchten wir hier noch für viele Monate nach der Landschlacht Kriegsschiffe und Luftabwehr, darunter mindestens einen Träger, bis wir das Flugfeld von Stanley so verbessert hatten, dass es für landgestützte „Phantom"-Jäger taugt. Das dauerte ein halbes Jahr.

Wie lange hätten Sie ihre Flotte noch zusammengehalten?

Bestenfalls eine Woche. Wenn die Argies auf uns gehaucht hätten, wären wir umgefallen. Aber sie hauchten nicht, die waren noch erschöpfter. Es war eine verdammt knappe Sache.

Auf wessen Konto ging die Rückeroberung der Falklands hauptsächlich? Auf Premierministerin Margaret Thatcher oder den damaligen First Sea Lord (Oberbefehlshaber der Royal Navy, Anm.) Sir Henry Leach, der ihr die Task Force im Grunde vorschlug?

Ich möchte nicht jemandem ein Verdienst zuschreiben und sagen, hier und da war ein solches, aber dort wiederum nicht. Leach, er ist tot, ein liebenswerter Mann, hatte gehört, dass sie (Thatcher und ihr Krisenkabinett, Anm.) darüber diskutierten, was man angesichts der drohenden Invasion am 2. April tun könne. Also ging er hin und sagte: „Well, Prime Minister, ich kann eine Flotte zusammenstellen und binnen 48 Stunden losschicken." Und Thatcher sagte: „Tun Sie es." Ich glaube, dass ihre Überlegungen simpel waren: Weil die Leute im Land sagten „Wir müssen was tun", wurde ihr klar, dass, falls sie nichts tut, sie die nächste Wahl verliert. Wenn sie was tut und verliert, verlöre sie die Wahl auch. Wenn sie was tut und Erfolg hat, gewinnt sie die Wahl. So geschah es. Also als Leach ihr sagte, man könne eine Flotte schicken, fragte sie nicht lange weiter nach, ob wir damit auch durchkommen würden.

Aber was wäre ohne diesen positiven Rat des First Sea Lord gewesen?

Keine Ahnung. Ich habe großen Respekt vor Frau Thatcher, sie war eine sehr gute höhere Führungskraft. Wir gingen einmal zu ihr in ein Meeting, es war lang nach dem Krieg und hatte damit nichts zu tun, sie sagte gleich zu Beginn: „Gut, ich habe alle Dokumente gelesen, wir werden dies und das tun." Wir saßen also an diesem langen Tisch im Kabinettszimmer, ich am kurzen Ende, sie ganz hinten am langen, und ich merkte, dass sie die Sache nicht verstanden hatte. Ich hob meine kleine Hand in die Höhe, sie drehte sich her, sah mich an - wenn Blicke töten könnten, wäre ich schon dreimal tot gewesen -, und ich sagte: „Entschuldigen Sie, Prime Minister, ich denke, Sie haben da was nicht ganz verstanden." Und so begann eine Diskussion, und am Ende sagte sie: „Danke, Gentlemen, ich werde jetzt dies und das tun." Und es war total verschieden von dem, was sie anfangs gesagt hatte. Sie war jemand, der, obwohl er sich schon entschieden hatte, seine Meinung im Licht besserer Beweise ändern konnte. Das ist eine gute Führungskraft! Sie war nicht zu voreingenommen von sich um zu glauben, sie sei unfehlbar. Und so was habe ich wiederholt bei ihr gesehen.

Der Herzog von Wellington erwähnte die „melancholische Natur des Sieges". Was empfanden Sie, als die Nachricht von der Kapitulation kam?

Sicher keine Siegerlaune oder Triumph, weil mein Job weiterging. Ich musste die Inseln sichern, „mein" Krieg hielt an. Mein Gefühl war: „Oh, das ist alles sehr schön für euch Lümmel an Land, euer Krieg ist vorbei, meiner nicht. Die können morgen wieder kommen!" Lyn Middleton, Captain der Hermes, schlug tatsächlich vor, wir sollten mit Hermes durch den Falkland Sound fahren, um allen zu zeigen, wie super wir waren. Ich sagte „Sicher nicht!"

Der Chef der argentinischen Militärjunta, General Leopoldo Galtieri (li.), und Brigadegeneral Mario Menéndez, Militärgouverneur der Falklands/Malvinas, Ende April 1982 nahe Stanley.
Der Chef der argentinischen Militärjunta, General Leopoldo Galtieri (li.), und Brigadegeneral Mario Menéndez, Militärgouverneur der Falklands/Malvinas, Ende April 1982 nahe Stanley. (c) Archiv/Ejército Argentino;



Sie schreiben in Ihrem Buch „One Hundred Days" sehr plastisch, wie Ihnen im Lager mit den Gefangenen mulmig zumute war. Das ist eine der lustigsten Passagen im Buch, Sie haben wirklich gezittert, nicht?

Nein, ich hab ganz sicher nicht gezittert! Ich hab in meinem Buch genau beschrieben, wie das war: Darin steht, dass ich ein, zwei Sekunden lang zögerte, ob ich aus dem Auto mit dem General (Jeremy Moore, Kommandeur der Landtruppen, Anm.) aussteigen sollte oder nicht. Ich neigte dazu, es nicht zu tun - immerhin war es ja so, dass kaum, dass wir ausgestiegen waren, eine Abteilung argentinischer Marines in voller Kampfmontur und perfektem Gleichschritt in Dreierreihen an uns vorbei stampfte, die sahen verdammt unbesiegt aus! Ich sagte zu Moore: „General, sind sie sicher, dass das gut geht?" Er antwortete: „Vertrau mir: Wenn sich Leute ergeben, haben sie keinen Kampfwillen mehr. Das ist immer so." Aber da waren Tausende dieser Kerle, und noch während wir mit dem Auto zum Flugfeld fuhren, wo man sie sammelte, kamen viele dazu, um ihre Waffen abzugeben. Da waren also haufenweise Waffen bei denen, ich fürchtete, dass einer versuchen könnte, den Krieg neu zu starten. Aber der General sagte, dass das nicht passieren würde.

Sie vermieden ein Treffen mit General Menéndez, dem argentinischen Befehlshaber Wieso?

Ach, wieso hätt ich den Typen sehen sollen. Vermutlich war ich sauer auf ihn, weil er verdammt sinnlos gehandelt hat und der Grund für so viele Tote gewesen war.

Am 4. Juli landeten sie in England. Wie hat man sie begrüßt?

Admiral Fieldhouse (operativer Befehlshaber der Royal Navy, Anm.) holte mich vom Flugzeug ab. Ich fragte ihn: „Wie werden wir das jetzt spielen?" Und er sagte: „Ganz zurückhaltend." Das war okay für mich. Ich wollte keine Berühmtheit sein, dafür ging ich nicht zur Navy. Ich hatte Triumphgeheul und laute öffentliche Auftritte und Feiern nicht nötig. Man kann den Tod von 900 Menschen nicht feiern.

Wie war es danach? Der Krieg muss für sie ein Höhepunkt ihres Lebens gewesen sein.

Das war er, ja. Nun, ich blieb in demselben Job noch für etwa ein Jahr. Sie schlugen mich vier Monate nach dem Krieg zum Ritter, beförderten mich acht Monate später zum Vizeadmiral, es war keine besonders einträgliche Zeit. Es gab viel zu tun, doch dem ganzen Vorbereiten auf einen Krieg mit der UdSSR fehlte die Wirklichkeit jenes Krieges, den ich geführt hatte. Wenn man aus dem Krieg kommt fühlt man sich etwas platt, nicht allzu interessiert. Alles scheint viel weniger Bedeutung als früher zu haben. Meine Frau sagte nach meiner Ankunft: „Du hast keine Ahnung, was für Probleme wir mit deiner Mutter hatten." Da gab es einen Bruch zwischen den Sichtweisen, während ich drei Monate im Krieg war, hat die Presse meine Mutter verfolgt. Meine Frau fürchtete, dass meine Mutter etwas Dummes sagen könnte. Die Aussicht vom Lehnstuhl zuhause und dem Operation-Room an der Front ist so verschieden...

Und plötzlich, 1989, war der Ostblock am Ende. Sie gingen in dem Jahr in Pension. Zufall?

Ich war Admiral und es wäre normal gewesen, bis 60 zu dienen. 1989 war ich 57, da boten sie mir noch einen Posten an: den des Militärgesandten bei der NATO in Brüssel. Ich lehnte ab. Oh, haben die dreingeschaut! Aber wissen sie, ich war im Krieg, die in Brüssel nicht. Der Typ, den ich ablösen sollte - er war von der RAF -, fuhr im gepanzerten Auto zur Arbeit. Ich dachte mir: „Leck mich, was ist da los? Ich will das nicht!" Also trat ich zurück. Wenn man in einem Krieg gefochten hat, verblassen andere Dinge in die Bedeutungslosigkeit. All das war natürlich komplizierter, als ich es sage. Es ist ein sehr komplexer Prozess im Kopf, aus einem Krieg heimzukehren und zu erkennen, dass viele Dinge daheim so abgekoppelt davon waren. Und du musst wieder profane Dinge machen. Es ist schwer, das mit Überzeugung zu tun.

Waren Sie je in Argentinien? Oder ein zweites Mal auf den Falklands?

Argentinien nein, Falkland ja. Nach 1982 hatte ich noch drei Jobs, darunter den des Vizechefs des Militärstabes für Einsätze. Teil der Arbeit war hinzufahren und nachzusehen, ob die auf den Falklands auch das gemacht hatten, was wir ihnen aufgetragen hatten, um die Inseln zu verteidigen. Es war 1985 oder 1986 und wir machten eine Hubschraubertour, einschließlich Westfalkland. Das ist so ein maßlos weites Land, und so schön, viel schöner als Ostfalkland. Auf dem Rückweg flogen wir entlang der Südostseite von Lafonia und über eine Insel namens „Bleaker Island" (etwa: „Insel der Trostlosigkeit"). Die misst drei Meilen mal eine halbe, und auf der Karte stand, dass es dort ein verlassenes Haus gebe. Aber wir sahen viele Schafe, also musste jemand auf sie schauen. Wir landeten und fanden das Haus bewohnt vor. Der Typ hatte seit 18 Monaten dort gewohnt, auf Dreijahresvertrag zur Schafzucht, und hatte den Vertrag um weitere drei Jahre verlängert. Ich fragte: „Was gefällt dir hier?" Er sagte: „Weil ich meine Ruhe hab. Das Versorgungsschiff kommt alle sechs Wochen, ich habe Funk und kann mit Stanley reden, was ich nie tue, aber für den Notfall ist es gut. Ich bin glücklicher als anderswo, und meine Frau ist auch hier." Wir tranken Tee, ich war fasziniert, weil verglichen mit Bleaker Island konnte es nirgends trostloser sein. Zuvor auf Westfalkland stiegen wir aus, im Nirgendwo, an einem sonnigen Tag. Meilen über Meilen bestes Gras, in der Entfernung Berge, wunderschön, friedlich, nur Vögel und Wasser, das flüsternd durch Bäche rinnt, blaues Wasser zwischen braunen Felsen, wunderschöne Farben, wie in Schottland. Der Hubschrauber flog fort und wir machten ein Picknick. Später hat er uns abgeholt.

Ich weiß, die Falklands sind sehr schön. Aber auch trostlos. War es richtig, um sie zu kämpfen?

Ja. Und heute, 30 Jahre später, zeigt sich, dass es noch viel mehr Wert hatte, als man damals ermessen konnte, weil die auf den Inseln aus sich so eine Erfolgsgeschichte machten. 1982 wussten sie, dass sie im Hinterhof der Welt waren und man sich in London kaum für sie interessierte - zumindest, bis das die Argentinier taten. Sie waren ein verlorenes Überseegebiet, heute sind sie eine lebendige Gemeinschaft, mit funktionierender Wirtschaft, sogar Exporten. Also war es das wert.

Sie haben viele schlechte Erfahrungen gemacht mit als modern gepriesenen Waffen wie Sea Dart und Rapier. Heute sagt man dasselbe über Systeme wie die „Viper"-Raketen auf den Typ 45-Zerstörern. Sind sie bezüglich der Versprechungen der Waffenschmiede skeptisch?

Bevor sie eine Waffe kaufen spezifizieren sie, was sie können soll. Aber sie werden sie in der Regel nie gänzlich erproben, weil das hieße, dass man Leute töten müsste. Also finden sie erst heraus, wie gut sie ist, wenn sie in die Schlacht ziehen. Krieg ist immer ein Experiment, du hast alle Gerätschaften, hoffst, dass sie was taugen, aber du musst erst herausfinden, ob sie was taugen - und meist stellst du fest, dass sie es nicht tun. Verkäufer blasen die Fähigkeiten ihrer Sachen auf. Ich war immer skeptisch. Den Leuten, die so was bauen, geht es vor allem darum, es zu verkaufen, nicht, ob ihr Leben davon abhängt. Daher schauen auch die Typ-45-Zerstörer auf dem Papier verdammt gut aus - aber wir wissen es nicht, bevor sie nicht wirklich gekämpft haben. Was hoffentlich nie passiert.

 Argentinische Kriegsgefangene in Stanley, 14./15. Juni 1982
Argentinische Kriegsgefangene in Stanley, 14./15. Juni 1982 (c) Ministry of Defence;



Moderne Kriegsschiffe scheinen im Vergleich zu ihren Weltkriegsvorgängern sehr verletzlich. Eine Rakete, ein oder zwei Bomben, und aus ist's. Haben Kriegsschiffe Zukunft?

Schiffe werden je nach den Waffen gebaut, die sie bedrohen. Im I. Weltkrieg war das vor allem die große Artilleriegranate, also brauchte man Panzerung. Die ist gegen Raketen nicht so geeignet, also nicht so wichtig. Heute konzentriert man sich auf Waffen, die die Offensivsysteme des Gegners auf große Distanz zerstören. Die beste Art, sich zu verteidigen, ist 300 Meilen entfernt, und in mehreren Schichten. Je weiter entfernt man anfängt, den Angreifer abzunutzen, und je mehr Schichten man hat, desto besser steht man am Ende da.

Es wirkt aber für Laien überraschend, dass ein, zwei Bomben ein Schiff zerstören können.

Würden die sehen, wie eine 1000-Pfünder-Bombe hochgeht, wären die gar nicht überrascht. Die reißt einem Schiff den Hintern weg, sozusagen. Schiffe ohne Hintern schwimmen nicht besonders gut. Eine Tausendpfünder ist recht beeindruckend, die macht viel kaputt. Wenn etwa hier in Bosham eine hochginge, wäre der Ort großteils in Trümmern, der Schaden erstreckte sich über Hunderte Meter in jeder Richtung.

Die Royal Navy hat nur noch 23 große Überwasserkampfschiffe und sieben Flotten-U-Boote. Da war Ihre Falkland-Flotte ja größer!

Die Frage als Politiker ist, was sich ein Land für seine Verteidigung leisten kann. Man muss aber auch das nationale Interesse einbeziehen: Großbritannien hängt entscheidend ab von Seetransport und Seehandel, in weltweitem Rahmen - meiner Meinung nach haben wir dafür wenig Bedarf nach einer Armee. Unser Hauptbedürfnis ist Abschreckung: Bösen Absichten gegen unsere globalen Handelsinteressen etwas entgegenzusetzen. Und dafür bedarf es einer Marine mit eigener Luftkomponente. Sie können sich nicht nur auf Flugfelder verlassen. Unsere Verteidigungspriorität sollten Expeditionsstreitkräfte haben, mithin die Möglichkeit, militärische Macht weltweit zu projizieren. Insgesamt gesehen hatte daher die „Defence Review" der Labour-Regierung von 1998 Recht: Sie initiierte die Beschaffung der zwei neuen großen Flugzeugträger der „Queen Elizabeth"-Klasse. Konservative hingegen verstehen das nicht. Erinnern sie sich an 1981, als Verteidigungsminister John Nott sagte: „Wir werden unsere beiden Träger verkaufen." Zum Glück haben die Argies vorher zugeschlagen, vier Monate oder so, sonst wären die Falklands heute die Malvinas.

Allerdings war es auch Tony Blairs Labour-Regierung, die 2002 entschloss, die Sea Harriers auszumustern, und das de facto 2006 umsetzte. 2010 wurden auch die übrigen Harriers ausgemustert, von der konservativen Regierung Cameron. Derzeit hat die Royal Navy überhaupt keine Trägerflugzeuge mehr...

Stimmt, aber der Hauptverantwortliche dafür wiederum, so vermute ich jedenfalls, war der Vizechef des Militärstabes von 2002, Jock Stirrup, ein RAF-Offizier. Die RAF hasst den Fleet Air Arm (Marineluftwaffe), weil letztere im Betrieb günstiger ist, doppelt so effektiv und global einsetzbar, all das ist die RAF nicht. Die RAF sieht den Fleet Air Arm als Bedrohung ihrer Existenz. Und die erinnern sich dort im Grunde immer noch daran, dass man sie erst 1918 geschaffen hatte, lange nach dem Royal Navy Air Service und dem Royal Flying Corps der Armee. Ich sage sogar eines: Die Air Force gehört aufgelöst!

Aber Großbritannien hat Pflichten in der NATO, und die ist vorrangig eine Landmacht...

Na und? Also wenn die ihr „Land-Zeug" machen wollen, sollen sie ihr Land-Zeug halt machen. Aber die Menschen, die das primär interessiert, leben auf dem Kontinent, nicht hier in Großbritannien. Wir haben uns nur wegen Hitler und wegen allem, das er ausgelöst hat, für die Landgeschichten interessiert. Aber das ist nicht unser Primärinteresse.

Männer des 45. britischen Marineinfanteriebataillons (45 Commando) auf dem Marsch Richtung Stanley, Anfang Juni 1982.
Männer des 45. britischen Marineinfanteriebataillons (45 Commando) auf dem Marsch Richtung Stanley, Anfang Juni 1982. (c) Ministry of Defence/Imperial War Museum;



In Abwandlung von Admiral Beattys Sager während der Seeschlacht vor Jutland 1916: „Was läuft heute falsch bei ihrer Navy?"

Ich denke nicht, dass so viel schief läuft. Wir sollten die zwei großen Träger ab etwa 2018 operativ haben, so große Schiffe hatten wir nicht seit Anfang der 1970er. Derzeit haben wir freilich weder Träger noch Flugzeuge, das ist die Schuld konservativer Regierungen. Konservative sind wirklich schlecht, was Verteidigung betrifft: Dazu muss man nämlich viel Geld für Material ausgeben, viel davon ist sehr schweres Zeug, und damit kauft man Wählerstimmen - aber die sind meist für Labour. Ein weiteres Problem ist das der Abschreckung: Man betreibt Abschreckung, damit ein Krieg gar nicht erst passiert. Aber wenn das funktioniert, und das hat es jetzt seit 30 Jahren, dann vergessen die Menschen das, weil sie glauben, Krieg kann nicht mehr passieren und man könnte die Abschreckung auch sein lassen. Erfolgreiche Abschreckung hat eine Art Selbstzerstörung eingebaut: Wer zu lange im Frieden lebt, vergisst die reale Möglichkeit des Krieges - trotz all der historischen Beispiele, die zeigen, dass es immer Krieg geben wird.

Könnte man die Falklands ohne Träger überhaupt noch zurückerobern?

Nein, keine Chance! Und das ist ganz sicher falsch mit der Royal Navy von heute: Sie kann keine Macht mehr projizieren, also ist sie wirkungslos. Allerdings haben auch die Argentinier keine richtigen Invasionskapazitäten mehr, und weder den politischen noch mentalen Willen dazu. Wir könnten jedenfalls keine Operation so wie 1982 mehr durchführen - aber die Notwendigkeit wird sich hoffentlich nicht ergeben.

Kürzlich wurde erstmals eine Frau Commander eines großen Kriegsschiffs, nämlich der Typ-23-Fregatte HMS „Portland". Ist das immer noch ihre Navy, mit Frauen am Steuerrad?

Es ist halt eine andere Navy. Ich nehme an, die Dame ist kompetent, sie hätte den Job nicht bloß deshalb bekommen, weil jemand Frauen als Kommandeur eines Schiffs will. Richtig oder falsch, ich weiß, es nicht; man wird es herausfinden, wenn sie in den Krieg ziehen.

Sie schreiben, dass der Falklandkrieg ihnen „Einblick in die Neigung nichtdemokratischer Regierungen zu Unmoral und Unehrlichkeit" gegeben habe. Halten sie demokratische Regierungen für stets tadellos und moralisch einwandfrei?

Nein, sicher nicht. Sehr wenige sind das. Die Demokratie wird von Politikern verdorben. In der Theorie verkörpern sie die Wählerschaft, aber Politiker neigen dazu, diese zu vergessen und zu tun, was sie für das beste halten - und zwar für sie selbst. Sie wollen vor allem an der Macht bleiben. Den Militärs sind sie übrigens im Grunde egal. Aber wir hatten Glück, dass wir seit Oliver Cromwell Mitte des 17. Jahrhunderts keinen General mehr an der Spitze des Landes hatten. Wir Briten sind nicht so für Militärputsche - vielleicht sollten wir das sein (lacht). Manchmal denke ich mir das. Aber nein: Militärs als Führer eines Landes, das haut nicht hin. Man sah das in Argentinien.

(c) Grafik Die Presse

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