Ägypten: Die islamistische Fernsehrevolution

(c) EPA (KHALED ELFIQI)
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Im neuen ägyptischen Sender Maria TV treten ausschließlich vollverschleierte Frauen als Moderatorinnen auf. Ein weiteres Indiz für den Aufschwung der radikalen Salafisten seit dem Sturz Mubaraks.

Kairo. Das einzige offene Gesicht im Studio ist aus Pappe, ein lebensgroßer Puppenkopf, der bei politischer Satire zum Einsatz kommen soll. Alle anderen sind verhüllt – von Kopf bis Fuß mit körperlangen schwarzen Roben.
Handschuhe verdecken noch den letzten Rest an Haut, durch den schmalen Augenschlitz des sogenannten Niqab lugen einzig die Augenpaare. Ob vor der Kamera oder hinter der Kamera, hier arbeiten nur Frauen im Islamisten-Volldress.

Zu Beginn des Ramadans war Premiere, seitdem strahlt Maria TV sechs Stunden täglich am Himmel über Ägypten. Benannt ist das jüngste der frommen Satellitenprogramme nach einer koptisch-christlichen Sklavin, die vom Propheten Mohammed freigelassen und anschließend seine Konkubine wurde.

Zu Mubaraks Zeiten verboten

„Wir wollen die Diskriminierung bekämpfen“, sagt Safaa Refai, Programmchefin des neuen Senders, eine Koran-Lehrerin, die stolz den Titel Scheicha führt. Über die Herkunft der Finanzmittel schweigt sie, die meisten der streng religiösen Kanäle allerdings werden von reichen Saudis gesponsert. Unter Hosni Mubarak war der Niqab im Fernsehen strikt verboten. Voll verschleierte Frauen durften nicht an Universitäten dozieren oder in Behörden arbeiten. Studentinnen ohne offenes Gesicht wurden von Prüfungen ausgeschlossen. Und nun also ein Sender von Niqab-Trägerinnen für Niqab-Trägerinnen. „Das zeigt, wie stark sich Ägypten verändert hat“, frohlockt Scheicha Safaa Refai.

Produziert wird in einem Apartment am Abbasiyya-Platz mit Blick auf die Al-Nour-Moschee, das größte Zentrum militanter Salafisten in Kairo. Gründervater und Mentor des neuen Senders ist in diesem Milieu natürlich ein Mann: Ahmed Abdallah, der sich mit dem Ehrennamen Abu Islam schmückt, Vater des Islam. „Frauen brauchen nicht ihre Schönheit zu enthüllen, um von der Welt gesehen zu werden“, dozierte der füllige Mann mit weißem Vollbart nach der Sendepremiere. Bereits 2006 hatte der Salafisten-Prediger Ummah TV gegründet, einen Missionskanal, bei dem bisher nur bärtige Männer das Sagen hatten; das keusche Maria-Programm ergänzt jetzt den Sendeplan. Mehrfach nahm Mubaraks Staatssicherheit das Ummah-Studio auseinander, zertrümmerte Kameras und Inventar. Vier Mal wanderte Direktor Abu Islam hinter Gitter, längstens für drei Wochen.

Doch seit dem Sturz Mubaraks fühlen sich er und seine ultrakonservativen Mitstreiter im Aufwind. Auf dem Land lassen sie Moralpolizisten patrouillieren, auf den Mittelmeer-Stränden Flugblätter gegen Musik verteilen, und im neuen Kabinett haben sie ihr Auge auf das Ministerium für Erziehung geworfen.

„Alles, was eine Frau braucht“

Im Parlament stellten die Salafisten zusammen mit den Muslimbrüdern fast eine Dreiviertelmehrheit. Monatelang debattierten sie über ihre bigotten Gesetzespläne, wollten das Heiratsalter für Mädchen auf zwölf Jahre absenken und das Verbot weiblicher Genitalverstümmelung annullieren. Nur die Auflösung der Volksvertretung durch das Verfassungsgericht vor sechs Wochen verhinderte, dass das relativ liberale Scheidungs- und Kindersorgerecht aus der Mubarak-Zeit schon jetzt von den Eiferern zurückgedreht wurde. „Wir bieten alles, was eine Frau braucht“, wirbt derweil Maria-TV-Moderatorin Abeer Shahin. „Das erste Jahr der Ehe“ heißt ihre Beratungssendung. „Wenn dein Mann abends müde nach Hause kommt und dich keines Blickes würdigt, selbst wenn du das ganze Haus mit brennenden Kerzen geschmückt hast, sei nicht verärgert“, rät sie.

Andere Serien beschäftigen sich mit Untreue in der Ehe, Kindererziehung, Nähen und islamischer Politik. „Verschleierte Frauen sind erfolgreich, das vor allem wollen wir der Gesellschaft zeigen“,  sagt Abeer Shahin. „Eine Niqab-Trägerin kann Ärztin sein, Ingenieurin oder eben auch erfolgreiche Fernsehfrau.“ Weibliche Gäste im Studio haben allerdings keine Wahl. Entweder sie stülpen einen geliehenen Vollschleier über oder ihr Gesicht wird verpixelt.

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