Niederlande: Auf Wählerfang mit Anti-EU-Parolen

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Symbolbild(c) AP (BAS CZERWINSKI)
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Bei der Parlamentswahl in einem der reichsten EU-Länder zeichnen sich Erfolge EU-feindlicher Parteien ab. Laut Umfragen kann der linkspopulistische Sozialist gewinnen. Rechtspopulist Wilders liegt im Mittelfeld.

Diese Wahl wird eine Volksabstimmung über den Euro und die EU.“ – Mit diesem Satz startete Geert Wilders, Spitzenkandidat der rechtspopulistischen „Partei für die Freiheit“ (PVV), in den niederländischen Wahlkampf. Er setzte damit eines der wichtigsten Themen der Parlamentswahl am 12. September.

Wilders steht extrem rechts. Er will, dass die reichen Niederlande Eurozone und EU verlassen, den Gulden wieder einführen und „zur Schweiz Nordwesteuropas“ werden. Der Populist setzt auf die nationalistische Karte, tritt fast nur vor dem Hintergrund der blauweißroten Nationalflagge und mit oranger Krawatte auf. Sein an nationale Gefühle appellierender Stil erinnert an jenen der „Wahren Finnen“ in Finnland, ganz so, als wolle er sagen: „Wir von der PVV sind die wahren Niederländer.“

„Nur über meine Leiche“

In die gleiche Kerbe schlägt Emile Roemer, Chef der Sozialistischen Partei (SP). Er hat mit Wilders einiges gemein. Er ist Populist, aber ein linker. Er ist Anti-Europäer und will sich von Brüssel, sollte er Premier werden, „nichts mehr sagen lassen“. Die Einhaltung der Euro-Stabilitätskriterien sei „idiotisch“, sagte er. „Wenn ich mich nicht an die EU-Vorgaben halte, dass das Defizit nicht höher als drei Prozent der Wirtschaftsleistung sein darf, dann droht mir Brüssel mit Strafe. Aber wenn ich regiere und das Defizit höher ist als drei Prozent, werde ich diese lächerliche Strafe nicht zahlen, nur über meine Leiche.“

Einer Fiskalunion, wie sie etwa von Deutschland gefordert wird, will sich Roemer widersetzen. „Ich werde mich als Bremsklotz vor die Füße von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy legen, wenn ich Regierungschef bin.“

Ein Wahlsieg der Sozialisten hätte enorme Folgen auch für die EU. Denn unter einem Premier Roemer ist anzunehmen, dass die Niederlande der Stabilitätspolitik ade sagen. Deutschland, aber auch Österreich, Finnland und Luxemburg, verlören in der Eurozone einen wichtigen Partner bei Haushaltsstabilität und Fiskalunion.

Zorn auf die „Knoblauchländer“

Das Eindreschen auf die EU verbindet den Rechtspopulisten Wilders mit dem Sozialisten Roemer. Das scheint bei vielen Wählern gut anzukommen, denn viele der sprichwörtlich sparsamen Holländer sind es leid, dass sie immer weitere Milliarden an die EU-Mittelmeerländer, insbesondere nach Griechenland, überweisen und mit immer neuen Bürgschaften für die „Knoblauchländer“, wie viele Niederländer sagen, geradestehen müssen. In Umfragen lag Roemer in der Wählergunst lange an der Spitze, während Wilders' PVV nur im Mittelfeld rangierte, aber das kann sich ändern, denn die rechtsliberale „Partei für Freiheit und Demokratie“ (VVD) von Premier Mark Rutte führt derzeit wieder.

Laut Demoskopen könnte am 12.September in den Niederlanden die große Flucht der Wähler aus der politischen Mitte stattfinden – denn beiden großen Volksparteien, dem „Christlich Demokratischen Appell“ (CDA) und den Sozialdemokraten (PvdA), laufen die Wähler davon. Vor allem die CDA könnte zu einer Splitterpartei schrumpfen. Roemer tönt schon: „Ich will Premier werden. Wir wollen regieren.“

Ein schlechter Redner

Doch dieses an Überheblichkeit grenzende Selbstbewusstsein könnte zum Fallstrick werden. Gestolpert ist Roemer schon: In den ersten TV-Debatten der Spitzenkandidaten war er zahm wie eine Hauskatze und musste sich von Premier Rutte die Leviten lesen lassen. „Sie wollen Premier werden, dann müssen sie erst lernen, Entscheidungen zu treffen“, verspottete er den Sozialisten.

Aber nicht nur er: Roemer wurde regelrecht in die Zange genommen, denn auch der Chef der Sozialdemokraten, Diederik Samsom, schoss sich auf Roemer ein und erwies sich als wesentlich besserer Debattenführer als der „gemütliche Sozialist“ Roemer, der sich im Wahlkampf gern als spendierfreudiger Onkel gibt, Eis an Kinder verteilt und den Wählern weismachen will, dass er die Pensionsgrenze von 67 Jahren auf 65 zurückschrauben kann.

„Not-Koalition“ schon fix?

Es soll in Den Haag bereits eine Anti-Roemer-Koalition geben. Sie will verhindern, dass die einst mit Finanzhilfe aus dem kommunistischen China gegründete SP an die Macht kommt. Fast alle anderen Parteien sollen angeblich geheim vereinbart haben, dass sie nach dem 12.September eine große Koalition aus (insgesamt fünf) Parteien formen, sodass Roemer in Opposition muss.

Überhaupt ging es heiß her im holländischen Wahlkampf diesen Sommer, der Ende August mit einer Hitzewelle und heftigen Gewittern endete. So heiß, dass nach einer TV-Debatte sogar der Blitz einschlug. Im wahrsten Sinne des Wortes: „Ich fühlte einen Stromstoß durch meinen Körper zucken. Unsere Techniker haben noch immer Ohrensausen durch den Blitzeinschlag. Glücklicherweise wurde niemand verletzt“, berichtete der RTL-Moderator Frits Wester. Er sendet derzeit vom RTL-Wahlkampf-Zelt auf dem Hauptplatz vor dem Haager Parlament.

Das Zelt war vom Blitz getroffen worden. Offenbar hat ein Blitzableiter Schlimmeres verhindert. Da waren die Spitzenpolitiker nach der Debatte aber schon zu Hause.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2012)

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