Syrien-Krieg zieht Libanon ins Chaos

(c) AP (Hussein Malla)
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Trotz eines vereinbarten Waffenstillstands liefern sich Gegner und Anhänger des syrischen Machthabers Bashar al-Assad im benachbarten Libanon immer heftigere Gefechte. Die Angst vor neuem Bürgerkrieg wächst.

Kairo/Beirut. Der Bürgerkrieg in Syrien zieht den benachbarten Libanon immer tiefer mit hinein in den Strudel von Gewalt und Chaos. Trotz eines am Vortag vereinbarten Waffenstillstands kamen auch am Donnerstag bei Kämpfen in der libanesischen Küstenstadt Tripoli weitere Menschen ums Leben. Insgesamt sind bei Gefechten zwischen sunnitischen Gegnern des syrischen Machthabers Bashar al-Assad aus dem Viertel Bab el-Tebbaneh und Assad-Anhängern aus dem angrenzenden Alawiten-Viertel Jabal Mohsen seit Montag mindestens zwölf Personen gestorben. Mehr als 100 wurden verletzt, darunter 15 Soldaten.

Es ist einer der bisher schwersten Gewaltausbrüche im Libanon seit dem Ende des blutigen Bürgerkriegs vor 20 Jahren. Die Kontrahenten setzten Maschinengewehre und Panzerfäuste ein. Bewaffnete auf Pick-ups mit aufgepflanzten Maschinengewehren patrouillierten durch die Straßen. Zahlreiche Wohnhäuser wurden in Brand geschossen.

„Am Rand des Zusammenbruchs“

Libanons sunnitischer Premierminister Najib Mikati, der selbst aus Tripoli stammt, warnte seine Landsleute „vor dem Versuch, den Libanon mehr und mehr in den syrischen Konflikt hineinzuziehen“. Er rief alle politischen Führer auf, zu kooperieren, „um diese Gefahr von Libanon abzuwenden“. Mikati steht an der Spitze einer prosyrischen Regierungskoalition, die sich aus der proiranischen Hisbollah, der ebenfalls schiitischen Amal, der Drusenpartei sowie pro-syrischen Christen zusammensetzt. Die in der „Allianz vom 14. März“ zusammengeschlossene sunnitische Opposition dagegen erklärte, Libanon befinde sich „am Rand des Zusammenbruchs“. Das Land sei nicht mehr in der Lage, die innere Sicherheit zu gewährleisten.

Der Libanon ist tief gespalten in Gegner und Anhänger des Baath-Regimes in Damaskus. Die Sunniten unterstützen die Rebellen, Schiiten, Alawiten und besonders die Hisbollah dagegen stehen hinter Assad. Tripoli, wo eine kleine Minderheit von Alawiten lebt, gilt als Hochburg der Sunniten. Die Stadt ist nur 25 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt.

Wie brisant die Lage ist, zeigt auch die spektakuläre Verhaftung des prosyrischen Ex-Informationsministers Michel Samaha vor zwei Wochen. Offenbar von einem Doppelagenten enttarnt, gestand Samaha, er persönlich habe in seinem Wagen Sprengstoff von Syrien nach Libanon geschmuggelt, mit dem Anschläge auf führende Politiker des Zedernstaates verübt werden sollten.

Den Sprengstoff soll ihm General Ali Mamlouk ausgehändigt haben, seit vier Wochen Chef von Syriens Staatssicherheit und Nachfolger des Mitte Juli durch eine Bombe in Damaskus getöteten Generals Hisham Ikhtiyar.

Häufig politische Morde

Politische Morde sind im Libanon ein häufiges Verbrechen. Bei dem bisher spektakulärsten Anschlag starb 2005 der frühere Ministerpräsident Rafik Hariri zusammen mit 22 Begleitern in Beirut durch eine Autobombe.

Auf einen Blick

Der Libanon gerät immer stärker in den Sog des Bürgerkrieges im Nachbarland Syrien. Die libanesische Politik steht seit Langem unter starkem syrischen Einfluss und die Fronten sind klar: Alawiten und Schiiten unterstützen Syriens Machthaber Bashar al-Assad, Libanons Sunniten hingegen schlagen sich auf die Seite der oppositionellen „Freien Syrischen Armee“. Die jüngsten Gefechte gehören zu den schlimmsten seit Ende des Bürgerkrieges vor 20 Jahren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2012)

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