7,8 Billionen Euro in Steueroasen

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Steueroasen sind für Kritiker eine Katastrophe für die Weltwirtschaft. Dem widersprechen Vertreter des Fürstentums Liechtenstein: Das Geld komme der Wirtschaft zugute.

Alpbach. Jersey, Bermudas oder Liechtenstein. Diese Länder haben zwei Dinge gemeinsam: Sie sind klein, und sie sind Steueroasen. Insgesamt zählt John Christensen weltweit 72 Steueroasen („tax havens“). Und ständig werden es mehr. Diese Länder mit sehr niedrigen Steuersätzen und meist fehlenden Regulierungen seien keine Marginalie im weltweiten Wirtschaftsgeschehen, warnte der britische Experte bei den Alpbacher Reformgesprächen. Vielmehr seien sie „zentraler Bestandteil“ der globalisierten Finanzmärkte – „Satelliten“ der großen Finanzzentren London, New York oder Zürich.

Christensen, Direktor des „Tax Justice Network International Secretariat“ in London, hat herausgefunden, dass über die Hälfte der internationalen Kreditströme, ein Drittel der ausländischen Direktinvestitionen sowie über 50 Prozent des Welthandels am Papier über Steueroasen geschleust werden. „Diese haben auch ein große Rolle bei der Kreditkrise gespielt“, betont Christensen.

Dieses Beispiel zeige, wie desaströs Steueroasen sind. „Das ist eine Welt ohne Regeln“, sagt er. „Steueroasen sind ein Krebs, der durch die Venen des Kapitalismus fließt.“ Den Finanzministern anderer Staaten entgehen riesige Beträge: Christensens Schätzungen zufolge wurden zumindest 11,5 Billionen Dollar (7,8 Bio. Euro) an privaten Reichtümern in Steueroasen verschoben. Somit werden jährlich 255 Mio. Dollar an Steuern „gespart“. Dazu kommt, dass in diesen Oasen Geld weißgewaschen werden kann.

Ganz anders sah das am Dienstagabend Prinz Nikolaus von und zu Liechtenstein, Botschafter Liechtensteins bei der EU und Chefverhandler für Wirtschaftsabkommen. „Moralische Vorwürfe an Steueroasen gehen fehl“, sagte er. Zudem sei es unakzeptabel, Steuer-Interessen mit nicht stichhaltigen Geldwäscherei-Vorwürfen zu verquicken.

„Man sollte uns nicht als Hort allen Übels bezeichnen“, sagt Liechtenstein. Der Prinz sieht gar Vorteile für Europa. „Ist europäisches Geld in Liechtenstein oder der Schweiz geparkt, wird es zu erheblichem Teil wieder in den europäischen Investitionskreislauf finden. Oft wird es sogar schlussendlich zu höheren Steueraufkommen beitragen, als wenn es zu Hause geblieben wäre“, argumentiert er.

Liechtenstein bietet nicht im Land tätigen Unternehmen („Offshore-Gesellschaften“) niedrige Steuersätze, lässt auch Stiftungen mit nicht gemeinnützigen Zwecken zu und sichert den Kunden durch ein rigides Bankgeheimnis höchste Diskretion. Steuerdaten werden praktisch nicht an ausländische Behörden weitergegeben. Umso größer war und ist der Skandal, als heuer eine DVD mit tausenden Kunden aus Deutschland oder Österreich öffentlich wurde. Und: Steuerhinterziehung ist in Liechtenstein keine Straftat.

Für Christensen sind solche Zustände jedenfalls unerträglich. Er hat 14 Jahre als Wirtschaftsberater auf Jersey gearbeitet und dabei im Detail studiert, wie über Steueroasen Steuern hinterzogen werden. In Alpbach illustrierte er das am Beispiel des weltweiten Bananenhandels – ein Geschäft mit einem Jahresumsatz von 50 Mrd. Dollar. Die Produzenten bekämen für ein Kilo 13 Pence, der Verkaufspreis in Europa liege bei 60 Pence. Versteuert wird exakt ein Pence. Der Großteil der Wertschöpfung geschehe über Steueroasen. So würden etwa Logistik-Systeme auf den Cayman Islands, Finanz-Dienstleistungen in Luxemburg oder Versicherungen auf der Isle of Man genutzt. „Mehr als die Hälfte der Wertschöpfungskette wird in Steueroasen abgerechnet.“

Druck auf Steueroasen steigt

Der Druck auf Steueroasen steigt aber – auch der Skandal um die Liechtensteinischen Steuerdaten zeigt Wirkung: Das Fürstentum verhandelt aus Sorge um die Reputation mit der EU über neue Doppelbesteuerungs-, Rechts- und Amtshilfeabkommen. Letzteres allerdings nur auf Anfrage anderer Staaten bei begründetem Verdacht. Christensen fordert, dass die Daten automatisch ausgetauscht werden, so wie es in der EU üblich sei. Diese Kritik perlt an Lichtenstein ab. „Es bedarf einigen schlechten Willens, uns jegliche Kooperationsbereitschaft abzusprechen.“

Am Status quo in Liechtenstein soll nicht gerüttelt werden. „Zurückzuweisen ist der Vorwurf, liechtensteinische Banken würden systematisch zur Steuerhinterziehung anstiften oder dazu Beihilfe leisten.“ Nachsatz: Natürlich gebe es Grenzfälle bei der Kundenbetreuung, wenn es um die Diskretionswünsche der Kunden gehe. Er betont, dass auch der Schutz der Kunden beachtet werden muss. „Ein Individuum hat Rechte gegenüber dem Staat.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2008)

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