Geld für Sozialhilfe: Zahlen, aber nicht mitreden

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Zwei Geschäftsstellen, kein Verbandskassier: Der Rechnungshof zeigt beispielhaft Fehlentwicklungen in der Sozialbürokratie auf.

[Wien/Bruck an der Mur] Wer zahlt, schafft an: Dieses Prinzip wird in Österreichs Bürokratie außer Kraft gesetzt. Es geht dabei nicht um den seit Jahren erfolglos kritisierten Umstand, dass der Bund zwar die Pflichtschullehrer zahlen darf, aber bei deren Einstellung wenig mitzureden hat. Ähnliches findet sich in der Sozialbürokratie. Einem negativen Musterbeispiel hat sich der Rechnungshof ausführlich gewidmet. Anhand des Sozialhilfeverbandes Bruck an der Mur lässt sich ablesen, was schiefläuft.

Mit Ausgaben von 75 Millionen Euro ist diese Einrichtung zwar nur ein Miniteilchen im heimischen Sozialwesen, wo allein der Bund für die Pflege rund zwei Milliarden Euro ausgibt. Allerdings zeigt das Kontrollorgan dort exemplarisch Fehlentwicklungen auf: Parallelstrukturen ohne klare Arbeitsteilung, rasant steigende Kosten, ohne dass die Gemeinden als Mitglieder des Sozialhilfeverbandes beim Vollzug mitwirken konnten. Hauptsache, sie zahlten.
21 Gemeinden mit rund 63.000 Einwohnern sind im Sozialhilfeverband Bruck an der Mur zusammengeschlossen. Allerdings hapert es, wie der Rechnungshof in einem Prüfbericht bemängelt, bei der Organisation. Denn die Verantwortung für die Finanzierung der Sozialhilfe, der Behindertenhilfe und der Jugendwohlfahrt oblag zwar dem Sozialhilfeverband, für den Vollzug waren aber die Bezirksverwaltungsbehörde zuständig. Zahlen durften brav die im Verband organisierten Gemeinden, bei der Vollziehung konnten sie nicht mitwirken. Die Kontrolloren formulierten dies treffend so: Sie hatten „bei diesen Aufgaben lediglich die Funktion einer Zahlstelle“.

Finanzielle Engpässe

Gezahlt wurde nicht zu knapp. Schließlich schossen die Ausgaben des Sozialhilfeverbandes innerhalb von fünf Jahren – zwischen 2005 und 2010 – immerhin um mehr als 70 Prozent auf 74,7 Millionen Euro in die Höhe. Erst nachdem die Soziahilfeumlage verdoppelt worden war, konnte der Verband die Ausgaben im Jahr 2010 überhaupt decken. In den Jahren 2008 und 2009 wurden Abgänge von insgesamt 2,6 Millionen Euro verzeichnet.
Dabei existierten Parallelstrukturen: Gemäß dem steirischen Sozialhilfegesetz war die Geschäftsstelle des Verbandes bei der Bezirkshauptmannschaft Bruck eingerichtet. Neben der Geschäftsstelle bestand allerdings auch noch eine Geschäftsführung als „weitere Verwaltungseinheit“. Zwar gab es in der Praxis eine Aufgabenteilung zwischen Geschäftsführung und Geschäftsstelle. Dabei gab es jedoch einen argen Schönheitsfehler: Denn diese Aufgabenteilung entsprach weder den Verbandsaufgaben noch dem Kostenersatz, der zwischen der Sozialhilfeeinrichtung und dem Land Steiermark vertraglich festgelegt werden sollte. Selbst bei den Prüfungen durch die vom Verband vorgesehenen Prüforgane gab es Schwierigkeiten: Denn die „fehlende Einsicht“ in die Sachentscheidungen des vom Verband finanzierten Aufgabenbereichs der Bezirkshauptmannschaft habe die Tätigkeit des Prüfungsausschusses „erschwert“.

Mit den gesetzlichen Bestimmungen nahm man es offenbar alles andere als genau: Beim Sozialhilfeverband Bruck waren eine Verbandsversammlung, ein Verbandsvorstand, ein Verbandsobmann sowie ein Personal- und Prüfungsausschuss eingerichtet. Während jeder kleine Sparverein entsprechende Vorkehrungen trifft, wurde im Sozialhilfeverband Bruck, wie im Rechnungshofbericht festgestellt wird, trotz eines Verbandsbudgets von zuletzt immerhin 85 Millionen Euro kein Kassier bestellt, dem die Verantwortung für die Kassengebarung und die Buchführung oblag.

Sogar Gesetzesverstöße wurden in Kauf genommen. Denn entgegen den gesetzlichen Vorgaben wurden weder der Nachtragsvoranschlag noch der Rechnungsabschluss in einer öffentlichen Versammlung des Verbandes beschlossen oder Entwürfe vorher zur öffentlichen Einsicht aufgelegt.

Lockerer Umgang mit Budgets

Bei der finanziellen Gebarung nahm man es trotz des Budgets mit hohem zweistelligen Millionenvolumen recht locker. Eine Bedeckung sämtlicher Ausgaben war auch im Nachtragsvoranschlag 2006 bis 2008 nicht gegeben. Über mehrjährige Finanzvorschauen verfügte der Verband nur für bauliche Investitionen wie etwa Heime, nicht für die anderen Aufgabenbereiche. Wegen der angespannten finanziellen Situation musste der Verband Überschüsse aus dem Betrieb der Pflegeheime in Höhe von 2,1 Millionen Euro einsetzen, um sonstige finanzielle Löcher und Verbandsaufgaben abzudecken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2012)

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