Syrien: Ankara unterliegt im Luftkampf um Jet-Abschuss

(c) REUTERS (UMIT BEKTAS)
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Abgefangener türkischer Militärflieger war offenbar doch in den syrischen Luftraum eingedrungen. Russland entsendet mehr Kriegsschiffe nach Syrien. Sondergesandter Annan sucht nach Wegen aus der Krise.

Istanbul. Der Streit um den Abschuss eines türkischen Aufklärungsflugzeuges vom Typ F4 Phantom vor der syrischen Küste, bei dem die beiden Piloten ums Leben kamen, scheint eine neue Wendung zu nehmen. Obwohl die türkischen Untersuchungen nicht abgeschlossen sind, kommen immer mehr Details ans Licht, die der türkischen Version von einem Abschuss über internationalem Gewässer widersprechen.

Nachdem das Flugzeug Ende Juni abgeschossen worden war, hatte Außenminister Ahmet Davutoğlu erklärt, das Flugzeug sei 13 Meilen vor der syrischen Küste, also außerhalb der Zwölf-Meilen-Zone abgeschossen worden. Es habe lediglich einige Zeit zuvor versehentlich eine kurze Verletzung des syrischen Luftraumes durch die Maschine gegeben. Nach syrischer Darstellung wurde die Maschine abgeschossen, weil sie in geringer Höhe und mit hoher Geschwindigkeit auf die Küste zuraste. Der Abschuss sei nur einen Kilometer vor der Küste erfolgt.

Als Antwort ließ die Türkei Flugabwehrraketen nahe der Grenze auffahren und drohte, syrische Hubschrauber abzuschießen, falls sie der Grenze zu nahe kämen. Syriens Machthaber Bashar al-Assad bedauerte zwar den Abschuss, blieb aber bei der syrischen Version, wonach der Abschuss durch leichte Flak an der Küste erfolgte, die nicht die Reichweite gehabt hätte, um ein Flugzeug außerhalb der eigenen Hoheitsgewässer zu beschießen. Letzteres sieht auch die Türkei so und ging daher von Anfang an von einem Raketentreffer aus.

Unterstützung bekam Assad überraschend durch das „Wall Street Journal“. Dieses zitierte einen nicht namentlich genannten amerikanischen Offizier mit der Aussage, die US-Armee hätte den Abschuss einer syrischen Rakete nicht beobachtet. In der Türkei wurde dies zunächst nicht geglaubt. Doch mittlerweile hat der Sprecher des türkischen Generalstabes, Brigadegeneral Baki Kavun gegenüber der Zeitung „Milliyet“ erklärt, dass auch das türkische Militär den Abschuss durch eine Rakete nicht gesehen habe. Der Jet habe außerdem ein Warnsystem gegen Raketen besessen.

Zerstörer und Truppentransporter

Die syrische Flugabwehr ist mit modernen russischen Raketen ausgestattet – denn Russland ist nicht nur mit dem Regime alliiert, sondern auch Assads Hofwaffenlieferant. Im Gegenzug unterhält die russische Marine ihre einzige Mittelmeerbasis im syrischen Hafen Tartus. Angesichts der immer heftigeren Gefechte zwischen Regime und Rebellen verlegt Moskau Kriegsschiffe ins östliche Mittelmeer.

Der U-Boot-Zerstörer „Admiral Tschabanenko“ legte am Dienstag vom Stützpunkt Seweromorsk bei Murmansk im Nordwesten des Landes ab und nahm Kurs auf Tartus, vermeldete die Nachrichtenagentur Interfax. Er wird demnach von zwei Begleitschiffen und drei Truppentransportern begleitet.

Unterdessen hat sich der internationale Syrien-Sondergesandte Kofi Annan, der momentan in Teheran weilt, für die Einbeziehung des Iran in die Konfliktlösung ausgesprochen. Die Islamische Republik ist der wichtigste Verbündete Assads in der Region.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.07.2012)

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