Alois Stöger: Alarm wegen Ausbildung für die Pflege

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Gesundheitsminister Stöger setzt eine EU-Richtlinie um, aber mit sieben Jahren Übergangszeit. Der Staat erspart sich damit Kosten für den Einsatz von besser ausgebildetem diplomiertem Personal in öffentlichen.

Österreich zieht bei der Matura als Voraussetzung für den gehobenen Dienst bei Gesundheits- und Pflegepersonal nach. Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) hat im Frühjahr eine entsprechende EU-Richtlinie unterschrieben. Eitel Wonne herrscht deswegen nicht. Der Grund: Für die Umsetzung der Richtlinie hat sich Österreich eine Übergangsfrist von sieben Jahren gelassen.

Eine der Konsequenzen betrifft die Finanzen: Der Staat erspart sich damit Kosten für den Einsatz von besser ausgebildetem diplomiertem Personal in öffentlichen Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Die Bundessektion der sozialen Pflegeberufe in der Gewerkschaft öffentlicher Dienst und ihr Vorsitzender Johann Hable machen dagegen mobil, weil die gehobene Ausbildung damit für Jugendliche und Maturanten weniger attraktiv sei: „Die gehen uns verloren“, beklagt er im Gespräch mit der „Presse“.

Stöger: Sieben Jahre sind „geeignet“

Beim zuständigen Regierungsmitglied prallt die Kritik an der gewählten Vorgangsweise ab. Gesundheitsminister Stöger verteidigt seine Position: Die Neuregelung würde jedenfalls „eine Übergangsfrist brauchen“. Aber wieso es eine derart lange Übergangsphase gebe? „Sieben Jahre sind als geeignet angesehen worden“, lautet Stögers Antwort dazu auf Anfrage der „Presse“.

Die Neuregelung der Ausbildung wird von Experten als eine Notwendigkeit gesehen, um dem Mangel an Personal im Kranken- und Pflegepersonal zu begegnen. Bisher waren Deutschland und Österreich Nachzügler bei der Umsetzung der EU-Richtlinie, mit der die Matura zur Voraussetzung für den gehobenen Dienst, etwa für Krankenschwestern, gemacht wird.

Zwar wird auch von Kritikern anerkannt, dass die jetzige Ausbildung in Österreich nicht schlecht sei. Angesichts des Umstandes, dass immer mehr Mädchen und Burschen mit einer Matura abschließen wollen und insgesamt die Wirtschaft nach gut ausgebildeten Fachkräften sucht, werden aber durch die siebenjährige Übergangsfrist vermehrt Probleme beim Nachwuchs von diplomiertem Personal befürchtet.

„Das kann man sich nicht leisten“

In diese warnenden Stimmen mischt sich auch Gewerkschaftsvorsitzender Hable: „Da ist dringender Handlungsbedarf gegeben.“ Sonst drohe Österreich ein „Pflegekollaps“. Er warnt mit Nachdruck vor mittel- und längerfristigen negativen Folgen für Österreichs Gesellschaft: „Das kann man sich nicht leisten.“ Für ihn handelt es sich um eine kurzsichtige Politik, wenn der Umstieg auf die Matura als Voraussetzung noch sieben Jahre hinausgeschoben wird. „Die sehen immer nur das Geld“, wettert Hable in Richtung der zuständigen Politiker.

Der Gewerkschafter schlägt vor, dass alle Pflegekräfte in einem durchgängigen Modell ausgebildet werden, in dem in Modulen die Ausbildung stetig ausgeweitet wird. Er hält das verstärkte Augenmerk auf genügend gut ausgebildetes Personal im gehobenen Gesundheits- und Krankendienst auch deshalb für notwendig, weil in vielen regionalen Krankenhäusern nicht genügend Jungärzte für diverse Tätigkeiten zur Verfügung stünden. Diplomiertes Personal müsse an deren Stelle bestimmte Aufgaben, wie das Anhängen an Infusionen, übernehmen.

Hable kündigt an, man werde deswegen weiter bei den Politikern vorstellig werden. Er nimmt dabei im Gespräch mit der „Presse“ allerdings nicht nur die Bundespolitik in die Pflicht, sondern speziell auch die Landespolitiker und vor allem die Landeshauptleute. Diese müssten eigentlich dafür sorgen, dass es in jedem Bundesland eine Fachhochschule für eine adäquate Ausbildung im Gesundheits- und Pflegebereich auf diesem hohen Niveau gebe. Denn: „Die haben für alles andere Geld, aber die Pflege fällt da durch“, wettert der Gewerkschafter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2012)


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