Syrien: Opposition beklagt neues Massaker

Syrien Opposition beklagt neues
Syrien Opposition beklagt neues(c) REUTERS (KHALED AL-HARIRI)
  • Drucken

In der Nähe von Damaskus wurden den Aufständischen zufolge 320 geschändete Leichen gefunden. Hoher Militär kehrt Assad-Regime den Rücken. Immer mehr Syrer flüchten indes ob der gefährlichen Lage ins Ausland.

Wien/Damaskus/Ag. Der Bürgerkrieg in Syrien nimmt immer dramatischere Ausmaße an: Menschenrechtsaktivisten zufolge wurden am Wochenende in der südwestlich von Damaskus gelegenen Stadt Daraja 320 Leichen gefunden. Die meisten Opfer seien in den vergangenen Tagen bei einer Offensive der syrischen Armee getötet worden, teilte die in London ansässige Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Sonntag mit. Sie stützt sich bei der Angabe der Opferzahlen auf Informationen von Aufständischen und Augenzeugen, die aber von unabhängiger Stelle nicht überprüft werden können.

Laut den syrischen Rebellen wurden viele Opfer bei Massenhinrichtungen getötet und die Leichen dann verbrannt. Die Armee habe Daraja zunächst abgeriegelt und dann mit schweren Waffen und Kampfflugzeugen unter Beschuss genommen, sagte ein Oppositionssprecher. Später seien die „Mörderbanden“ der regierungstreuen Shabiha-Miliz in die Stadt eingedrungen und hätten Massenhinrichtungen verübt. Die Leichen seien zerstückelt und in Brand gesetzt worden. Die Opposition verbreitete zudem ein Video, in dem zahlreiche verkohlte Leichen zu sehen waren. Eine Stimme beschreibt die Bilder als Ergebnis eines „abscheulichen Massakers“, das von Assads Truppen begangen worden sei. Die syrischen Staatsmedien berichteten, die Armee habe Daraja von „Terroristen gesäubert.“

Vizepräsident zeigt sich im Fernsehen

Die Regierungstruppen hatten schon zu Wochenbeginn einen Großeinsatz gegen Daraja gestartet, um die gegen Assad kämpfenden Aufständischen aus der Stadt mit rund 200.000 Einwohnern zu vertreiben. Doch nun soll sich Angaben jordanischer Medien zufolge erstmals ein Armeekommandant aus Syrien abgesetzt haben, der größere Kampfverbände befehligt hatte: General Mohammed Mussa al-Khairat soll am Samstag die Grenze zu Jordanien überquert haben. Dagegen erwiesen sich Berichte über einen Fluchtversuch von Vizepräsident Faruk al-Sharaa offenbar als falsch. Sharaa zeigte sich gestern kurz vor einem geplanten Treffen mit dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im iranischen Parlament, Alaeddin Boroujerdi, erstmals seit mehreren Monaten wieder im öffentlichen Fernsehen.

Syriens Außenminister Walid al-Moualem sagte bei einem Treffen mit Boroujerdi, die Regierung werde erst in Verhandlungen mit der Opposition treten, wenn das Land vollständig von Rebellen „gesäubert“ sei. Boroujerdi sagte Syrien die Unterstützung des Iran zu: „Syriens Sicherheit ist unsere Sicherheit, deshalb werden wir zu unseren syrischen Brüdern halten“, wurde er von der iranischen Nachrichtenagentur IRNA zitiert.

2000 Syrer fliehen täglich nach Jordanien

Immer mehr Syrer flüchten indes ob der gefährlichen Lage ins Ausland: Jordanien hat die internationale Gemeinschaft um verstärkte Hilfe für die schon rund 160.000 syrischen Flüchtlinge im Land gebeten. Informationsminister Samih Maajtah erklärte am Sonntag, derzeit erreichten mehr als 2000 Flüchtlinge aus Syrien pro Tag sein Land. Die Vereinten Nationen haben bei ihren Mitgliedern um Spenden für die syrischen Flüchtlinge in Jordanien und anderen Ländern der Region gebeten. Bisher ging nach UNO-Angaben aber erst die Hälfte der erbetenen 190 Millionen Dollar (152 Millionen Euro) ein. Erstmals seit Beginn des Syrien-Konfliktes ist auch eine größere Gruppe syrischer Flüchtlinge in Griechenland angekommen. Vor der Insel Symi in der Südostägäis seien Migranten in einem kleinen Boot aufgegriffen worden, teilte die griechische Küstenwache mit.

Der Leiter der UNO-Beobachtermission in Syrien hat am Samstag das Land verlassen. Die Beobachtermission endete offiziell schon am vergangenen Sonntag, Gaye blieb aber noch für einige Gespräche. Der UNO-Sicherheitsrat verständigte sich auf ein kleineres Büro in Syrien, das die Friedensbemühungen fortführen soll. Die Einrichtung der Beobachtermission war der einzige greifbare Erfolg des Anfang August zurückgetretenen Sondergesandten von UNO und Arabischer Liga, Kofi Annan, bei seinen Bemühungen, den Bürgerkrieg zu stoppen. Die Beobachter sollten einen Waffenstillstand überwachen, der nie in Kraft trat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.08.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.