Mohammed-Film löst wütende Protestwelle in islamischer Welt aus

(c) EPA (MOHAMMED SABER)
  • Drucken

Regierungschefs und Religionsgelehrte zwischen Kairo und Ankara zeigen Verständnis für Ärger über Prophetenbeleidigung, verurteilen jedoch die Gewaltexzesse.

Kairo. Stoisch steht er mitten im Tränengasnebel unweit der US-Botschaft in Kairo im Prophetenlook: Sandalen, eine dreiviertellange weiße Hose, darüber das ebenfalls weiße Beinkleid, die Galabiyah, bärtig und auf dem Kopf ein weißes Tuch. „Ich bleibe hier bis zum Sieg des Propheten“, sagt der Bilderbuch-Salafist Muhammad Nasr. Dem hat er nichts hinzuzufügen. An diesem Tag ist er allerdings vor der US-Botschaft eher eine Ausnahmeerscheinung. Die meisten seiner radikalen Gefährten bleiben den neuerlichen Protesten fern.

Die Mehrzahl derjenigen, die an diesem Tag die Polizei um die Botschaft mit Steinen bewerfen, sind Jugendliche ohne politischen Hintergrund. Auf Nachfrage haben die meisten den umstrittenen in den USA produzierten Film, in dem der Prophet der Muslime, Mohammed, als Irrer und Sexbesessener dargestellt wird, gar nicht selbst gesehen. Viele sind anscheinend einfach auf Krawall mit der Polizei aus, die die Demonstranten mit Tränengas von der Botschaft auf Abstand hält.

Der aus der Muslimbruderschaft stammende ägyptische Präsident Mohammed Mursi fährt eine Doppelstrategie. Er hat sich im ägyptischen Staatsfernsehen gegen Gewalt, aber für Proteste gegen den Film ausgesprochen. Gleichzeitig garantierte er auch den Schutz der Botschaften und ausländischer Interessen.

Die Muslimbruderschaft versucht die Proteste in friedliche Bahnen zu lenken und hat nach dem Freitagsgebet zu einer Großdemonstration gegen den Film auf dem Tahrir-Platz aufgerufen. In Konkurrenz zu den Salafisten, die ursprünglich zu den Protesten vor der Botschaft aufgerufen hatten. Die Proteste breiten sich wie ein Lauffeuer in der islamischen Welt aus. Auch in Tunesien protestierten aufgebrachte Muslime vor der US-Botschaft, jedoch ohne Gewaltausbrüche, ebenso im Gazastreifen.

Besonders kritisch wurde die Situation am Donnerstag in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa, wo es Demonstranten gelang, auf das Gelände der dortigen US-Botschaft vorzudringen und Fahrzeuge in Brand zu setzen. Noch anarchischer war es am Vortag in der libyschen Stadt Benghazi zugegangen, wo Radikale den US-Botschafter, drei weitere amerikanische Mitarbeiter sowie zehn libysche Bewacher des Konsulates töteten.

Es gibt Vermutungen, wonach es sich bei dem Angriff in Benghazi um keine spontane Reaktion auf den Mohammed-Film gehandelt hat, sondern um eine professionelle Operation einer militanten Gruppe. Unter Verdacht steht die al-Qaida, die ebenso wie zuvor schon im Jemen nun auch in Libyen Fuß gefasst haben soll. Extremisten nützten das Vakuum nach dem Sturz des libyschen Diktators Gaddafi. Waffen, auch Raketenwerfer, gibt es nach dem Krieg in dem Land zuhauf.

Auch Irans Regime inszenierte Proteste; sie fanden vor der Schweizer Botschaft statt, die die Interessen der USA in Teheran vertritt.

Inzwischen wird aber auch von vielen Seiten versucht, die Lage zu beruhigen. „Wir müssen sicherstellen, dass der legitime Ärger nicht dazu führt, dass gegen die islamische Moral verstoßen wird und Unschuldige für die Fehler der Täter zahlen müssen“, heißt es in einer Erklärung des „Obersten Rates der Rechtsgelehrten“ der islamischen al-Azhar-Universität in Kairo. Auch der oberste türkische Religionswächter verurteilte den tödlichen Angriff auf US-Diplomaten in Libyen scharf. Mit dem Islam könne eine solche Tat nicht erklärt werden, sagte Mehmet Görmez.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.09.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Außenpolitik

Österreich: Aufführungsverbot für Film

Die Behörden würden ein öffentliches Zeigen des Anti-Mohammed-Videos unterbinden. Für den Präsidenten der Islamischen Glaubensgemeinschaft Fuat Sanac ist der Film eine einzige Beschimpfung.
MohammedKarikaturen Zeitung kontert USCartoons
Außenpolitik

Mohammed-Karikaturen: Zeitung kontert mit US-Cartoons

Das ägyptische Blatt "Al Watan" will auf die Schmähungen des Propheten eine "zivilisierte" Antwort geben. Sie zeigt das brennende World Trade Center und eine eine US-Taschenlampe, gerichtet auf einen Mann mit Turban.
Karzai Westen muss Islamophobie
Außenpolitik

Karzai: Westen muss "Islamophobie" bekämpfen

Der afghanische Präsident Karzai fordert den Westen auf, Islamfeindlichkeit zu bekämpfen. Den Macher des Mohammed-Films nennt er "Fanatiker".
PAKISTAN USA ANTI-ISLAM FILM PROTEST
Außenpolitik

Islamisten rufen zu Anschlägen in Deutschland auf

In einem Drohschreiben fordert ein deutscher Islamist seine Glaubensbrüder auf, als Rache für das Mohammed-Video Attentate zu begehen.
innerislamische Kulturkampf
Außenpolitik

Mohammed-Video: Der innerislamische Kulturkampf

Der Streit um das Mohammed-Video verdeckt einen anderen Konflikt: den zwischen Islamisch-Konservativen und Salafisten in der neuen arabischen Welt.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.