Pakistans Premier verlangt weltweites Blasphemieverbot

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Pakistans Regierungschef Ashraf zieht einen fragwürdigen Vergleich zum Holocaust und facht Proteste gegen den Film an. Dass die Lage so eskaliert ist, kommt nicht überraschend.

Bangkok/Islamabad. Die Saat der pakistanischen Regierung geht auf: Das ganze Land war am Freitag wegen des in den USA produzierten, den Propheten Mohammed verunglimpfenden Amateurfilms in Aufruhr. Landesweit sind bei Gefechten zwischen Polizei und Demonstranten mindestens drei Menschen ums Leben gekommen, darunter ein Fahrer des Fernsehsenders ARY TV in der Provinzhauptstadt Peshawar im Norden des Landes, der von einer Polizeikugel in die Brust getroffen wurde. Fernsehaufnahmen zeigten später, wie Ärzte in einem Krankenhaus vergeblich versuchten, das Leben des Mannes zu retten.

Offenbar hatten Polizisten versucht, mit Schüssen einen aufgebrachten Mob auseinanderzutreiben, der kurz zuvor ein Kino gestürmt und niedergebrannt hatte. Aufnahmen der Zusammenstöße zeigten, dass auch einige der Demonstranten bewaffnet waren. Gewalttäter brannten in Peshawar ein weiteres Kino nieder.

Auch aus Lahore und Rawalpindi wurden gewaltsame Proteste gemeldet. In Karachi wurde ein Polizist erschossen. Pakistans Finanzmetropole ist häufig der Schauplatz von Schießereien zwischen Anhängern konkurrierender krimineller und politischer Gruppen. Auch dort haben Gewalttäter lokalen Berichten zufolge drei Kinos niedergebrannt.

Dass die Lage so eskaliert ist, kommt nicht überraschend, denn Pakistans Regierung selbst hat zu den Protesten aufgerufen. Premier Raja Pervaiz Ashraf erklärte den Freitag zu einem Feiertag, damit die Menschen gegen das Schmähvideo demonstrieren könnten. Jedoch betonte die Regierung, dass die Proteste friedlich verlaufen sollten – was in Pakistan bei religiös angeheizten Demonstrationen eher selten der Fall ist. Daher ließen die Behörden vorsorglich in 15 wichtigen Städten die Mobilfunknetze abschalten, um zu verhindern, dass Militante Sprengsätze mit Mobiltelefonen zünden.

Regierung zieht religiöse Karte

Bei einer Rede vor religiösen Gelehrten und ausländischen Diplomaten in Islamabad ließ sich Pakistans Premier zu einem fragwürdigen Vergleich herab. „Wenn es ein Verbrechen ist, den Holocaust zu leugnen, ist es dann nicht illegitim für einen Muslim zu verlangen, dass es auch ein Verbrechen sein soll, wenn die heiligste Person des Islam verunglimpft wird?“, sagte Ashraf. Er rief die internationale Gemeinschaft dazu auf, Gesetze zu erlassen, die Beleidigungen des Propheten unter Strafe stellen.

Pakistans Regierung versucht allem Anschein nach, mit ihrem Protestaufruf politisches Kapital zu schlagen. In der Vergangenheit haben Regierungen in Pakistan immer wieder auf die religiöse Karte gesetzt, wenn sie in Bedrängnis geraten sind. Und das ist derzeit definitiv der Fall: Das Oberste Gericht übt Druck auf die Regierung aus, damit diese die Behörden in der Schweiz um die Wiederaufnahme von Korruptionsermittlungen gegen Präsident Asif Ali Zardari ersucht. Vor wenigen Wochen hat das Gericht den damaligen Premier Yusuf Raza Gillani wegen „Missachtung des Gerichts“ verurteilt und aus dem Amt gekegelt, weil er der Aufforderung der Richter nicht nachgekommen ist.

Proteste auch in Indien

Demonstriert wurde gestern nicht nur in Pakistan – die Zeit nach dem Freitagsgebet eignet sich in der islamischen Welt traditionellerweise gut für Kundgebungen. Auch im benachbarten Indien – konkret im indischen Teil Kaschmirs – gingen Menschen auf die Straße, um gegen die USA zu protestieren. In der Regionalhauptstadt Srinagar kam es zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei, wie indische Medien berichteten. Um die Verbreitung des Schmähfilms zu verhindern, hatte die indische Regierung zuvor bereits Telefon- und Internetverbindungen in Kaschmir einschränken lassen.

Weitere Proteste (allerdings rein friedlicher Natur) wurden aus Malaysia sowie aus dem südserbischen Novi Pazar vermeldet, wo ein Protestmarsch unter dem Motto „Freiheit für Pakistan, Libyen, Afghanistan und den Irak“ veranstaltet wurde. In Indonesien, wo in den vergangenen Tagen besonders heftig demonstriert wurde, ebbte die Welle der Empörung indes ab.

Auch in Nordafrika kochten die Emotionen nicht so hoch wie im Vorfeld befürchtet. Ob das an der nachlassenden Aufregung oder am behördlichen Druck liegt, lässt sich allerdings schwer abschätzen. In Tunesien waren sämtliche Demonstrationen am Freitag jedenfalls verboten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2012)

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