Slowakei: Erzbischof wegen Arbeit für KP-Geheimdienst unter Druck

Jan Sokol soll andere Würdenträger ausspioniert haben.

Bratislava. Katholische Kirche und kommunistischer Geheimdienst waren sich auch in der früheren Tschechoslowakei nicht so fern, wie man annehmen könnte. Je mehr über diese unseligen Kontakte bekannt wird, desto größer wird der Druck auf einen der mächtigsten und umstrittensten katholischen Geistlichen der Slowakei.

Jahrelang hatte sich der Erzbischof von Trnava-Bratislava (Tyrnau-Preßburg), Jan Sokol (73), schlicht geweigert, zum Verdacht Stellung zu nehmen, er habe mit dem kommunistischen Geheimdienst StB („Staatssicherheit“) zusammengearbeitet. Man sei damals „nicht Täter, sondern Opfer“ gewesen, lautete die offizielle Position der katholischen Amtskirche. Sokol selbst fand es nicht nötig, dem etwas hinzuzufügen.

Doch inzwischen haben sich seine Position und seine Glaubwürdigkeit dramatisch verschlechtert. Auch hohe kirchliche Würdenträger haben öffentlich angedeutet, dass ein klärendes Wort Sokols allmählich angebracht wäre. Und die Medien fragen schon gar nicht mehr ob, sondern nur in welchem Ausmaß Sokol mit der tschechoslowakischen Stasi kollaboriert habe.

Bischof: Stasi-Kontakte „erzwungen“

Zumindest Kontakte zu Stasi-Mitarbeitern musste Sokol nun sogar erstmals selbst einräumen. In einer von der Katholischen Bischofskonferenz in seinem Namen veröffentlichten Stellungnahme schränkte er aber zugleich ein, seine Treffen mit StB-Leuten seien „erzwungen“ und für ihn „erniedrigend“ gewesen. Außerdem hätte er dabei stets die Interessen der Kirche geschützt. Unter anderem habe er nur unschädliche Informationen weitergegeben, und damit die Staatssicherheit von Grundlegenderem „abgelenkt“.

Bisher hatte er verlesen lassen, er habe „keinerlei Berichte, weder mündlich noch schriftlich“ an die StB weiter gegeben. Dass es sich bei Sokol nebenbei auch um die herausragendste Symbolfigur für strenge moralische Ermahnungen und den starken klerikalen Einfluss auf die Politik der Slowakei handelt, trägt nicht gerade dazu bei, dass er viel Verständnis in der Öffentlichkeit findet.

Falke gegen „unchristliche“ Umtriebe

Mit nicht immer zimperlichen öffentlichen Verurteilungen und Verbotsforderungen gegen „unchristliche“ Kulturveranstaltungen, vor allem aber unverhüllten Wahlempfehlungen gegen fast alle politischen Parteien außer der klerikal-katholischen Christdemokratischen Bewegung KDH und der rechtsextremen Slowakischen Nationalpartei SNS hat er sich genug Feinde geschaffen. Die warten nun händereibend auf jede neue Enthüllung aus der Vergangenheit des alternden Gottesmannes.

2005 hat das staatliche „Institut des nationalen Gedenkens“ (UPN) alle slowakischen Stasi-Akten öffentlich zugänglich gemacht. Wie schon zuvor inoffiziell bekannt war, scheint Sokol in den StB-Listen als „Agent“ auf. Laut Expertisen des UPN war für eine solche Eintragung die schriftliche Zustimmung des Betroffenen erforderlich, während niedrigere Informantenkategorien auch ohne Wissen des Betroffenen eingetragen werden konnten. Sokol war laut den vom UPN veröffentlichten Dokumente jahrelang als „Kandidat“ geführt worden und erst 1989 zum „Agenten“ aufgestiegen – kurz bevor er mit staatlicher Zustimmung Erzbischof wurde. Der vollständige Akt Sokols ist aber seit Anfang der neunziger Jahre auf mysteriöse Weise verschwunden.

Im Februar konnte das UPN nun aber erstmals Dokumente veröffentlichen, die bisher noch in Prag unter Verschluss gewesen waren. Diese von Sokol umgehend als gefälscht bezeichneten Akten enthalten unter anderem Informationen, die er über andere kirchliche Würdenträger gesammelt und der StB übermittelt haben soll.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2007)

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