Kosovo: "Es gibt kein zweites Dayton"

Albert Rohan, österreichischer Vize-Chefverhandler für Kosovo: Wie er Serben und Albaner zu einer Einigung bewegen will.

wien. Seit Freitag ist es offiziell: Der UN-Sicherheitsrat hat Finnlands Ex-Präsidenten Martti Ahtisaari als UN-Chefverhandler für die Kosovo-Gespräche und den österreichischen Spitzendiplomaten Albert Rohan als dessen Stellvertreter bestätigt. Auf beide kommen schwierige Verhandlungen zu, denn die Positionen von Albanern und Serben sind miteinander völlig unvereinbar. Während man in Pristina die staatliche Unabhängigkeit fordert, will Belgrad dem Kosovo höchstens weitreichende Autonomie gewähren.

Im "Presse"-Interview schildert Rohan die Strategie, mit der die Streitparteien zu einer Einigung bewegt werden sollen. Die Abhaltung einer großen Konferenz schließt der ehemalige Generalsekretär im österreichischen Außenamt in der ersten Verhandlungsphase aus: "Formelle Verhandlungen machen keinen Sinn, bevor nicht irgendeine Form von Einigung vorliegt. Sonst haben wir eine Konferenz, auf der beide Seiten nur ihre Positionen vorbeten."

Ein Scheitern wäre damit programmiert. "Eine Art Dayton-Konferenz wie für Bosnien, wo alle auf einem Luftwaffenstützpunkt kaserniert werden, bis etwas zu Stande kommt, wird es nicht geben."

In den nächsten zwei, drei Wochen werden die Verhandler nach Pristina reisen, um mit Kosovo-Albanern und Kosovo-Serben zusammenzutreffen. "Die Albaner werden ihre Forderung nach Unabhängigkeit vorbringen, aber unsere Botschaft wird sein: Bevor wir über Modelle eines künftigen Status reden, müssen sie uns sagen, was sie zu tun gedenken, um eine Reihe von Problemen zu lösen."

Die Albaner müssen Antworten für folgende Fragen finden:
[*]Status der serbischen Volksgruppe und der anderen Minderheiten.
[*]Schutz der serbisch-orthodoxen kirchlichen Einrichtungen.
[*]Bekämpfung von Verbrechen und Korruption. Den Kosovo-Serben werde man sagen, dass sie ihre Vertreter in die bestehenden Institutionen entsenden und auch aktiv an den Verhandlungen teilnehmen sollen, um zu unterstreichen, dass sie für sich eine Zukunft im Kosovo wünschen. Die nächste Reise führe dann nach Belgrad, um mit Serbiens Spitzen über deren Vorstellungen zu diskutieren.

Die Balkan-Kontaktgruppe hat Chefverhandler Ahtisaari zahlreiche Befugnisse zugedacht. Er kann Störenfrieden die "rote Karte" zeigen und Parteien, die blockieren, vom Verhandlungsprozess ausschließen. Rohan ist jedoch dagegen, notfalls einer der beiden Seiten eine Lösung aufzuzwingen: "Wir wollen eine Vereinbarung erzielen, der alle Seiten zustimmen."

Auf die Frage, was man Serbien im Gegenzug für Zugeständnisse bei den Kosovo-Gesprächen anbieten könne, meint Rohan: "Einen Expresszug in die EU wird es nicht geben." Sonderbedingungen für Belgrad seien unrealistisch. Nach der Türkei-Debatte müsse man davon ausgehen, dass nur ein Land aufgenommen wird, das alle Bedingungen erfüllt.

Trotzdem müsse parallel zu den Verhandlungen die Heranführung des Balkan an die EU forciert werden. "Je mehr Positives hier geschieht, desto besser wird das Klima bei den Kosovo-Gesprächen." Österreichs EU-Präsidentschaft, die im Jänner beginnt, komme dabei eine wichtige Rolle zu.

Rohan berichtet, dass der UN-Sondervermittler sein Büro nun definitiv in Wien haben werde. Die Bundeshauptstadt hat sich damit gegen Mitbewerber wie Brüssel durchgesetzt. Erst gegen Ende des Prozesses werde es direkte Verhandlungen der Streitparteien und eine Art Abschlusskonferenz geben. Wie lange die Verhandlungen dauern werden, sei noch nicht abzusehen. "Im Idealfall kommen wir im Verlauf des nächsten Jahres zu einer Einigung."

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.