Nach den antijapanischen Ausschreitungen vom Wochenende versucht die chinesische Führung, die Proteste zu beschwichtigen. Die KP-Spitze befürchtet, die nationalistischen Proteste könnten sich gegen sie wenden.
Peking. Plötzlich ist es vor der japanischen Botschaft in Peking ruhig. Fast eine Woche lang haben die chinesischen Sicherheitskräfte immer wieder aufgebrachte Nationalisten vor das Gebäude vorgelassen und sie antijapanische Hass-parolen brüllen lassen. Selbst als Demonstranten Eier und Steine warfen, griffen sie nicht ein.
Am Montag haben Polizisten das Gelände aber weiträumig abgeschirmt. Nur in kleinen Gruppen dürfen die Demonstranten noch vorbeilaufen. Am Nachmittag kam dann auch der offizielle Appell der Zentralregierung: Die Demonstranten sollten sich doch in einer „gesitteten, vernünftigen und rechtmäßigen“ Weise verhalten. Das Signal ist klar: Proteste gegen Japan ja, aber sie sollen nicht aus dem Ruder laufen. Zu groß die Befürchtung, in dem autoritär geführten Staat könnten sie sich auch schnell gegen die eigene Führung richten.
Trotzdem könnte die antijapanische am Dienstag einen neuen Höhepunkt erreichen. Zum 81. Mal jährt sich der Mukden-Zwischenfall, den Japans Militär damals als Vorwand genutzt hat, um Chinas Kernland anzugreifen. Zudem sind am Montag hunderte Fischer in Richtung der Inseln aufgebrochen.
China und Japan streiten seit mehreren Wochen heftig um eine kleine Inselgruppe im ostchinesischen Meer. Beide Länder reklamieren die unbewohnten Inseln, die in Japan Senkaku und in China Diaoyu heißen, für sich. Neben den reichhaltigen Fischbeständen vermuten beide Länder im umliegenden Gewässer Öl und Gas.
Vor allem am Wochenende hatte sich Japan-Hass entladen. Neben Demonstrationen vor der japanischen Botschaft in Peking verübten in der Stadt Qingdao Unbekannte einen Brandanschlag auf ein Werk des japanischen Elektronikunternehmens Panasonic und in Chengdu auf eine Fabrik von Toyota. Neben Panasonic kündigte auch Canon an, seine Werke in China vorläufig zu schließen.
USA in der Zwickmühle
Die Volkszeitung, das Parteiorgan der kommunistischen Führung, drohte offen mit Wirtschaftssanktionen. Diese könnten dem hoch industrialisierten Inselstaat tatsächlich großen Schaden zufügen. Weite Teile der Produktion japanischer Unternehmen sind nach China ausgelagert. Zudem ist vor allem die Elektronik- und Autoindustrie vom Import seltener Rohstoffe aus dem Reich der Mitte angewiesen.
Und auch die USA zeigen sich alarmiert. US-Verteidigungsminister Leon Panetta bat bei einer Visite in Tokio beide Seiten um Zurückhaltung. Es sei im Interesse aller, dass die größten Volkswirtschaften Asiens gute Beziehungen pflegen.
Die Amerikaner sind in einem Dilemma: Sie haben sich vertraglich verpflichtet, Japan militärisch bei einem Angriff beizustehen. Zugleich möchten sie nicht in Krieg mit der Volksrepublik treten. China ist der größte Kreditgeber der USA.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2012)