Hannes Swoboda: „Etwas ist faul im Staate Rumänien“

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Der SPÖ-Europaparlamentarier empfiehlt Rumänien eine grundlegende Reform der Verfassung.

Wien. Hannes Swoboda rudert zurück. Der Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion im EU-Parlament war zuletzt als energischer Verteidiger der Regierung in Bukarest in Erscheinung getreten und hatte alle Schuld an den Turbulenzen dem (rechtsliberalen) Staatsoberhaupt Traian Basescu gegeben. Der rumänischen EU-Abgeordneten Monica Macovei warf Swoboda vor, den Ruf ihres Landes im Ausland zu beschädigen – Macovei hatte die Plagiatsvorwürfe gegen Premier Victor Ponta thematisiert. Nachdem die Absetzung Basescus einen internationalen Sturm der Entrüstung entfacht hat, sieht der SPÖ-Europaparlamentarier die Angelegenheit nun deutlich nuancierter.

Die Presse: In den letzten Tagen haben Sie sich auffällig darum bemüht, in der Causa Rumänien die Wogen zu glätten. Sie sprechen sich nun für eine Prüfung der Vorfälle durch die EU-Kommission aus – und für ein europäisches Machtwort, falls Bukarest gegen die politischen Grundregeln der EU verstoßen habe. Was würde für Sie einen derartigen Verstoß darstellen?

Hannes Swoboda: Prinzipiell geht es darum, ob europäisches Recht verletzt wurde oder nicht. Es geht aber auch um europäische Werte – etwa um die Frage, ob die Unabhängigkeit der Justiz angetastet wurde. Natürlich muss dabei berücksichtigt werden, dass die Ernennung von Richtern und Staatsanwälten in den EU-Mitgliedsländern unterschiedlich funktioniert. Aber abseits davon gibt es gewisse Grundsätze, die nicht verletzt werden dürfen.


Nehmen wir ein konkretes Beispiel: Premier Ponta hat Rumänien beim jüngsten EU-Gipfel vertreten, obwohl dies laut Verfassung die Aufgabe des Präsidenten ist – Vorstoß gegen EU-Werte oder Bagatelle?

In diesem Fall muss man anmerken, dass diese Entscheidung des Verfassungsgerichts noch nicht veröffentlicht und somit ungültig war. Natürlich kann man an dieser Stelle die Behauptung aufstellen, Premier Ponta habe die Veröffentlichung hinausgezögert (die Regierung hat im Juni die Kontrolle über das Amtsblatt übernommen, Anm.). Man kann die Sache unterschiedlich betrachten, formal war der Entscheid nicht gültig. Außerdem wurde er in einem Ho-ruck-Verfahren auf Geheiß von Präsident Basescu gefällt. Dass Ponta als Regierungschef sein Land in Brüssel vertritt, ist für mich naheliegend, denn er muss ja dann am Ende die Beschlüsse politisch umsetzen. Aber dieser und auch andere Fälle machen deutlich, dass irgendetwas faul ist im Staate Rumänien, um mit den Worten von Hamlet zu sprechen. In den vergangenen Jahren hat Basescu die Macht zu sich verschoben, und jetzt wird das rückgängig gemacht. Allerdings habe ich so meine Zweifel, ob die Mittel, die dabei verwendet werden, wirklich angemessen sind und allen europäischen Standards entsprechen.

Die europäische Kritik an den Vorgängen in Bukarest fiel teilweise heftig aus. Die deutsche Regierung ist besorgt, EU-Abgeordneter Elmar Brok warnt gar vor einem Staatsstreich. Können Sie das nachvollziehen?

Dahinter steckt Politik. Traian Basescu ist einer der Ihren, er wird nun verteidigt. Selbst das rumänische Verfassungsgericht hat befunden, dass das Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten legal ist. Da wird absichtlich politisch argumentiert.

Dieses Argument gilt aber auch in Ihrem Fall: Sie haben Ihren sozialdemokratischen Kollegen Ponta wiederholt verteidigt und waren dabei auch nicht gerade zimperlich. Ihr Angriff auf die konservative rumänische EU-Abgeordnete Macovei war doch ebenfalls politisch motiviert.

Ja, das stimmt, das war eine politische Stellungnahme, doch ich habe nie von Staatsstreichen oder ähnlichen Dingen gesprochen. Aber irgendwann muss Schluss sein mit all diesen politischen Vorwürfen, und daran will ich mich jetzt halten. Rumänien muss eine grundsätzliche Reform der Verfassung angehen. Denn das, was sich jetzt abspielt, schadet dem Land.

Aber ist Victor Ponta überhaupt die richtige Person, um diese Reform anzugehen? Er ist doch als Übergangspremier im Amt, die nächsten Parlamentswahlen finden bereits im Herbst statt.

Er ist der Regierungschef und verfügt im Parlament über eine Mehrheit. Auch in anderen Ländern haben Regierungen nach wenigen Monaten gewechselt.

Aber Pontas Kabinett wird von Überläufern aus anderen Parlamentsfraktionen gestützt. Das ist doch eine andere Form der Legitimation.

Auch das hat es anderswo schon gegeben. Schauen Sie sich außerdem das Ergebnis der jüngsten Lokalwahlen an, das spricht eine eindeutige Sprache (das linke Regierungslager hat die Wahl am 10. Juni haushoch gewonnen, Anm.). Noch einmal: Ich finde es alles andere als gut, dass innerhalb von wenigen Wochen so viel geändert wird – selbst wenn es sich dabei nur um die Rückabwicklung dessen handelt, was Präsident Basescu zuvor angerichtet hat. Dennoch: Mich stört die Geschwindigkeit, mit der manche Dinge durchgeboxt werden, das ergibt kein schönes Bild. Aber das hängt mit dem politischen Klima in Rumänien zusammen. Und da muss ich schon sagen: Basescu hat die Bevölkerung entzweit, anstatt sie zu einen.

Chronologie

7. Mai. Das Kabinett von Victor Ponta wird im Parlament bestätigt, es soll bis zur Wahl im Spätherbst die Regierungsgeschäfte führen.

22. Mai. Das Parlament beschließt eine Änderung des Wahlrechts und streicht u.a. die Fünf-Prozent-Hürde. Das Gesetz wird im Juni vom Verfassungsgericht gekippt.

10. Juni. Bei den Kommunalwahlen erringt das linke Lager einen Erdrutschsieg.

19. Juni. Victor Ponta wird beschuldigt, Teile seiner Dissertation abgeschrieben zu haben.

25. Juni. Das Parlament beschließt, die Befugnisse des Verfassungsgerichts zu beschneiden. Die Richter dürfen fortan nicht mehr über die Rechtmäßigkeit von Parlamentsbeschlüssen befinden.

26. Juni. Das Referendumsgesetz wird geändert und damit die Absetzung des Staatsoberhaupts erleichtert.

29. Juni. Eine akademische Kommission hält die Plagiatsvorwürfe gegen Ponta für gerechtfertigt und spricht sich für die Aberkennung seines Doktortitels aus. Entgegen seiner früheren Zusage erkennt Ponta den Entscheid nicht an.

3. Juli. Das Parlament beschließt die Abberufung der Parlamentspräsidenten und des Volksanwalts.

6. Juli. Die Abgeordneten stimmen für die Absetzung von Präsident Traian Basescu. Das rumänische Wahlvolk soll am 29. Juli über sein politisches Schicksal entscheiden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2012)

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