Srebrenica: Grillfest zum Jahrestag des Massakers

(c) REUTERS (DADO RUVIC)
  • Drucken

Während Serben mit einer provozierenden Feier das Gedenken überschatten, muss sich vor dem Haager Tribunal Ratko Mladić, der Hauptbeschuldigte, verantworten. Mittwoch werden 520 Opfer des Massakers bestattet.

Belgrad. 17 Jahre hat es gedauert, bis sie ihre letzte Ruhe finden: Mittwoch, werden 520 Opfer des Massakers von Srebrenica bestattet, exakt an dem Kalendertag, an dem sie 1995 getötet wurden. Wie rund 7500 weitere männliche Muslime aus der Enklave Srebrenica, offiziell eine UN-Schutzzone, ermordet von bosnisch-serbischen Einheiten unter dem Befehl von General Ratko Mladić.

Mittels mühsamer DNA-Analyse konnten bisher die Überreste von 5657 der in Massengräbern verscharrten Opfer identifiziert werden. Zum heurigen Totengedenken auf dem Friedhof Potočari werden Bosniens Fußballstar Edin Džeko und Hollywood-Diva Angelina Jolie erwartet. Doch während sie und die Angehörigen der Ermordeten gedenken, wird nicht weit davon entfernt gefeiert: Serbische Veteranenverbände und die serbisch-orthodoxe Kirche planen in Srebrenica ein Grillfest samt Fußballturnier und Konzert zu Ehren des Heiligen Petrus.

Wegen der Ermordung und Vertreibung der muslimischen Bewohner zu Ende des Bosnienkriegs ist die Mehrheit der Stadt mittlerweile serbisch. Doch dass ausgerechnet am Jahrestag des Massakers ein serbisches Volksfest steigen soll, empfinden die Angehörigen als pure Provokation. Den Veranstaltern gehe es weder um das Konzert noch um den Feiertag, entrüstet sich Hatidža Mehmodević vom Angehörigen-Verband „Die Mütter von Srebrenica“: „Sie wollen Salz in unsere Wunden streuen. Jede Glaubensgemeinschaft soll ihre Feste feiern – aber nicht ausgerechnet, wenn die Opfer des Genozids beerdigt werden.“

„Klare Beweise“ gegen Mladić

Den Jahrestag des Massakers wird dessen Hauptverantwortlicher auf der Anklagebank des UN-Tribunals im fernen Den Haag verbringen. Auch am Dienstag verfolgte Ratko Mladić scheinbar emotionslos, wie sein Verteidiger den ersten Zeugen der Anklage ins Kreuzverhör nahm: Elvedin Pašić war 14, als sein Dorf Hrvacani von bosnisch-serbischen Truppen überrannt und völlig zerstört wurde. Laut der Anklage soll der heute 70-jährige Mladić nicht nur für das Massaker von Srebrenica, sondern für unzählige weitere Opfer der von seinen Truppen begangenen „ethnischen Säuberungen“ die Verantwortung tragen: Allein die Belagerung von Sarajevo kostete mehr als 10.000 Menschenleben.

Die Anklage wirft Mladić Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Zum Prozessauftakt hatten die Ankläger „klare Beweise“ für die direkte Verantwortung Mladićs angekündigt.

Umstrittene Urteile

Der bereits im Juli 1995 vom UN-Tribunal angeklagte Ex-General hatte sich jahrelang in Serbien versteckt. Im Mai 2011 wurde der von Serbiens Justizbehörden jahrelang angeblich unauffindbare Kriegsherr aufgrund anhaltenden Drucks der EU schließlich im Haus eines Vetters im nordserbischen Dorf Lazarevo verhaftet. Mit dem kroatischen Serben Goran Hadžić wurde wenig später der letzte von 161 Angeklagten des Tribunals gefasst.

Einige wichtige Prozesse und Urteile stehen zwar noch aus, doch die Ermittler haben ihre Aufgabe erfüllt. Die Verfolgung noch ungesühnter Kriegsverbrechen ist künftig Aufgabe der Justiz der einstigen Kriegsgegner.

In Bosnien und Kroatien herrschte 1993 noch Krieg, als die Staatengemeinschaft die Schaffung eines Kriegsverbrechertribunals beschloss. Zunächst fehlten dem Sondergericht die Mittel, um effektiv arbeiten zu können. Außerdem machten dem Tribunal selbst verursachte Fehlschläge wie schlecht vorbereitete Prozesse oder umstrittene Urteile zu schaffen. Mit dem merkwürdigen Freispruch des früheren Kosovo-Premiers Ramush Haradinaj, während dessen Verfahren neun von zehn Zeugen umkamen, verlor das Tribunal Glaubwürdigkeit.

Trotz solcher Rückschläge hat es sich längst vom Papiertiger zur langsam, aber effizient arbeitenden Justizmühle gewandelt. Und die grenzüberschreitende Kritik vom Balkan lässt sich auch als Beleg für Überparteilichkeit werten.

Auf einen Blick

Das Kriegsverbrechertribunal für Ex-Jugoslawien wurde 1993 von der UNO eingerichtet, zugleich mit jenem für Ruanda. Diese Gerichte waren beispielgebend. 2002 schufen die UNO und Sierra Leone ein Sondergericht zur Ahndung von Kriegsverbrechen in dem westafrikanischen Land. Ein Jahr später vereinbarte Kambodscha mit der UNO ein Sondergericht für die Verbrechen der Roten Khmer. 2002 nahm auch der Internationale Strafgerichtshof mit Sitz in Den Haag seine Arbeit auf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.07.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Kommentare

Genugtuung für Srebrenica

2012 – was für ein Jahr für die internationale Strafgerichtsbarkeit!

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.